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Stabwechsel im Donauschwäbischen Zentralmuseum

Vertreter der Landsmannschaften beim Stabwechsel im Donauschwäbischen Zentralmuseum, von links: Thomas Erös (Sathmarer Schwaben), Christine Neu (Banater Schwaben, Bundesverband), Joschi Ament (Deutsche aus Ungarn), Christian Glass, Tamás Szalay, Hans Supritz (Donauschwaben) und Richard Jäger (Banater Schwaben, Landesverband Baden-Württemberg) Foto: Brunhilde Forro

Am Nachmittag des 1. März war ein „Stabwechsel“ angesagt im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm: Nach 28 Jahren wurde dessen Gründungsdirektor Christian Glass in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet und sein Nachfolger Tamás Szalay begrüßt. Zahlreiche Gäste kamen zur Feierstunde ins Museum, galt es doch, eine „großartige Lebensleistung“ zu würdigen, wie Staatssekretär a.D. Julian Würtenberger, Vorsitzender des DZM-Stiftungsrats, in seiner Begrüßung sagte. Das Wort „Lebensleistung“ scheint da ausnahmsweise nicht zu hoch gegriffen, denn Christian Glass, der 1995 die Leitung des Aufbaustabes übernahm und drei Jahre später Direktor des Donauschwäbischen Zentralmuseums wurde, baute das Museum von null an auf und in den vergangenen Jahren auch wieder um. 

Das Donauschwäbische Zentralmuseum war als „Beschlussmuseum“ gegründet worden. Der Stiftungsvertrag über die Errichtung des Museums wurde im September 1994 von der Stadt Ulm, dem Land Baden-Württemberg, dem Bundesministerium des Innern sowie den vier donauschwäbischen Landsmannschaften unterschrieben. Die Herausforderung, ein Ausstellungshaus aufzubauen, für das es weder eine Konzeption, noch eine Sammlung gab, und dessen Gebäude – das Reduit der Oberen Donaubastion – aufwändig saniert werden musste, reizte den studierten Kultur- und Literaturwissenschaftler Christian Glass. Dank der Unterstützung der Landsmannschaften und durch viele Sammlungsreisen in die ehemaligen donauschwäbischen Siedlungsgebiete Ende der 1990er Jahre ist es ihm gelungen, verschiedenste Exponate überaus schnell und in einer derartigen Anzahl und Qualität zusammenzutragen, dass im Jahr 2000 das Donauschwäbische Zentralmuseum feierlich eröffnet werden konnte. Die Sammlung umfasst mittlerweile mehr als 40000 Exponate, von denen nur ein Teil in der Donaubastion mit ihren 3800 Quadratmetern Fläche ausgestellt werden kann.

Glass habe das große Glück gehabt, „mit dem DZM ein Museum gründen und dann über zwanzig Jahre hindurch leiten zu dürfen, das mit seiner optisch wie auch inhaltlich wunderbaren Dauerausstellung, mit den vielen anspruchsvollen Sonderschauen und mit den dazugehörigen, gestalterisch sehr gelungenen Katalogen Maßstäbe in der Museumswelt gesetzt hat“, lobte Prof. Dr. Reinhard Johler, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des DZM und Leiter des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen, in seiner Festrede.

Vor ihm hatte auch Julian Würtenberger nicht mit Superlativen gespart. Er sprach von einem „historischen Tag“ und nannte Glass den „Vater des DZM“, dessen Name für immer mit diesem Museum verbunden sein werde. „Christian Glass hinterlässt ein Museum, das für die Zukunft aufgestellt ist, das mit Hilfe der Träger grundlegend modernisiert und aktualisiert wurde und das mit seinen beiden Dauerausstellungen ganz auf die Donauschwaben und die Donau zugeschnitten ist“, so Würtenberger weiter. Deshalb sei seinem Nachfolger die Chance auf eine Neustrukturierung des Hauses nicht gegönnt, bemerkte er launig, ja fast entschuldigend.

In seiner Festrede griff Reinhard Johler drei Aspekte auf, die seiner Wahrnehmung nach Schwerpunkte in der Arbeit des Museumsdirektors Christian Glass in den vergangenen fast drei Jahrzehnten darstellten. Erstens beleuchtete er, wie aus dem Museum mit dem „sperrigen Namen“ Donauschwäbisches Zentralmuseum eine Marke – das DZM – geworden ist. In seiner Gestaltung sei er nicht dem Vorbild von Heimatstuben und Heimatmuseen gefolgt und es sollte auch inhaltlich kein „Klientelmuseum“ der Donauschwaben werden. Die anfängliche Enttäuschung der Erlebnisgeneration auszuhalten, sei „eine wirkliche Leistung des zum Museumsleiter aufgestiegenen Christian Glass“ gewesen. Er habe „mit großer und letztlich auch überzeugender Beharrlichkeit gezeigt“, dass es im Donauschwäbischen Zentralmuseum auch anders geht. Für den langen Museumsnamen habe er bereits 1995 die sinnvolle Abkürzung DZM geschaffen. „Das Kürzel DZM ist so wichtig, weil es den Donauschwaben ihren selbstverständlichen Raum im Museum lässt, das Museum aber in Richtung Gegenwart – auch Gegenwart der Donauschwaben – ebenso öffnet wie gegenüber dem heutigen Donauraum“, so Johler. Es lasse zudem Erweiterungen und inhaltliche Öffnung zu, wie sich an der im vergangenen Jahr eröffneten zweiten Dauerausstellung „Donau. Flussgeschichten“ zeige.

