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Temeswar grüßt Wien

Hans Dama mit Tino Geirun bei der Lesung in Wien. Einsender des Fotos: Hans Dama

Am 29. September veranstaltete das Wiener Pygmalion Theater unter dem Motto „Temeswar („Klein Wien“) grüßt (Groß) Wien“, einen der Europäischen Kulturhauptstadt 2023 Temeswar gewidmeten Abend, ein Ereignis, im Rahmen dessen die literarischen Lebensstationen zweier Banater literarischer Persönlichkeiten, Veronica Balaj (Temeswar) und Hans Dama (Wien), im Mittelpunkt standen. Im Programm wurden zweisprachig (deutsch-rumänisch) Fragmente aus der Prosa von Veronica Balaj („Sieben Mal das Leben“) und aus Hans Damas Lyrik präsentiert.
Die in Temeswar lebende und wirkende Radio- und TV-Journalistin Veronika Balaj, Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbandes und vieler internationaler Literaturinstitutionen, Preisträgerin zahlreicher nationaler und internationaler Literaturauszeichnungen aus verschiedenen Kontinenten, verzeichnet eine reiche und vielseitige Veröffentlichungstätigkeit in verschiedenen Sprachen. Sowohl ihre Einzelbände als auch Publikationen in rumänischen wie internationalen Anthologien trugen wesentlich zu ihrer Wertschätzung in Fachkreisen und im In- und Ausland bei.
Bei der Veranstaltung im Pygmalion-Theater wurden dem Publikum von Schauspielern des Theaters Fragmente aus ihrem Werk „De şapte ori viaţa / Sieben Mal das Leben“ präsentiert. Darin versucht die Autorin, in zu einer epischen (Wien- bzw.) Nussdorf-Monographie zusammengepuzzelten Texten den Hypostasen menschlicher Gefühle verschiedener Altersgruppen zu folgen, die Zustände und die psychologischen Beweggründe sowie die Verhaltensweisen der handelnden Personen anhand von detaillierten Schilderungen zu veranschaulichen. (…)
Veronica Balaj verzichtet auf überflüssigen Wortballast, meidet stilschwangere Worthülsen. Negative Charaktereigenschaften werden elegant umschrieben, und, wo erforderlich, setzt sie als Interferenzerscheinung zum epischen Gehalt lyrisch-geballten Sprachfluss ein. Die Autorin beweist einmal mehr Fingerspitzengefühl, eine uneingeschränkte Phantasie und eine gewaltige sprachliche Ausdruckskraft. Die Texte des Buches – ein historisches „Tischlein-deck-dich“ – fesselnd, mitunter im latent provozierenden Unterton gehalten, kann als wertvolle Handreiche für Nussdorf-Liebhaber und solche, die es noch werden wollen, betrachtet werden.
Ganz anders – lyrisch eben – die Gedichte von Hans Dama, der auf sein – relativ spät erfolgtes Debut am 9. März 1967 in der Temeswarer Zeitung „Die Wahrheit“ (Seite 3) in dem Beitrag „Rund um den Tisch beim Nikolaus-Lenau-Kreis – gezeichnet von P. Michels“, zurückblicken kann. Die Gedankenlyrik (hier der Text „Perspektive“) ist ein Markenzeichen des Autors: Es dehnt sich der Reif, / ich spür nicht mehr die Enge, / mein Blick reicht im Umkreis / weiter als zuvor. / Die Fläche scheint größer / der Blickwinkel öffnet sich / und schwankt / zwischen Retina und Infinitum /.
