Das Kultur- und Dokumentationszentrum (KDZ) der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Ulm lud am 25. November zu einem Tag der Offenen Tür ein mit dem Ziel, einerseits diese Kultur- und Begegnungsstätte wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, andererseits an zwei besondere Anlässe zu erinnern, die 2023 für unsere Gemeinschaft von Belang waren: der 100. Todestag des Schriftstellers Adam Müller-Guttenbrunn und das Temeswarer Kulturhauptstadtjahr. Die Zahl der Besucher übertraf bei weitem die Erwartungen, zumal rund sechzig Gäste aus dem gesamten süddeutschen Raum der Einladung ins Reduit der Oberen Donaubastion gefolgt waren. Hier, im zweiten Stockwerk des imposanten ehemaligen Festungsbaus, in dem auch das Donauschwäbische Zentralmuseum untergebracht ist, hatte die Stadt Ulm im Zuge der Übernahme der Patenschaft über die Landsmannschaft der Banater Schwaben im November 1998 unserem Verband Räumlichkeiten zwecks Einrichtung eines Kultur- und Dokumentationszentrums überlassen. Die im April 1999 anlässlich der Patenschaftsfeier eröffnete Einrichtung umfasst neben den beiden Kernbereichen Bibliothek und Archiv einen Vortrags- und Ausstellungsraum, der seit einigen Jahren vom Ulmer Kreisverband der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland mitbenutzt wird, und eine Teeküche. Die Bibliotheks- und Archivbestände, deren Grundstock die umfangreiche Sammlung des vormaligen, von Karl Waldner im Saarland aufgebauten Donaudeutschen Kulturwerks bildeten, konnten im Laufe der Jahre durch Schenkungen und Ankäufe wesentlich erweitert werden.
Aufgaben, Ziele und Projekte des KDZ
Im ersten Teil der Veranstaltung stellte Walter Tonţa, seit Sommer 2023 Betreuer des Kultur- und Dokumentationszentrums, in einem kurzen Vortrag mit anschließender Führung die Einrichtung vor. Der ehemalige verantwortliche Redakteur der „Banater Post“ informierte die Besucher über Aufgaben und Ziele des KDZ, aktuelle und zukünftige Projekte sowie Recherchemöglichkeiten für Heimat- und Familienforscher. Zu den Aufgaben zählen zum einen das Sammeln, Erfassen und Aufbewahren von Kulturgut des Banater Deutschtums (Schrifttum, Bild- und Tondokumente, Archivalien, zum Teil auch dingliches Kulturgut), zum anderen die Vermittlung von Wissen über Geschichte, Kultur und Brauchtum der Banater Schwaben durch Vorträge, Tagungen, Seminare, Ausstellungen usw. Demnach ist das KDZ in seiner Doppeleigenschaft als Bibliotheks- und Archiveinrichtung beziehungsweise als Begegnungs- und Veranstaltungsstätte ein Ort, an dem das kulturelle Erbe unserer Gemeinschaft gesichert, bewahrt und vermittelt wird.
Während der Führung durch die Bibliotheks- und Archivräume erhielten die Besucher Einblicke in die reichhaltige Sammlung an Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, alten Ansichtskarten, historischen Landkarten, Fotos, Videofilmen, Tonträgern, Gemälden und Dokumenten zur Geschichte und Kultur der Banater Schwaben. Hingewiesen wurde unter anderem auf den umfangreichen Bestand an Kopien von Banater Kirchenbüchern, Familienbüchern und genealogischer Literatur, dank dessen das KDZ eine wichtige Anlaufstelle für Familienforscher und Personen ist, die ihren Familienstammbaum erstellen wollen. Diesem Interessentenkreis steht im Rahmen einer „Sprechstunde Familienforschung“ der Familienbuchautor Franz Junginger beratend und helfend zur Seite. Auch anlässlich dieses Tages der Offenen Tür informierte er über Recherchemöglichkeiten im KDZ und stand interessierten Landsleuten mit Tipps und Hinweisen zur Familienforschung zur Verfügung.
Hinsichtlich der aktuellen und zukünftigen Projekte gab Walter Tonţa bekannt, dass in den letzten Monaten der gesamte Bücherbestand unter Anwendung einer auf das Spezifikum der Bibliothek zugeschnittenen Systematik erschlossen und geordnet wurde, um in einem weiteren Schritt mittels einer Bibliothekssoftware digital erfasst zu werden. Später sollen auch die Bestände des Archivs gesichtet, geordnet und inventarisiert werden. Es sei außerdem beabsichtigt, mit Hilfe der Heimatortsgemeinschaften den Bestand an Heimat- und Familienbüchern sowie an Heimatblättern zu ergänzen, um möglichst vollständige Sammlungen vorweisen zu können.
In den zweiten Programmteil, der zwei Vorträge umfasste, führte der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber ein, nachdem der Betreuer des KDZ die zahlreich erschienenen Besucher begrüßt und namentlich folgende Gäste willkommen geheißen hatte: seitens des Bundesvorstands neben dem Bundesvorsitzenden die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Jürgen Griebel und Harald Schlapansky sowie die HOG-Sprecherin im Bundesvorstand Anita Maurer, Vorsitzende der HOG Schöndorf; seitens des Landesvorstands Baden-Württemberg den stellvertretenden Landesvorsitzenden und Vorsitzenden des Kreisverbandes Esslingen Herbert Volk sowie die Beisitzer Johann Janzer, Vorsitzender der HOG Sanktandres, und Herbert Wild; seitens der Redaktion der „Banater Post“ Halrun Reinholz; ferner Hiltrud Leber, Vorsitzende der HOG Guttenbrunn und Vizepräsidentin des Frauenverbandes im BdV, Dr. Swantje Volkmann, Kulturreferentin für den Donauraum am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, Dr. Michael Nusser, Leiter des Kulturwerks Banater Schwaben (Bayern), Pfarrer i.R. Paul Kollar, Geistlicher Beirat des St. Gerhards-Werks und des Gerhardsforums Banater Schwaben, Viktoria Burghardt, Ulmer Kreisvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland.
