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58. Kulturtagung des Landesverbandes Baden-Württemberg: Akustische und optische Faszination in Stuttgart

Einen musikalischen Höhepunkt boten Dr. Franz Metz (Klavier) gemeinsam mit Nina Laubenthal (Sopran), Hermina Szabo (Violine), Wilfried Michl jun. (Tenor) und Wilfried Michl (Bariton) mit ihrem Operettenkonzert „Klänge einer Stadt“. Foto: Johann Janzer

Der Banater Künster Robert Waberer aus Altkischoda präsentierte im Foyer einige seiner gemalten Werke. Foto: Johann Janzer

Der Landeskulturreferent Hans Vastag führte durch die Tagung. Foto: Johann Janzer

Der Landesvorsitzende Richard Jäger bei seinem Grußwort Foto: Johann Janzer

Der Landesverband der Banater Schwaben in Baden-Württemberg lud auch in diesem Jahr zu einer Kulturtagung ein. Im Haus der Heimat in Stuttgart standen diesmal Musik und Malerei Banater Künstler im Fokus. Ein derartiges Format hat es in den 57 vorhergehenden Tagungen noch nie gegeben. Deshalb schon war die Erwartung der Interessierten, die leider nicht in der erhofften Anzahl erschienen waren, hoch gesteckt. Warum diese Annahme? Das hatte seinen Grund: Für den ersten Tag der Tagung konnte Landeskulturreferent Hans Vastag die Referenten „für`s Ohr“ vorstellen: Norbert Merkle für die Banater Blasmusik, Thomas Schmidt für die Tanzmusik am Beispiel Hatzfeld, Dr. Franz Metz für den Bereich Musikgeschichte des Banater Berglands und Adrian Nuca-Bartzer für „Emmerich Bartzer und die Volksmusik im Banat”. Der Sonntag hatte dann Schönes für`s Auge zu bieten. Im Blickpunkt standen da die Banater Maler Franz Bittenbinder, Herwig Gross und natürlich Stefan Jäger. Josef Koch und Hans Vastag bemühten sich, durch eigene Erfahrungen und durch gute Recherche im Vorfeld detailliert und aufschlussreich von diesen Künstlern und ihren Bildern zu berichten.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte der Vorsitzende des Landesverbandes der Banater Schwaben Baden-Württemberg, Richard Jäger, die Gäste. Seitens des Bundesvorstands der Landsmannschaft der Banater Schwaben war die Stellvertretende Bundesvorsitzende Christine Neu anwesend. Die einführenden Worte zu den Tagungsthemen fand Hans Vastag. 
Universum der Blasmusik
Der erste Referent war Norbert Merkle, der uns Banater Schwaben inzwischen gut bekannt ist, da er bei den Donauschwäbischen Blasmusikkonzerten und bei den Blasmusikveranstaltungen in Ingolstadt, Mannheim oder Stuttgart immer wieder in hervorragender Manier als Moderator in Erscheinung tritt. Sein Thema war: „Banater Blasmusik nach 1945 in der Bundesrepublik.“ Der Blasmusikkenner listete alle berühmten Blasmusikkapellen auf, u. a. die Original Donauschwäbische Blasmusik unter der Leitung von Josef Augustin, die Original Banater Musikanten unter der Leitung von Günter Friedmann, die Eisenbahner-Musikanten unter der Federführung des Sanktandresers Josef Zippel, die Original Kaiserstühler Musikanten geleitet von Werner Salm usw., die sich in den 60er bis weit in die 90er Jahre, ja sogar bis nach der Jahrtausendwende einen Namen gemacht hatten. Dann kam ein Wandel. Andere Musikrichtungen übertrumpfen mittlerweile diese Musikwelt des 3/4- und des 2/4-Taktes. Die ältere Generation, die mit dieser Musik groß gewachsen ist, hält an dieser schönen Blasmusik fest, obwohl sie in den deutschen Hörfunksendern und in den Fernsehshows fast verschwunden ist. Dennoch gibt es auch heute noch gute Banater Blasmusik. Norbert Merkle führte zum Beispiel die Weinbergmusikanten (Ltg. Hans Wetzler), die Musikkapelle Banater Schwaben Augsburg (Ltg. Werner Zippel), die Original Donauschwäbische Blaskapelle Pforzheim (Ltg. Franz Weinhardt), die Original Donauschwäbische Blaskapelle Reutlingen (Ltg. Hans Frühwald) und weitere an, um einigen guten Blasmusikorchestern größere Beachtung zu schenken. Für das aufmerksame Publikum brachte der Referent noch viel Insiderwissen in sein gut vorbereitetes Referat. Der in Reutlingen lebende Merkle ist mit den Kassner-Brüdern aus Jahrmarkt in engem Kontakt und hat deshalb schon guten Einblick ins Banater Blasmusikgeschehen. Norbert Merkles Vortrag wurde kontinuierlich mit Blasmusikhits untermalt.