Bereits im deutschen Kindergarten von Großsanktnikolaus wurde der vierjährige Hans Dama mit Lyrik konfrontiert, als er anlässlich eines Festes folgende Strophe öffentlich rezitierte und allgemeine Heiterkeit auslöste: „Ich bin der kleine Zappelhans / und nie ist meine Hose ganz. / Ich klettre immer, selbst im Traum, / auf jeden Birn- und Apfelbaum...“ Als Sechsjähriger waren es dann schon mehrere Strophen, die er seiner geliebten Mutter widmete: „Du, Mutter, wenn ich größer bin, / werd’ ich ein Milizmann. / Ich stell‘ mich auf die Straße hin / und zeige, was ich kann ...// Die Leute bleiben alle stehn / und selbst die Straßenbahn. / Dann lass ich dich vorübergehn / und seh dich grüßend an. //Die Leute denken, was ist los? / Und sagen hinterher: / Ach, wenn doch unser Junge bloß / auch ein Milizmann wär‘.“ //
Doch im Laufe der Zeit und in seinen 12 Gedichtbänden - der 13. Band „Im Banne des Wienerwaldes“ ist in Druck - haben Natur- und sozial-kritische Gedichte als umfangreiche Thematik einen wesentlichen Stellenwert in seiner Dichtung eingenommen, wobei sowohl die Natur des Herkunftsgebietes des Autors – das Banat – als auch die seiner neuen Heimat Österreich im Mittelpunkt seiner Naturlyrik stehen.
Auch im Zuge der Veranstaltung im Pygmalion-Theater wurden solche Gedichte geboten: „Daheim“, „Alltagssorgen“, „Lebenszeit“ und solche, die der neuen Heimat Österreich gewidmet sind: „Sommermorgen in Tragöß“ (Steiermark), „Sommernachmittag im Wienerwald“, „Juli- Morgen in der Jassing“ (Hochschwab-Massiv in der Steiermark) u.a. (…)
Großstadtnachmittag im Sommer: / Siestaasphalt hustet Glut / über Wohnsilofugen. / Gedanken waten im Kollaps. / Banausengeist verkrüppelt. / Der Großstadtofen spuckt Leere. / Das Rettungsboot ist unterwegs, / doch wir stranden am eigenen Ich. (Temeswar, 15.08.1963)
Temeswar: / Akazien in Blüte, / doch Häuser und Straßen / die Blüte vergaßen. / Der Sommer verfrühte, / die Rosen im Garten / kein Lächeln erwarten, / denn Blicke erstarren, / einst golden sie waren. / Verstolperte Freude, / zu unserem Leide / ist alles vollbracht. / Verschließendes Waren / verzögertes Werden... / Verhärmte Gesichter, / die Blicke kaum lichter / begegnen uns alt... / Die Bilder vertrüben, / den Abschied wir üben / verdrossen und kalt. // (Temeswar, Mai 2007)
In zahlreichen deutschen, österreichischen, ungarischen, rumänischen, slowenischen, spanischen und mexikanischen Zeitschriften sowie in Anthologien veröffentlichte Dama Lyrik, Kurzprosa und Essays sowie Übersetzungen aus der rumänischen Lyrik (Mihai Eminescu, Lucian Blaga, George Bacovia, Nichita Stănescu, Anghel Dumbrăveanu, Octavian Doclin, George Achim, George Vulturescu, Adriana Weimer u.a.) und Prosa (Laurian Lodoabă). In den USA wurden zwei seiner Gedichte vertont.
Hans Dama wertet also die Zeit in einem klassisch-romantischen Sinne auf, als dialektisch und komplex. Der Vergangenheit gilt immer ein nostalgischer Blick, denn aus ihr verspricht sich der Dichter Aufschluss über Gegenwart und Zukunft. Es ist daher nicht befremdlich, dass auch bei Hans Dama das Nachdenken über die vergangene oder gegenwärtige, sinnvolle oder scheinbar sinnlose Zeit leitmotivisch thematisiert wird. Im Unterschied aber zur dunkel-düsteren Dichtung seiner Vorbilder Mihai Eminescu, Nikolaus Lenau oder George Bacovia, gehört das Heiter-Apollinische ebenfalls zum Grundton bei Hans Dama. 
Denn der Banater Dichter schaut zwar nostalgisch in die heimatliche Vergangenheit, aber auch optimistisch in die Zukunft, in deren Richtung er durch den quälenden und auch gefährlichen Alltag vorsichtige Schritte setzt. (Text gekürzt)