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Ein erkenntnisreicher Nachmittag: Vorträge im Kultur- und Dokumentationszentrum

Dr. Franz Metz fesselt die Zuschauer mit einem Streifzug durch die Banater Musikgeschichte. Fotos: Jürgen Griebel

Dr. Walter Engel spricht über Adam Müller-Guttenbrunn.

Aufmerksame Zuhörer im Vortragssaal des Kultur- und Dokumentationszentrums in Ulm Foto: Jürgen Griebel

Wie bereits berichtet, fand am 25. November ein Tag der Offenen Tür im Kultur- und Dokumentationszentrum der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Ulm statt. Nach der Vorstellung der Einrichtung und der Ehrung des Musikwissenschaftlers Dr. Franz Metz mit der Adam Müller-Guttenbrunn-Medaille standen zwei Vorträge mit literatur- beziehungsweise musikgeschichtlicher Thematik auf dem Programm.
 

Müller-Guttenbrunn, der „Volksschriftsteller“
In seinem Vortrag erinnerte der Literaturwissenschaftler Dr. Walter Engel anlässlich des 100. Todestages von Adam Müller-Guttenbrunn an Leben und Werk des „Volksschriftstellers“ der Banater Schwaben. Die große Popularität seiner historischen Heimatromane sowie sein kämpferischer und publizistischer Einsatz für die Bewahrung der Identität der noch jungen Siedlungsgemeinschaft der Banater Schwaben vor dem Ersten Weltkrieg hätten Adam Müller-Guttenbrunn schon zu Lebzeiten den Ruf eines „Volksschriftstellers“ eingebracht. Dies sei ein Ehrentitel für einen Schriftsteller, so Dr. Engel, der zunächst Müller-Guttenbrunns Lebensweg skizzierte und dabei auf die Lebensstationen einging, die auf sein späteres Werk großen Einfluss hatten: seine Heimatgemeinde Guttenbrunn, Temeswar und Wien. Der Makel, ein uneheliches Kind zu sein, unter dem auch seine Mutter schwer zu leiden hatte, wie auch sein Scheitern am Temeswarer ungarischen Piaristengymnasium spielten in mehreren Werken Müller-Guttenbrunns eine zentrale Rolle, so in seinem späten, autobiografisch gefärbten Roman „Meister Jakob und seine Kinder“ (1918), der „ein eindrucksvolles Panorama des banatschwäbischen Dorflebens im ausgehenden 19. Jahrhundert“ zeichnet, oder in seiner Erzählung „Der kleine Schwab. Abenteuer eines Knaben“ (1910).
In Österreich, wo Adam Müller-Guttenbrunn von 1870 bis zu seinem Tod 1923 lebte und wirkte (zunächst in Wien, dann in Linz und Bad Ischl und ab 1880 erneut in Wien), gelang es ihm, sich zum angesehenen Journalisten, gefeierten Schriftsteller und Direktor des Raimundtheaters (1893-1896) sowie des Kaiserjubiläums-Stadttheaters (1898-1903) emporzuarbeiten. Der Referent zeigte auf, dass Müller-Guttenbrunn bereits als Feuilletonredakteur der Wiener „Deutschen Zeitung“ (1886-1892) Banater Themen aufgegriffen hatte und las als Beispiel für seinen Schreibstil und seine Nähe zur Banater Welt einen Auszug aus dem Feuilleton „Der Schnitt im Banat“ vor. Die Reihe seiner Heimatromane setzt mit dem 1908 anonym publizierten Roman „Götzendämmerung“ ein. In dem unter dem Eindruck seiner Reise ins Banat 1907 geschriebenen Werk habe der Schriftsteller, so Dr. Walter Engel, sein politisches Grundmotiv literarisch ausgestaltet: „der Kampf um den Erhalt der deutschen Sprache und Kultur, der Bindung an das Deutschtum im Banat“.
Ausführlicher ging der Referent auf den 1913 erschienenen Roman „Der große Schwabenzug“ ein, der aus seiner Sicht von grundlegender Bedeutung sei, zumal es um „die Grundsteinlegung der banatschwäbischen Gemeinschaft“ gehe. Es sei „ein bisher unerreichtes literarisches Spiegelbild der frühen deutschen Auswanderung ins Banat“. Mit diesem Werk werde uns „nicht nur eine spannende Romanhandlung geboten“, sondern auch „ein Geschichte bewahrendes Dokument“, das „seinen Rang selbst heute im internationalen Literaturvergleich“ behalte. Adam Müller-Guttenbrunn habe mit dem „Großen Schwabenzug“, dem ersten Band seiner Trilogie „Von Eugenius bis Josephus“ (es folgten „Barmherziger Kaiser“ 1916 und „Joseph der Deutsche“ 1917) den Grundstein zur Herausbildung eines Geschichtsbewusstseins der Banater Schwaben gelegt. Mittels mehrerer Romanfragmente zeigte der Referent beispielhaft auf, wie vielschichtig die Handlung gestaltet ist, wie überzeugend die Figuren gezeichnet sind, wie anschaulich und lebendig der Autor schreibt.
Zum Schluss ging Dr. Walter Engel noch kurz auf die Romane „Die Glocken der Heimat“ (1911) und „Meister Jakob und seine Kinder“ sowie auf die Lenau-Trilogie „Das Dichterherz der Zeit“ (1919-1921) ein, um dann an die Wertschätzung des Schriftstellers im Banat und im deutschen Sprachraum, noch zu seinen Lebzeiten und auch heute, zu erinnern. Sein Fazit: „Adam Müller-Guttenbrunns Heimatromane sind Bezugspunkte zur Geschichte unserer Gemeinschaft und wenn wir unseren Kindern und Enkeln einen Anhaltspunkt geben wollen, wo sie über das geschichtliche Werden der Banater Schwaben Einprägsames, Überzeugendes erfahren können, dann sollten wir auf diesen Schriftsteller hinweisen.“