Zweitens hob der Festredner hervor, wie wichtig es war und ist, dass sich das DZM als europäisches Museum verstehe. Dies erschließe sich, „wenn man auf die doppelte Migrationsgeschichte der Donauschwaben – die Auswanderung zum einen, die Flucht bzw. die Aussiedlung zum anderen – blickt“. Und europäisch – „im Sinne von Zusammenleben im Guten und Vertreiben im Bösen“ – sei die donauschwäbische Geschichte sowieso. Die Geschichte und auch die Gegenwart der Donauschwaben könne sinnvoll gar nicht anders erzählt werden als eben europäisch, so Johler.

Drittens ging der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des DZM auf die mit der europäischen Dimensionierung verbundenen Museums-Partnerschaften im Donauraum ein. Mit seinen vielen Kontakten, Kooperationsprojekten und Partnerschaften habe das DZM „die Funktion eines (museologischen) Bindeglieds in die Donauländer übernommen“ und sei zu „einer gut vernehmbaren Stimme im südosteuropäischen Raum“ geworden. Mit seinen beiden Ausstellungen und dank seiner guten Beziehungen nach Mittel- und Südosteuropa sei das DZM „ein zentraler Teil einer originären und gut funktionierenden Donau-Infrastruktur“ geworden.

Christian Glass übergebe ein Museum, „das sich museologisch in ruhigen Gewässern befindet, das aber inhaltlich-gestalterisch weiterhin turbulent-aufregend bleibt“. Da könne man als Direktor „guten Gewissens das Ruder an einen neuen Steuermann übergeben“, war Johler überzeugt. Das tat dann auch Glass nach seiner Abschiedsrede, in der er die Gründung und Entwicklung des DZM kurz Revue passieren ließ und es als „Riesenglück“ und bundesweit ziemlich einmalig bezeichnete, ein Museum gleich zwei Mal aufgebaut zu haben. Er überreichte nämlich seinem Nachfolger Tamás Szalay das passende symbolische Requisit: das Ruder eines Modells der Ulmer Schachtel. Glass selbst wiederum darf eine Schachtelfahrt auf der Donau mit Gästen seiner Wahl unternehmen – Iris Mann, Kulturbürgermeisterin der Stadt Ulm und Vorsitzende des DZM-Stiftungsvorstands, übergab das Abschiedsgeschenk. Sie würdigte vor allem das „diplomatische Geschick und die Beharrlichkeit“ des scheidenden Museumsdirektors, dem es gelungen sei, die verschiedenen am DZM beteiligten Akteure immer wieder an einen Tisch und das Haus nach vorn zu bringen. 

Bei dem von Tamás Füzesi (Violine) und Giovanni Piana (Klavier) herzhaft ungarisch befeuerten Festakt war die Landsmannschaft der Banater Schwaben durch die stellvertretende Bundesvorsitzende Christine Neu vertreten. Zugegen waren auch der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg Richard Jäger, der verantwortliche Redakteur der „Banater Post“ Walter Tonţa sowie Brunhilde Forro vom Kreisverband Reutlingen, die das Ereignis fotografisch und filmisch festgehalten hat.

Kulturmanager und Netzwerker

Mit dem 1969 im ungarischen Pécs/Fünfkirchen geborenen Tamás Szalay steht seit dem 1. März 2023 ein international erfahrener Netzwerker an der Spitze des Donauschwäbischen Zentralmuseums. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft in seiner Heimatstadt arbeitete er als Redakteur und in leitender Funktion bei der Bewerbung der Stadt Pécs als Kulturhauptstadt Europas 2010 und der Programmgestaltung. Seine Karriere führte den Kulturmanager 2013 nach Stuttgart, wo er als Direktor des Ungarischen Kulturinstituts tätig war. Ein Mann also mit „Ländlestallgeruch“, wie der Vorsitzende des DZM-Stiftungsrats Julian Würtenberger in seiner Begrüßung konstatierte. An beiden Stationen – Pécs und Stuttgart – hatte er mit dem DZM zu tun. Dort hat nämlich seine Frau Andrea Vándor zeitweilig gearbeitet (zurzeit ist sie am Museum Europäischer Kulturen in Berlin für Ostmittel- und Südosteuropa zuständig). 2016 wurde Szalay in Magdeburg Leiter des Bewerbungsbüros Kulturhauptstadt Europas 2025. Nachdem die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt gegen Chemnitz verlor, bewarb sich Tamás Szalayerfolgreich für den Direktorenposten am Donauschwäbischen Zentralmuseum. „Das Haus ist flügge, bestens unterwegs“, hatte Würtenberger bei der Stabübergabe betont. Es sei nun eine große Chance, dass der gut vernetzte Szalay seine Erfahrungen im Kulturmarketingbetrieb nutzen könne, auch entlang der Donauländer.