Tanzmusik am Beispiel Hatzfeld war der nächste Programmpunkt. Thomas Schmidt spielte zwei seiner Lieblingsstücke ab, mit denen er mit seiner damaligen Band in Hatzfeld und Umgebung öfter aufgetreten ist. In Hatzfeld gab es eine beliebte Tanzschule, und da trat er immer wieder auf, um die Tanzbegeisterten bei der Erlernung des Walzer-, Tango-, Foxtrott-Schritts und sonstiger Tanzrhythmen zu unterstützen. Bei dieser Gelegenheit kam es in der Teilnehmerrunde zu einer ausgedehnten Aussprache. Die Anwesenden aus den unterschiedlichsten Gemeinden des Banats stellten fest, dass die Tanzabende in der Nachkriegszeit sich an den Wochenenden in den Banater Ortschaften sehr ähnlich zugetragen haben.
Klangerlebnisse im Saal
Wer Ende Oktober 2023 bei der Weltpremiere der Operette „Grüßt mein Banat“ in Temeswar dabei war, hat schnell begriffen, von welch einem begabten Musiker und Komponisten Adrian Nuca Bartzer zu sprechen hatte, als er sein Referat „Emmerich Bartzer und die Volksmusik“ vortrug. Emmerich Bartzer wurde 1895 in Lovrin geboren und verstarb 1961 in Hatzfeld. Er war ein Banater Komponist, Dirigent, Violinist und Pädagoge, aber auch Sammler von Volksliedern. Bei seiner Flucht 1944 in den Westen war er gezwungen, viel Hab und Gut zurückzulassen, u. a. auch seine geschätzte Sammlung von Volksliedern. Nach seiner Rückkehr in die Heimat konnte er noch zehn Melodien von großer Bedeutung retten. Sein Enkel Adrian stellte einige Lieder vor, wie zum Beispiel auch „Gell, du hascht mei Sohn gere“, das Nuca Bartzer als Leiter des Schubert-Chors gekonnt vortrug. Dr. Franz Metz begleitete ihn am Klavier. Man hätte noch gern mehr von diesem Gesangsvortrag hören können. Nuca Bartzer berichtete auch von Emmerich Bartzers Leben und Schaffen in der Ära der kommunistischen Zeit im Banat. Ein Thema war für ihn auch die Haltung seines Vaters zum Volkslied.
Das letzte Referat am ersten Tagungs-Tag  war der Musikgeschichte des Banater Berglands gewidmet. Dabei stellte Dr. Franz Metz, Musikwissenschaftler, Organist und Dirigent, geboren in Darowa, sein Buch „In E-Dur. Otto Sýkora und die heitere Musikgeschichte des Banater Berglands“ vor. Was viele Anwesenden sicherlich bis dahin nicht wussten, war, dass das Banater Bergland eine der reichsten und vielfältigsten 
Musiklandschaften in Südosteuropa war. Die eigenständige Musikgeschichte des Banater Berglands ist beeindruckend. 
