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„A bissl was von der ganzen Welt“

Unterschiedliche Facetten von Temeswar kamen im KDZ zur Sprache (v.l.): Konrad Gündisch und Tobias Weger referierten über die Geschichte der Stadt, Jan Schrastetter zeigte Alt-Temeswar digital, Edith Ottschofski und Fred Zawadzki lasen aus ihren literarischen Werken. Fotos: Anita Maurer

Unter dem Motto  „Temeswar erkunden – Facetten der Kulturhauptstadt Europas 2023“ lud das Kultur- und Dokumentationszentrum (KDZ) der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Ulm am 29. April zu einem „Temeswar-Tag“ ein. Am Vormittag erhielten die interessierten Teilnehmer viele geschichtliche Informationen zu Temeswar, der mulikulturellen Stadt im südlichen Zentraleuropa und eine der diesjährigen Kulturhauptstädte Europas 2023. Zunächst stellten die beiden Historiker Konrad Gündisch und Tobias Weger ihren kürzlich erschienen Beitrag zur Kulturhauptstadt 2023 „Temeswar / Timișoara – Kleine Stadtgeschichte“ vor. Beide Autoren waren erst am Tag zuvor aus Temeswar zurückgekehrt, wo sie den Stadtführer ebenfalls vorstellen durften. Anhand von ausgewählten Bildern führte der Streifzug durch die Geschichte vom Mittelalter, als Temeswar zeitweise ungarische Residenzstadt war, über die Zeit im Osmanischen Reich, die, wie die beiden Historiker glaubhaft nachwiesen, durchaus auch eine Blütezeit der Stadt war. Die Zeit ab der Eroberung der Gebiete durch die Habsburger ist im kollektiven Gedächtnis der Banater Schwaben als der Beginn der eigenen Geschichte eingebrannt. Die folgenden wechselvollen Zeiten, in denen die Stadt unter anderem königliche Freistadt, Schauplatz der 1948er Revolution und Vorposten der Moderne der Jahrhundertwende war, erzählten die beiden Referenten im vergnüglichen Dialog. Die Stadtgeschichte gipfelt im Volksaufstand von 1989, als in Temeswar der Sturz des Ceaușescu-Regimes im Dezember 1989 seinen Anfang nahm. 
Im zweiten Teil des Vormittags stellte Jan Schrastetter von DiFMOE (Digitales Forum Mittel- und Osteuropa) das Projekt „Temeswar digital“ vor. Die digitale Sammlung historischer Dokumente umfasst verschiedene Zeitungen, Periodika, Stadtpläne, Bücher, Theaterplakate und historische Ansichtskarten von Temeswar vom 17. Jahrhundert bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Erfassung bereits vorliegender Daten vom IKGS (Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas) und des IDGL (Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde) ist umfangreich und die Zuordnung entsprechend zeitaufwendig. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Kultur und Medien (BKM) gefördert. Konkret zeigte der Referent die zuletzt digitalisierten Postkarten aus der Sammlung Böss, die das KDZ aus seinen Beständen für das Projekt zur Verfügung gestellt hat.
Am Nachmittag ging es um das subjektive Erleben von Temeswar aus der Sicht der Kunst und Literatur. Fred Zawadzki, unter anderem auch Vorsitzender der HOG Temeswar, las aus seinem Erinnerungsbuch „Im Schatten des Doms“ über die Zeit seiner Kindheit in den 1960er-1970er Jahren in Temeswar. Der Text bot den Zuhörern ein authentisches Bild über den Zeitgeist des Lebens im Zeichen des Kommunismus. Dass Zawadzki auch bildender Künstler ist, bewiesen seine „Seelenpastelle“ von Temeswar, die während der Lesung eingeblendet wurden. Auch die gebürtige Temeswarerin Edith Ottschofski las aus ihren Versen, die vor allem auf die Mehrsprachigkeit und die spezifische Umgangssprache der Temeswarer Bezug nehmen.  Im Hintergrund liefen künstlerische Fotos von Temeswar, die Ottschofskis Tochter Louise aufgenommen hat. Die Künstlerin Ilse Hehn, die im Publikum anwesend war, hat einige Gedichte der Autorin in zwei Gedichtbänden künstlerisch nachempfunden. Diese Arbeiten wurden ebenfalls auf der Leinwand gezeigt. Zum Abschluss wurde es  „Temeswarerisch“. Die Betreuerin des Banater Kultur- und Dokumentationszentrums Halrun Reinholz brachte den Teilnehmern anhand einer Audioaufnahme von Hans Mokka den Temeswarer Dialekt näher, den man heute kaum noch irgendwo hören kann. Er klingt wie wienerisch, hat einen gewissen „Schmäh“ und hebt sich vom banatschwäbischen Dialekt deutlich ab. Zum Abschluss präsentierte Astrid Ziegler den etwas anderen und erst kürzlich neu erschienen Reiseführer zum Selbstentdecken „Entdecke Temeswar“ von Astrid Ziegler und Herbert Habenicht. Auf Karteikarten werden 24 besondere Sehenswürdigkeiten Temeswars vorgestellt, diese sind gleichzeitig mit einem QR-Code versehen und somit kann man sich die entsprechenden Informationen über eine Audiodatei anhören. 

Am Büchertisch konnte Literatur zum Banat und Temeswar erworben werden. Die Verlockung war groß, etwas noch nicht Vorhandenes für die eigene Bibliothek zu kaufen oder auch als Geschenk für interessierte Landsleute und Freunde.