Streifzug durch die Musikgeschichte
Der zweite Vortrag des Nachmittags richtete den Fokus auf Temeswar, die Europäische Kulturhauptstadt 2023, wobei Dr. Franz Metz eine musikgeschichtliche Perspektive auf die Banater Hauptstadt bot, die seit jeher auch das kulturelle Zentrum der Region war. „Temeswar in der großen Musikgeschichte. Berühmte Musiker und ihre Beziehungen zu Temeswar“ lautete der Titel dieses Vortrags, in dem der Referent einen Streifzug durch das reichhaltige Musikleben der Banater Metropole unternahm. Er konnte dabei aus dem Vollen schöpfen, zum einen, weil er zu allen wichtigen Ereignissen und Persönlichkeiten der Temeswarer Musikgeschichte recherchiert und publiziert hat, zum anderen, weil er im Laufe von fünf Jahrzehnten ein umfassendes Südosteuropäisches Musikarchiv angelegt hat, aus dem er unzählige faksimilierte Zeugnisse des Temeswarer Musikgeschehens in seiner PowerPoint-Präsentation zeigte.
Ausgangspunkt des musikalischen Streifzugs war ein Klagelied über den Fall der Festung Temeswar 1552 und den Tod ihres heldenhaften Verteidigers gegen die osmanischen Truppen Stefan Losonczy, das von Sebastian Tinódi Mitte des 16. Jahrhunderts verbreitet wurde. Die Befreiung Temeswars durch das von Prinz Eugen von Savoyen geführte kaiserliche Heer 164 Jahre später wurde auf Veranlassung von Kaiser Karl VI. mit einem Messopfer im Wiener Stephansdom gefeiert, bei dem ein Te Deum von der Hofmusik zur Aufführung kam. Nur wenige Wochen später fand der Siegeszug des Prinzen Eugen seinen Widerhall auch in Hamburg, wo das von Reinhard Keiser komponierte Singspiel „Das zerstörte Troja“ an der Oper am Gänsemarkt aufgeführt wurde.
Auf die sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts abzeichnenden direkten oder indirekten Verbindungen großer Musiker zum Banat, insbesondere zu Temeswar eingehend, nannte der Referent Namen wie Johann Michael Haydn, der als 17-Jähriger sein Opus 1, die „Missa Sanctissimi Trinitatis“, für die Weihe der Temeswarer Domkirche komponiert hat, Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Musik sich schon sehr früh im Banat verbreitet hat und dessen „Zauberflöte“ fünf Jahre nach der Uraufführung in Wien mit großem Erfolg 1796 in Temeswar aufgeführt wurde, oder Ludwig van Beethoven, dessen Jugendliebe Jeanette d’Honrath die spätere Frau des Temeswarer Festungskommandanten und engen Beethoven-Freundes Carl von Greth wurde und die 1823 in Temeswar gestorben ist.