Der Musiker und Komponist Otto Sýkora wurde 1873 in Böhmen geboren. Ein Besuch bei seinem Onkel in Steierdorf im Banat bewegte ihn, im Banater Bergland zu bleiben. Nach seinem Musikstudium am Konservatorium in Prag war er befugt, die Leitung der Reschitzaer Werkskapelle zu übernehmen. Im Jahr 1937 fand die Erstaufführung von Sýkoras Festmesse in der Temeswarer Domkirche statt, die er Bischof Dr. Augustin Pacha gewidmet hat. Dr. Metz gab einige Details vom Schaffen von Otto Sýkora bekannt, war er doch einer der letzten echten böhmischen Kapellmeister des Banats. Der Referent wies auch auf die Tätigkeit anderer Kapellmeister und Chorleiter, wie zum Beispiel Josef Tietz, Peter Rohr, Johann Stefan Pawelka, Vincens Maschek u.v.a. hin.
Am Abend kam die akustische Wahrnehmung des Publikums voll und ganz auf ihren Genuss. „Klänge einer Stadt“ hieß das Operettenkonzert, das von Nina Laubenthal (Sopran), Wilfried Michl jun. (Tenor), Wilfried Michl (Bariton), Hermina Szabo (Violine) und Franz Metz am Klavier vorgetragen wurde. „Grüß euch Gott, alle miteinander“ von Carl Zeller, „Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde“ von Robert Stolz oder „Grüßt mein Banat“ (Duett aus der gleichnamigen Operette von Emmerich Bartzer) waren nur einige der Melodien, die zu hören waren und die Musikliebhaber begeisterten. 
Natürlich konnte der eine oder andere Gast sich nicht so schnell ins nahegelegene Hotel begeben, den ersten Tagungstag schlossen wie immer intensive Gespräche an der Bar.
Kunstvolles fürs Auge
Im Vorfeld des zweiten Kulturtages, der von der Banater Malerei berichtete, zeigte ein Banater Künstler aus Altkischoda bei Temeswar, Robert Waberer, einige seiner Bilder im Foyer des Hauses. Der Künstler hatte sich den ersten Schliff in VHS-Kursen in München-Garching erworben. Danach besuchte er mehrere Kurse bei namhaften Malern, um Einblick in die Gestaltung von  Landschaft und Stillleben zu bekommen. Seit 2009 arbeitet er in Acryl und Öl.
Hans Vastag eröffnete den zweiten Tag der Tagung mit einem Impulsreferat zur Malkunst von Banater Künstlern. Danach referierte der Ehrenvorsitzende der HOG Hatzfeld Josef Koch auf der Grundlage seines breiten Wissens über den Hatzfelder Künstler und wohl berühmtesten Maler aus dem Banat, Stefan Jäger und dessen heimatlichen Gefilde. 
Er faszinierte die Zuhörer mit der Schilderung, was Stefan Jäger (geb. 1877 in Tschene, gest. 1962 in Hatzfeld) alles malte. Mit seinem bekannten Einwanderungsbild, das anlässlich einer Ausstellung 1910 in Gertianosch enthüllt worden ist, verewigte er die Ansiedlung unserer Ahnen im Banat. Das Triptychon mit Wanderung, Rast und Ankunft  ist ein Abbild unserer Geschichte. Jäger ließ aber auch sonst kein Lebensumfeld der Banater Schwaben außer Acht. Er malte das schöne Pipatschfeld, die breiten Straßen mit den typischen Häusergiebeln der schwäbischen Dörfer, die Banater Höfe, mit Oleander oder Flieder bepflanzt, die schwere Feldarbeit der Bauern, das soziale und kirchliche Leben der Banater Bewohner und vieles mehr. Er verewigte auch die schreckliche Flucht 1944, die Verschleppung der Banater Schwaben nach Russland 1945 und den Einzug der Kolonisten in die Dörfer der Banater Heide und Hecke. Sein Grab in Hatzfeld wird von der Hatzfelder HOG in Ehre gehalten. 