Dank an die Unterstützer und Helfer
Der Bundesvorsitzende Peter-Dietmar Leber erinnerte an die auf Initiative des damaligen Verbandsvorsitzenden Jakob Laub erfolgte Einrichtung des Kultur- und Dokumentationszentrums, das im Jahr 2024 seinen 25. Geburtstag feiert, und daran, dass sich im Laufe der Zeit viele für diese Einrichtung engagiert haben. Neben Joseph Ed. Krämer, der das KDZ von 1999 bis 2017 betreute, und seiner Nachfolgerin Halrun Reinholz waren es Barbara Gaug, Dr. Walther Konschitzky, Prof. Dr. Horst Dieter Schmidt vom Heimatverband der Banater Berglanddeutschen, aber auch der Freundeskreis Donauschwäbischer Blasmusik, dessen Noten- und Tonträgerarchiv ebenfalls im KDZ untergebracht ist, zudem zahlreiche Schriftsteller, Künstler, Musiker und Historiker, die hier mit Vorträgen und Ausstellungen präsent waren, sowie Gliederungen unserer Landsmannschaft, die hier immer wieder Tagungen, Seminare und Vorstandssitzungen abhielten.
Das Kultur- und Dokumentationszentrum habe im Laufe seines Bestehens immer auf die ehrenamtliche Unterstützung von Ulmer Landsleuten bauen können, hob Leber hervor und fuhr fort: „Zwei von ihnen möchten wir heute öffentlich Danke sagen. Es sind dies Frau Gerda Sieber-Brach und Herr Franz Junginger, die seit vielen Jahren immer da sind und mithelfen, wenn Not an Frau und Mann ist – und es ist immer Not.“ Als Dank für ihre langjährige Unterstützung überreichte der Bundesvorsitzende Gerda Sieber-Brach einen Blumenstrauß und Franz Junginger eine Flasche Wein.
Mit den beiden anschließenden Vorträgen von Dr. Walter Engel und Dr. Franz Metz habe das KDZ zwei besondere und für unsere Gemeinschaft bedeutsame Anlässe in den Mittelpunkt gestellt, betonte Leber: Zum einen der 100. Todestag des Schriftstellers Adam Müller-Guttenbrunn, „der unsere Geschichte und Gemeinschaft im binnendeutschen Sprachraum wie keiner vor ihm bekannt machte, und zugleich ein unermüdlicher Kämpfer für die Belange der Deutschen im Donauraum gewesen ist“. Zum anderen das Kulturhauptstadtjahr 2023, das Temeswar mit seiner pulsierenden Gegenwart, aber auch mit seiner Geschichte und seiner besonderen kulturellen Prägung in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit gerückt hat. Dieser besonderen Prägung und der reichen musikalischen Vergangenheit der Stadt Rechnung tragend, werde Dr. Franz Metz über berühmte Musiker und ihre Beziehungen zu Temeswar vortragen. Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft wartete nun mit einer Überraschung auf: Der Bundesvorstand hatte nämlich beschlossen, Dr. Franz Metz als Ausdruck der Dankbarkeit und Anerkennung für herausragende Leistungen um die Banater Schwaben die Adam-Müller-Guttenbrunn-Medaille zu verleihen. In seiner Laudatio zitierte Leber zunächst Mathias Buth, der Franz Metz anlässlich der Verleihung der Bundesverdienstmedaille im Jahr 2021 in der ADZ als „Ausgräber und Bewahrer“ bezeichnet hatte, um dann darauf Bezug zu nehmen: „Ausgräber ja, es gibt keinen zweiten, der wie er alle Dachböden von Kirchen und Pfarrhäusern im Banat durchkämmt und im Laufe der Jahre ein umfangreiches Archiv aufgebaut hat. Bewahren ja, aber immer im Sinne von sich damit beschäftigen.“ Dr. Franz Metz habe Chöre und Orchester gegründet und geleitet, darunter zeitweise auch den Temeswarer Schubert-Chor, er habe unzählige Bücher zur Banater Musikgeschichte und zur Kirchenmusik veröffentlicht, ebenso Tonträger und mehr als 200 Werke Banater und südostdeutscher Komponisten herausgebracht, „Werke, die vergessen, verschollen, verschwunden waren“. Und er habe sie „uns allen sowie allen Freunden und Liebhabern der Musik zurückgegeben“. Der Laudator wies sodann auf eine weitere Seite der Tätigkeit des Geehrten hin: „Es vergeht kein Sommer, in dem er nicht in die Dorfkirchen des Banats zurückkehrt, dort – wo möglich – auch die alten Orgeln bespielt, Konzerte gibt, immer neue Musiker, auch junge Musiker, heranzieht, ihnen Augen und Ohren für diesen großen Schatz öffnet.“ Angesichts seines unermüdlichen Wirkens und seiner herausragenden Leistungen würdige die Landsmannschaft der Banater Schwaben Dr. Franz Metz mit dieser hohen Ehrung. Sichtlich gerührt nahm Dr. Franz Metz unter lebhaftem Beifall des Publikums die Adam-Müller-Guttenbrunn-Medaille und die Verleihungsurkunde entgegen.
(Über die beiden Vorträge berichten wir in der nächsten Ausgabe.)