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Die Architektur der Moral - Hans Szeghedi und das Lugoscher Theater

Die besten Leute sind für die höchste Bildung und den höchsten moralischen Einfluss bekannt. (Dostojewski)
Ich erinnere mich an einen Mann von tadellosem Charakter. Sein Name: Hans Szeghedi, gebürtig aus Lugosch. Noch heute gratuliere ich mir zu einer Entscheidung, die ich damals getroffen habe. Hier sind die Fakten:
Ich hatte die Leitung des Stadttheaters in Lugosch vor kaum einer Woche übernommen, da kam dieser Mann auf mich zu, der einen anständigen und gebildeten Eindruck machte. Er stellte sich vor und sagte, dass er seit etwa zehn Jahren als Regisseur und Bühnenbildner an der deutschen Abteilung tätig sei und nun gerne den Posten des Verwalters übernehmen würde. Ich sagte sofort zu.
Was nun folgte, übertraf meine Erwartungen bei weitem. Er war der „Mann für alles“ in diesem Theater. Mit durchdringenden Augen und einem neugierigen Geist bemerkte er selbst die kleinsten Unvollkommenheiten, die er im Handumdrehen korrigierte, ohne sich über Schwierigkeiten, Hindernisse oder Schwächen zu beschweren. Seine Vorschläge kamen aus einem gesunden Menschenverstand und er setzte sie hastig in die Tat um. Die Bühne veränderte in kurzer Zeit ihr Aussehen, und das Lagerhaus sah bald aus – wie wir hier im Banat als Zeichen unbeschreiblicher Wertschätzung zu sagen pflegen – „ca la neamț în șpais“ (wie beim Deutschen in der Speisekammer). Das bedeutet: vorbildliche Sauberkeit, perfekte Ordnung. So etwa wie beim Deutschen Theater in Temeswar, das damals in jeder Hinsicht ein Maßstab war.
Hans Szeghedi brachte bei allem, was er mit Kopf und Seele tat, ein Plus an Normalität, Lebhaftigkeit, Erfindungsreichtum und guten Geschmack mit. Dazu viel Herz! Die Bühne war sein Leben. In jeder Spielzeit boten uns „unsere Deutschen“ eine oder gar zwei Premieren: Unterhaltungsstücke, bei denen viel gelacht wurde. Es war, das muss ich zugeben, eine beachtliche Leistung für ein Team von Amateuren, die im Schichtdienst arbeiteten und die ihre Liebe zur Kultur zusammengeführt hatte. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass ihre Freude an der Arbeit daher kam, dass sie „unter der Leitung“ von jemandem agierten, der wusste, wie man ihnen in attraktiver Form einiges abverlangt.
Ich habe nie Beschwerden von denen erhalten, die er forderte und die sogar seine – manchmal ärgerlichen – Vorwürfe akzeptierten, denn die waren jedes Mal gerechtfertigt und dienten dazu, sich zu verbessern. Das sahen alle ein und sie folgten, ohne zu zögern. Sie nannten ihn – mal scherzhaft, mal ernst – „der, dem nichts entgeht“. Sie gaben sich Mühe und lachten nicht nur bei den Proben, sondern auch bei den Aufführungen der Stücke, die von Hans Szeghedi auch immer persönlich inszeniert wurden.
Einmal, unzufrieden mit dem Verlauf der Probe, sagte er zu ihnen: „Freundschaft braucht Fairness und Selbstachtung. Wenn wir arbeiten, geben wir unser Bestes, und wenn wir lachen, freuen wir uns alle und sind zufrieden mit dem, was wir geschaffen haben.“ Dies war die „ernsthafteste“ Rede, die er je gehalten hatte, wenn man bedenkt, dass der Tag nahte, an dem sich der Vorhang öffnete. Auch pflegte er zu sagen: „Disziplin ist die Mutter des Erfolgs“.
Seine Worte wurden von allen respektiert und eingehalten. Er ließ keine Kompromisse zu, weder große noch kleine, beides schien ihm gleichermaßen schädlich. Er sagte: „Wir sind ein Team und wir haben ein gemeinsames Ziel – mit unserer Leistung zufrieden zu sein. Entweder wir spielen auf Profi-Niveau, oder wir geben auf, denn „sich auszuprobieren“ ist mir fremd. Ich schätze, euch auch, sonst wärt ihr nicht hier.“
Auf der Bühne traf er Mali, das Mädchen voller Leben und Lächeln. Im Laufe der Jahre haben sie in ihrem künstlerischen und familiären Leben ein außergewöhnliches Team gebildet. „Durch unser Verhalten ist es uns gelungen, den Kindern Lebensmodelle zu bieten. Das war unser Credo“, erzählte mir Mali mit bewegter Stimme und wurde für einen Moment wieder zu dem lebhaften Mädchen, das dem „unnachgiebigen“ Hans einst das Herz gestohlen hat.