Im Hof der Gedenkstätte in Hatzfeld steht eine Büste von Stefan Jäger, geschaffen von einem anderen berühmten Künstler des Banats, Walter Andreas Kirchner, geboren 1941 in Perjamosch. Renate Koch würdigte Stefan Jäger mit einem Gedicht, das sie eindrucksvoll vortrug.
Kunst in der Deportation 
Den Maler und Karikaturisten Franz Bittenbinder, geboren 1927 in Temeswar, dürften wohl noch viele Banater Schwaben vor allem wegen seinen hervorragenden und wirklichkeitsnahen Karikaturen in der Neuen Banater Zeitung in Erinnerung haben. Kulturreferent Hans Vastag hatte Bittenbinders Tochter Inge Toader im Saarland besucht. Den Teilnehmern der Tagung zeigte er viele seiner Bilder und auch humoristische Darstellungen von gesellschaftlichen Zuständen im Banat und in Hannover (Niedersachsen), wo der Künstler bis zu seinem Tod 2006 lebte und wirkte. Einige Teilnehmer der Tagung kannten die Familie Bittenbinder persönlich, und so wurde das anschließende Gespräch zu einem erweiterten Diskussionsaustausch im Hinblick auf seine Schaffenskraft und auf sein Leben. Mit 17 Jahren wurde der junge Bittenbinder nach Russland deportiert. Dort erkannte man an der Karikatur seines Lagerkommandanten erstmals sein Zeichentalent.  Seither musste (oder durfte) er Familienbilder für sowjetische Offiziere malen, dadurch wurde die schwere Zwangsarbeit etwas erleichtert. Mit Ölfarben, die er selbst mixte, fertigte er mit Streicherpinsel auf Karton Kopien nach Bildern russischer Meister an. So entstanden seine ersten Malereien. Nach seiner Rückkehr und dreijährigem Militärdienst verdiente er seinen Lebensunterhalt als technischer Zeichner in Temeswar. Von 1958 bis 1960 besuchte er im Fernunterricht die Temeswarer Lenauschule. Er bebilderte die deutsche Schulfibel in Rumänien und fertigte zahlreiche Illustrationen für die NBZ. Er hat auch hunderte von Aquarellen, Temperabildern, Federzeichnungen und Ölbildern gemalt. Die Anwesenden der Tagung haben durch dieses Referat sehr viel von dem Künstler Franz Bittenbinder erfahren können.
Zum Schluss wurde der surrealistische Maler Herwig Gross vorgestellt. Er wurde 1955 in Hatzfeld geboren. Referent Hans Vastag kannte den Maler sehr gut, hat er doch mit ihm einige Jahre in dem Banater Heidestädtchen Hatzfeld verbracht. Deshalb konnte er dem Publikum sehr viel vom Leben und Schaffen des 2012 viel zu früh verstorbenen Künstlers erzählen. 
Gross studierte Biologie und besuchte in Trier die Europäische Kunstakademie. Künstlerisch war er dem Surrealismus verhaftet, einer geistigen Bewegung, die sich gegen traditionelle Normen wandte. Traumhaftes, Absurdes, Unbewusstes und Phantastisches sind die Merkmale seiner Bilder. Die von Hans Vastag gezeigten Bilder wurden von den interessierten und erstaunten Teilnehmern einer gründlichen Analyse unterzogen.  
Beim Abschied nahmen die Teilnehmer der Kulturtagung mal wieder viel Wissen über Aspekte des Banater Kulturschaffens mit, die für Schönheit für Ohren und Augen sorgten. „Jedes wahre Kunstwerk offenbart ein Stück der Seele seines Schöpfers.“ Dem konnten die Anwesenden nach dem Erlebten nur schwer widersprechen.