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Zum Gedenken an Cristina Renard - Eine lothringische Französin aus Temeswar

Cristina Renard wurde 1938 in Temeswar geboren. Ihr Vater, der Schneidermeister Peter Prinz aus Blumenthal, hatte ein eigenes Atelier am St.-Georgs-Platz. Als dieser zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurde, ging ihre Mutter Aurelia mit ihr in ihr Heimatdorf Triebswetter, wo Cristina ihre Kindheit verbrachte. Der Großvater mütterlicherseits war der Lehrer und Besitzer der Ziegelfabrik Dominik Haman. Eine wichtige Rolle für ihren künstlerischen Lebensweg spielte Adam Willkomm, damals Pfarrer in Triebswetter, der selbst gerne malte und Cristina mit Farben versorgte. Das Leben in Triebswetter, auf dem Landgut ihrer Großeltern und im Umfeld der Ziegelfabrik, prägte Cristina Renard nachhaltig.

Nach der Rückkehr des Vaters aus der Deportation zog die Familie wieder nach Temeswar. Cristina besuchte noch als Schülerin Malkurse bei Julius Podlipny. Das Kunststudium in Klausenburg musste sie jäh abbrechen, weil sie aufgrund der „ungesunden sozialen Herkunft“ exmatrikuliert wurde (ihre Großeltern Haman aus Triebswetter waren kurz davor aus diesem Grund in den Baragan deportiert worden).

In Temeswar nahm sie die Kurse bei Julius Podlipny wieder auf und nutzte auch andere Gelegenheiten, um sich künstlerisch fortzubilden. Vom akademischen Zeichnen wechselte sie bald zur Aquarellmalerei auf nassem Papier mit lebhaften Farben. Sie wurde aktives Mitglied der Temeswarer Kunstszene, zeitweise sogar Präsidentin des Kunstverbandes, und stellte häufig in Temeswar oder auch anderen Städten Rumäniens aus.

Gegen Ende der 80er Jahre ließ ihr Augenlicht zunehmend nach, weshalb ihr das Malen immer schwerer fiel. Nach mehreren Augenoperationen ging das Malen, zumindest mit Hilfe einer Lupe, wieder besser und sie verlegte sich auf Temeswarer Stadtansichten in Trockentechnik, für die sie einen eigenen Stil entwickelte – farbenfroh und detailreich – der eher an Architekturzeichnugen als am Aquarelle denken lässt. Dieselben Motive – am häufigsten der Domplatz, der Opernplatz und die Ufer der Bega – wechseln zu verschiedensten Jahreszeiten und Stimmungen, sind heute zum Teil schon historische Zeugnisse des Wandels im Stadtbild, wie etwa beim Freiheitsplatz. Die Stadtansichten wurden häufig ausgestellt, unter anderem im AMG-Haus und im Hatzfelder Stefan-Jäger-Museum. Seit 2011 gab Cristina Renard jährlich auch einen Monatskalender mit den Temeswarer Stadtmotiven heraus.

Die Biografie von Cristina Renard ist eng verwoben mit der Geschichte der „Franzosen“ in Triebswetter. Schon ihr Großvater Dominik Haman hatte mit Hilfe von Pfarrer Willkomm Ahnenforschung betrieben und herausgefunden, dass der eingewanderte Vorfahre den Namen „Amand“ trug, die ältere Generation im Dorf sprach damals noch Französisch.

Auf Betreiben ihres Großvaters wurde Cristina in die damals bestehende französische Grundschule in Triebswetter eingeschult, was aber beim Umzug nach Temeswar in der dortigen deutschen Schule eher hinderlich war, wie die Künstlerin später in einem Interview mit Smaranda Vultur (die ein Buch über die „Banater Franzosen“ geschrieben hat) zu Protokoll gab. Cristina heiratete den ebenfalls aus Triebswetter stammenden Nicolae Renard. Passend zum französischen Nachnamen wurde die Tochter Renée Jeannette getauft. Renée Renard ist selbst bildende Künstlerin in Temeswar und kümmert sich um den künstlerischen Nachlass ihrer Mutter.

Am 23. November 2023 starb Cristina Renard, die „deutsche Französin oder lothringische Schwäbin, je nach Standpunkt“, wie die Journalistin Mihaela Sitariu über die Biografie der Künstlerin urteilte. Am selben Vormittag wurde in Krakau eine Ausstellung von ihr aufgebaut. Ihre Tochter sieht diese Koinzidenz durchaus als Zeichen dafür, „dass die Kunst den Künstler überlebt“. Unabhängig von den verschlungenen Feinheiten ihrer Biografie sah sich Cristina Renard wohl vor allem als Temeswarerin, der Stadt blieb sie auch künstlerisch stets verbunden. Im Februar und März 2024 fand im Temeswarer Kulturhaus eine Gedächtnisausstellung mit ihren Stadtansichten statt, die sie selbst noch geplant hatte.