Wie ich von jemandem aus der Gruppe erfuhr, führte Hans ein Tagebuch, in das er sich von Zeit zu Zeit schnell Notizen machte – darüber, was korrigiert werden musste. Es war eine Art Kalender, eine Dokumentation seiner Gedanken und Unruhen, in der alles, was seinen Alltag ausmachte, einen festen Platz hatte. Alles wurde dort als tägliches Ritual niedergeschrieben und zeigte die gute Ordnung seines Lebens. Die Aufzeichnungen bezeugten seine maßvolle und umsichtige Planung, seine Sorge, nichts zu verschwenden, keine Ressourcen und Mühen der täglichen Arbeit zu vergeuden, die alles Ernste auf dieser Welt erst möglich macht. Sie sind auch wertvolle Hinweise für diejenigen, die wissen, wie man sie für die Zukunft entschlüsselt.
Aber es kam auch der Moment der Trennung. Ich wusste, dass sie gehen würden, aber ich „sah“ diesen Moment als einen weit entfernten, denn nichts deutete darauf hin, dass sie schon bald in das Herkunftsland ihrer Vorfahren aufbrechen würden. Dieser Tag kam dann früher, als ich erwartet hatte, und ich erinnerte mich bald sehnsüchtig an die Tage, als die Bühne ihnen gehörte, und wir, das Publikum, laut lachten und sie mit langem, tosendem Applaus belohnten.
Seitdem habe ich sie dreimal besucht und erfahren, dass sie dort, in Landshut – eine Stadt, die sie mit der gleichen Gelassenheit und Hingabe ehren wie das heimatliche Lugosch – das taten, was sie am besten konnten: Sie spielten Theater und sangen. Und sie hielten vor allem die Gemeinschaft der Lugoscher zwei Jahrzehnte lang eng zusammen, solange Hans Szeghedi ihr Vorsitzender war, im Zeichen der Freude darüber, dass „der Mensch den Ort heiligt“. All dies geschieht hier, in Deutschland, genau wie in Lugosch, im Banat, „unter der Leitung“ des begnadeten Regisseurs und Bühnenbildners Hans Szeghedi. An seiner Seite steht diejenige, die ihn stets aufmerksam unterstützt hat, mit der er sich bei den kleinsten oder wichtigsten Anlässen beriet, die Frau und Mutter seiner beiden Kinder, Mali, die Freundliche und Geduldige. So läuft alles weiterhin auf so professionellem Niveau ab, wie er es einst von seinen Gruppenkollegen verlangte und wie es seinem Naturell entspricht.
Hans, der Anspruchsvolle – mehr an sich selbst, als an alle anderen – sagt über sich: „Ich lebte in Brüderlichkeit mit allen Menschen, egal in welcher Sprache sie das Wort „Mutter“ aussprachen. Und diejenigen, die sich mir anschlossen – auf der Bühne und auf Feiern – spürten genauso wie ich, dass das gegenseitige Verständnis, gepaart mit Anstand, individuell und zeitlos ist. Hier und jetzt (hic et hoc) strahlt die Gegenwart Gottes selbst zurück, heute wie gestern. Was ich im Banat erlebt habe, setzt sich hier in Landshut fort – ein Leben voller Gesang, Musik, Tanz und guter Laune. Sie sind Zeichen einer Gemeinschaft, die dem Regen nahesteht, weil dieser Wohlstand bringt und Einfluss auf unsere Lebensweise, auf die Vorstellung von Welt und Himmel hat.“
Auf die Frage, warum er kulturelle Veranstaltungen organisiert, statt sich auszuruhen, antwortete Hans Szeghedi prompt: „Weil ich existiere!“- und definiert damit den Triumph des Menschen über seine eigenen Grenzen.
Nachtrag: Menschen kommen und gehen, denn so ist das Leben... Aber manch einer setzt sich auf die Bank in deiner Seele und bleibt dort für immer, um schweigend an deiner Seite zu sein...
   Übersetzung: Anca Maghețiu, redaktionell bearbeitet von Halrun Reinholz