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Gott stellte alles wieder her

Maria vom Siege – Votivbild aus dem 18. Jahrhundert, gemalt von einem unbekannten Priester in Verona nach den Siegen von Temeswar (1716) und Belgrad (1717). Das Bild befindet sich im Kloster Seitenstetten in Österreich. Foto: Diözese Temeswar

Auch in diesem bald zu Ende gehenden Jahr gab es in unserem Heimatbistum Temeswar ein bedeutendes kirchliches Ereignis. Nachdem wir bereits 2015 die Weihe der im neuen Glanz erstrahlenden Wallfahrtskirche Maria Radna festlich begangen haben, wurde am 22. April, zum Abschluss der bisher umfangreichsten Restaurierungsarbeiten seit ihrer Entstehung, auch die St.-Georgs-Domkirche aufs Neue feierlich gesegnet. Neben der Instandsetzung zahlreicher Banater Dorfkirchlein durch die Heimatortsgemeinschaften in den vergangenen 30 Jahren haben nun auch die beiden uns am meisten am Herzen liegenden Gotteshäuser wieder ihr würdiges Aussehen zurückerhalten.

In diesem für Temewar als europäische Kulturhauptstadt denkwürdigen Jahr feierte die Domkirche zudem ihren 220. Weihetag, den Tag, da sie am 24. April 1803 dem heiligen Georg als ihrem Kirchenpatron anvertraut wurde. Ihr Grundstein wurde bereits 67 Jahre davor gelegt, 20 Jahre nachdem das Banat durch die Habsburger, angeführt von Prinz Eugen von Savoyen, am 18. Oktober 1716 von der osmanischen Herrschaft befreit worden war.

Liebe Landsleute, egal ob im Dom oder Dorfkirchlein, wo immer wir am Heiligabend die Kirche besuchen, werden wir die uns vertraute Geschichte hören, vom göttlichen Kind in einer Krippe, genauer gesagt, in einem Futtertrog, weil in den Herbergen für Maria und Josef kein Platz mehr war. Das geschah in Betlehem, auf dessen Feldern 1000 Jahre davor der junge David als Hirte seine Schafe gehütet hat, und wo er von der Herde weg zum König gesalbt wurde. Da wird nun den Hirten gesagt: Euch ist der langersehnte Messias geboren, der versprochene Retter aus dem Hause Davids.

In der christlichen Tradition ist diesem Evangelium noch einiges hinzugefügt worden. Immer wieder wurde es weiter ausgeschmückt, in Erzählungen oder in Krippendarstellungen. Doch es wurde nichts aus der Luft gegriffen, sondern es wurden Bildworte alttestamentlicher Propheten übernommen. Wenn etwa die Krippe in einen Stall gestellt wurde, der wie eine halb verfallene Hütte aussah. Damit wurde an den Propheten Amos erinnert, bei dem über den Messias geschrieben steht: An jenem Tag richte ich die zerfallene Hütte Davids wieder auf und bessere ihre Risse aus, ich richte ihre Trümmer auf und stelle alles wieder her.“ (Am 9,11)

Gott ist Mensch geworden in einer zerfallenden Hütte. Damit kommt sein Versprechen zum Ausdruck, dass mit der Geburt seines Sohnes aus dem Hause David für unsere Erde, für diese immer wieder der Zerstörung ausgelieferte Erde, die Stunde der Rettung gekommen ist.

In Israel, dem kleinen Land an der geografischen Schnittstelle der damals bekannten Welt, der Kontinente Europa, Asien und Afrika, nimmt es seinen Anfang und wird „kat-holos“ wird Weltereignis, wird zu dem, was Jesus wollte, als er seine Apostel in die ganze Welt sandte, um alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen.

Israel, das kleine unbedeutende Land, steht für das, was Gottes Versprechen angeht, aber auch für das, was die Untreue seines Volkes betrifft. Das wird deutlich, wenn zu unseren Weihnachtskrippen auch Ochs und Esel dazugehören. Sie weisen hin auf die Feststellung des Propheten Jesaja: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn, ...aber ...mein Volk hat keine Einsicht.“ (Jes 1,3)

Wie Ochs und Esel ganz selbstverständlich ihren Besitzer kennen, tun die Menschen allzu oft so, als ob sie herrenlose Geschöpfe wären: Sie vergessen, wem sie ihr Leben verdanken. Nicht nur das kurze Leben, die paar Jahre auf diesem kleinen Staubkorn im Universum, sondern sie verlieren ihr viel entscheidenderes, ihr ewiges Leben aus dem Blick.

