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Wort- und Klangwelten trafen aufeinander

Lesung des Literaturkreises „Stafette“ mit Arthur Funk, Benjamin Burghardt, Henrike Brădiceanu-Persem, Vanessa Cuţui, Bianca Barbu, Lorette Brădiceanu-Persem und Balthasar Waitz (von links) Foto: Siegfried Thiel

Sie drücken noch die Schulbank, studieren oder stehen bereits im Berufsleben. Sie gehen verschiedenen Beschäftigungen nach und gehören unterschiedlichen Generationen an. Bei aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Lebensläufe verbindet sie eines: die Freude am Schreiben. Sie fassen ihre Erfahrungen und Erkenntnisse, ihre Beobachtungen und Überlegungen, ihre Gedanken und Gefühle in Verse und Prosa. Gemeint sind die Mitglieder des deutschen Literaturkreises „Stafette“ aus Temeswar, der im vergangenen November sein 30-jähriges Bestehen mit einer großangelegten Festveranstaltung feierte. Die Ziele, die sich die beherzte Kulturschaffende Annemarie Podlipny-Hehn bei der Gründung des Literaturkreises unter den schwierigen Bedingungen der ersten Nach-Wende-Jahre setzte, sind bis heute die gleichen geblieben, nämlich, Deutsch schreibenden Autorinnen und Autoren ein Forum zu bieten, kreatives Schreiben in deutscher Sprache zu fördern und dadurch das Fortbestehen der deutschen Literatur im Banat zu sichern. Durch ihr langjähriges kontinuierliches Wirken ist die „Stafette“ zu einer wichtigen Institution des banatdeutschen Kulturlebens geworden. Die Vielzahl an Publikationen (jährlich erscheinende Sammelbände sowie zahlreiche Eigenbände der Mitglieder), an Lesungen und Buchvorstellungen, an Literaturpreisen, mit denen die Autorinnen und Autoren der „Stafette“ bedacht wurden, zeugt von den beachtlichen Leistungen dieses Literaturkreises.  
Die Heimattage der Banater Deutschen waren für die „Stafette“ eine willkommene Gelegenheit, Literaturfreunden einen Einblick in das Schaffen einiger ihrer Mitglieder zu gewähren. So lud der Literaturkreis am Nachmittag des 4. Juni zu einer mit „Wortwelten“ betitelten Lesung in den Festsaal des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses ein, zu der Henrike Brădiceanu-Persem, seit 2012 Leiterin der „Stafette“, Literaturinteressierte aus Temeswar und aus Deutschland begrüßen konnte. 
Die Lesung wurde von sieben „Stafette“-Mitgliedern bestritten. Von diesen war nur Balthasar Waitz schon vor 1989 schriftstellerisch in Erscheinung getreten. Mittlerweile umfasst sein Werk zehn Bände, der neueste, „Als wir im Dunkeln saßen. Die anderen Geschichten von damals“, wurde erst vor kurzem bei den Deutschen Literaturtagen in Reschitza vorgestellt. Zu den vier Autorinnen, die zu Wort gekommen sind – Lorette Brădiceanu-Persem, Henrike Brădiceanu- Persem, Bianca Barbu und Vanessa Cuţui –, ist anzumerken, dass sie bereits während ihrer Schulzeit am Nikolaus-Lenau-Lyzeum mit dem Schreiben begonnen und so schon früh den Weg zur „Stafette“ gefunden haben. Als Deutschlehrerin an der Lenauschule ist Lorette Brădiceanu-Persem (verheiratete Cherăscu), die auch die stellvertretende Leitung des Literaturkreises innehat, stets bestrebt, ihre Schülerinnen und Schüler für Literatur, Lesen und Schreiben zu begeistern und ihre Kreativität zu fördern. Etliche von ihnen sind talentierte Nachwuchsautoren der „Stafette“ geworden. Arthur Funk und Benjamin Burghardt, die beiden anderen an der Lesung beteiligten Autoren, haben sich erst in einer späteren Lebensphase dem Schreiben gewidmet und zählen heute ebenfalls zum festen Kern der „Stafette“.
Die Autorinnen und Autoren, die dem Publikum Kostproben ihres literarischen Schaffens boten – wobei sowohl neue als auch ältere Texte gelesen wurden –, sind in unterschiedlichen Wortwelten zu Hause. Diese Unterschiedlichkeit bezieht sich nicht nur auf die literarischen Gattungen, die Gestaltungs- und Ausdrucksformen, derer sie sich bedienen, sondern auch auf die thematischen Schwerpunkte ihrer Texte, zumal die Schreibenden ihre eigene Sicht auf die Lebenswirklichkeit, auf die Welt im Kleinen wie im Großen haben. Die vorgetragenen Texte – vorwiegend Gedichte in freiem Vers, aber auch solche in traditioneller Form, Kurzgeschichten, Erzählungen und Essays – ließen die Zuhörer eintauchen in die Erlebnis- und Erfahrungswelt der Autorinnen und Autoren und zeigten auf, wie sie es vermögen, sich mit ihrer natürlichen und sozialen Umwelt, dem eigenen Ich oder der Vergangenheit literarisch auseinanderzusetzen. Dafür, dass die „Stafette“-Mitglieder das Schreiben als Hobby betreiben, zeichnen sich etliche ihrer Texte durch hohe literarische Qualität aus. Man kann dem Temeswarer deutschen Literaturkreis nur viele weitere ertrag- und erfolgreiche Jahre wünschen. 
Ein großer Pluspunkt der Veranstaltung waren die von Elias Projahn dargebotenen musikalischen Intermezzi. So erfuhren die „Wortwelten“ eine willkommene Ergänzung durch die „Klangwelten“, in die der junge talentierte Pianist aus Deutschland – er hat im vergangenen Jahr seinen Bachelorabschluss an der Hochschule für Musik und Theater Rostock gemacht – das Publikum entführte. Meisterhaft spielte er den ersten Satz aus Beethovens Mondscheinsonate, einen Ausschnitt aus den Abegg-Variationen von Robert Schumann sowie das Ständchen von Richard Strauss in der Bearbeitung für Klavier von Walter Gieseking. Diese musikalischen Leckerbissen waren eine gute Einstimmung auf das anschließende Orgel- und Trompetenkonzert unter Mitwirkung von Franz Metz und Franz Tröster in der Domkirche.