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts sind in Temeswar, das man damals „Klein-Wien“ nannte – Ignaz Franz Castelli, ein zu Lebzeiten viel gelesener österreichischer Schriftsteller, schrieb während seines Temeswarer Aufenthalts 1809 ein Vorspiel mit dem Titel „Temeswar, das kleine Wien“ –, namhafte Violinisten, Pianisten und Komponisten aufgetreten. Dr. Franz Metz ging auf die Konzertreisen von Franz Liszt (1846-1847), Johann Strauss (1847-1848), Johannes Brahms und Josef Joachim (1879) ein, die vom Temeswarer Publikum euphorisch empfangen wurden und die ihrerseits von der Gastlichkeit der Bürger der Banater Metropole begeistert waren. Außerdem strömten zahlreiche Komponisten und Kapellmeister aus Deutschland, Österreich und besonders aus Böhmen in das Banat, von denen einige zeitweilig in Temeswar wirkten, während andere sich gänzlich hier niederließen. Dafür stehen Namen wie Vinzenz Maschek, Franz Limmer, Wilhelm Franz Speer, Heinrich Weidt, Martin Nováček oder Bruno Walter, deren Wirken der Referent streifte. Darüber hinaus kamen auch Instrumenten- und Orgelbauer nach Temeswar. Die Orgeln der Firma Wegenstein hätten sich in ganz Südosteuropa verbreitet und würden noch heute bespielt, so Dr. Metz.
Einer der wichtigsten Kulturträger des Banats und des gesamten südosteuropäischen Raumes sei der 1871 nach dem Vorbild des Wiener Männergesangvereins gegründete Temeswarer Philharmonische Verein gewesen, unterstrich der Referent. Auf dessen Einladung haben zahlreiche renommierte Musiker in Temeswar konzertiert, der Verein war eine wichtige Adresse für Konzertagenten aus Wien, Budapest, Berlin oder Paris. Anlässlich des Kaisermanövers in Busiasch 1898 brachte der Temeswarer Philharmonische Verein Kaiser Franz Joseph I. ein Ständchen dar. 1903 richtete er das große ungarische Landessängerfest in Temeswar aus.
Im letzten Teil seines Vortrags ging Dr. Metz auf die Temeswarer Musiklandschaft der Zwischenkriegszeit kurz ein, würdigte das Schaffen der Musikhistoriker Desiderius Braun und Josef Brandeisz und endete mit einem Hinweis auf das Wirken des aus Temeswar stammenden langjährigen Tübinger Universitätsmusikdirektors Alexander Šumski (1933-2022), der durch die Wiederentdeckung, Bearbeitung und Aufführung oberschwäbischer Klostermusik des 18. Jahrhunderts „in die Musikgeschichte Baden-Württembergs eingegangen“ sei.
Der Tag der Offenen Tür war eine gelungene Veranstaltung, die – nach der Rückmeldung vieler Besucher zu urteilen – ihren Zweck, einerseits das Kultur- und Dokumentationszentrum stärker im Bewusstsein unserer Landsleute zu verankern und andererseits kulturgeschichtliches Wissen durch Experten ihres Fachs zu vermitteln, erfüllte.


Zur Erinnerung: Das Kultur- und Dokumentationszentrum unserer Landsmannschaft in 89077 Ulm, Schillerstraße 1, ist mittwochs von 10 bis 13 Uhr und freitags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Während dieser Zeiten ist es unter der Rufnummer 0731−6026747 zu erreichen, ansonsten unter kulturzentrum@banater-schwaben.de oder unter der Mobilnummer 0162−9082886.