Das Evangelium, das wir am ersten Weihnachtstag hören werden, nennt den Sohn Gottes, der uns von diesem Leben bei Gott Kunde gebracht hat, „Wort“, durch das alles geworden ist. Das erinnert an den Anfang der Bibel überhaupt, wo es heißt: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Alles hat in Gott seinen Ursprung. Alles, die ganze Welt, hat von Gott her seinen Sinn. Die Welt aber verkannte ihn. In ihren Herbergen war für Gott kein Platz. Aus der Welt Gottes wurde eine Welt, die Gott nicht anerkennen wollte, und dadurch, das zeigte sich schon damals sehr deutlich, eine unmenschliche Welt wurde.

Als aber die Fülle der Zeiten anbrach, da kam er in sein Eigentum, in seine Schöpfung, man könnte auch sagen: in seine Materie. Das kommt in der Geburtskirche in Bethlehem sehr plastisch zum Ausdruck, dadurch, dass dort der Ort der Geburt Christi als eine Höhle gezeigt wird, als Schoß der Erde. Materie, darin steckt das lateinische Wort „mater“, Mutter!

Die Materie ist die Mutter, die Mutter-Erde, aus der Gott-Vater uns werden ließ. Materie ist auch das Wasser, mit dem wir getauft und so zu Kindern Gottes wurden. Materie ist das Brot, durch das wir den Sohn Gottes aufnehmen und Anteil erhalten an seinem mystischen Leib. Wir zerstören uns selbst, wenn wir die Materie nicht achten, wenn wir ehrfurchtslos, selbstherrlich und bloß gewinnorientiert mit Mutter-Erde umgehen, wenn wir sie und uns selbst auf das Materielle reduzieren, wenn wir auch uns als bloßes Material sehen, ohne die unsterbliche Seele, die Gott seinen Menschen eingehaucht hat. Die Materie, die Schöpfung, hat ihre Bestimmung allein durch Gott, durch sein Wort, das Mensch geworden ist, durch seinen Geist, der alles in Gott vereinen will. Auch wir Menschen, als seine Geschöpfe, können unsere Bestimmung erkennen, wenn wir auf Christus hören und tun, was er uns sagt. Die menschgewordene Liebe Gottes wurde in dieser Welt ans Kreuz geheftet. Ecce homo, „Seht da den Menschen“ sagt auch Pilatus. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Im Leben Jesu gehören Krippe und Kreuz eng zusammen.

Auch heute noch geht dies weiter, dass unter den Menschen kein Platz für Gott ist und dass sie in der Folge ihre Welt, seine Schöpfung, aus Habgier und Gewinnsucht mutwillig zerstören, statt sie für alle Menschen, vor allem auch für die kommenden Generationen, lebenswürdig zu erhalten.

In dem Zeitraum, da viele Kirchen in unserem (früheren) Heimatbistum wieder in altem Glanz erstrahlen durften, wurden mehr als 1000 Kirchengebäude der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland auf- und für eine anderweitige Nutzung freigegeben.

Liebe Landsleute!

Uns Christen hat doch Gott das Vertrauen geschenkt, dass eine von ihm gewollte Welt möglich ist. Wir haben dieses Vertrauen durch das, was wir in der Adventszeit erwarten und an Weihnachten feiern: „Das Wort Gottes ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt. Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1, 14). Das ist die Erfahrung des Glaubens. Aus dem Wort Gottes, aus seiner Fülle, haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade und darum auch Hoffnung über Hoffnung, eine alles in den Schatten stellende Hoffnung auf die Erlösung, die Auferstehung der Toten, die Hoffnung auf das ewige Leben.

Gott ist und bleibt uns nahe in seinem Wort und seinen Sakramenten. Er lädt uns ein, an den heiligen Orten, in unseren Kirchen, immer wieder seine frohmachende und friedenbringende Botschaft aufzunehmen und ihm selbst in unseren Herzen eine Wohnstätte zu bereiten.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch gesegnete Adventstage, eine frohe, friedvolle Weihnachtszeit und alles Gute im neuen Jahr 2024!