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Kulinarische Erinnerung und Entdeckungsreise

Kulinarische Erinnerung und Entdeckungsreise zugleich ist das Banater Koch- und Backbuch von Ramona Lambing. „Ein Kochbuch für Nostalgiker, Genießer, Neugierige, Reiselustige, Wissenshungrige, ehemalige und zukünftige Besucher des Banats“, wie es im Klappentext heißt. Es ist ein besonderes Buch, denn: „Aus Fotos, Rezepten, sehr persönlichen, einfühlsamen Gedichten, Essays über Sitten und Gebräuche entfaltet sich das Bild eines Banater Dorfes, dessen kulturelles Erbe so bewahrt und wiederentdeckt wird.“ 

Ramona Lambing, gebürtige Orzydorferin, seit 1986 in der Tourismusbranche tätig, Geschäftsführerin einer Reiseagentur mit einem Standbein in Saarbrücken und einem weiteren in Temeswar, nutzte die Corona-Zeit, um ihr schon lange geplantes Koch- und Backbuch in Angriff zu nehmen. Erschienen ist es im Frühjahr 2021 unter dem Titel „Heimat-Liebe geht durch den Magen. Kochen und Backen im Banat. Die Rezepte der Gemeinde Orczydorf“ im Temeswarer Cosmopolitan Art Verlag. Die „Banater Post“ stellte das Buch in der Ausgabe vom 5. Oktober 2021 vor. 

Um das Buch auch Interessierten in Deutschland zugänglich zu machen, hat unsere Landsmannschaft mit Zustimmung der Autorin eine weitere Auflage herausgebracht, die vor kurzem als Band 21 der Reihe „Banater Bibliothek“ erschienen ist. Gefördert wurde die Publikation durch die Kulturreferentin für den Donauraum am Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm.

Im Folgenden veröffentlichen wir das Vorwort von Ramona Lambing.

Meine Großmutter Katharina Anselm war eine „Hochzeitsköchin“ oder, besser gesagt, eine „Hochzeitsbäckerin“. Das Kochen geschah am Ort des Festes, wegen der vielen Teilnehmer meist im Gemeinde- oder Kulturhaus des Dorfes, während Mehlspeisen und Torten daheim bei der Bäckerin zubereitet wurden. Bereits tagelang vor dem großen Ereignis wurde bei uns zu Hause gerührt, gebacken und dekoriert. Denn die Faustregel besagte, dass auf vier Hochzeitsgäste eine Torte entfalle sowie noch zusätzlich weiteres Kleingebäck. So kam es, dass bei uns in „Speis“ und Keller manchmal bis zu 75 Torten standen.

Das Backbuch meiner Großmutter bestand aus unzähligen fliegenden Blättern, auf denen nur Zutaten und Mengenangaben vermerkt waren, ohne Anleitung, denn sie selbst wusste ja, wie die Zubereitung zu erfolgen hatte. Geschriebene Kochrezepte gab es keine. Durch meine Auswanderung aus dem Banater Dorf im Kindesalter war die Selbstverständlichkeit, mit der man sich früher von Generation zu Generation durch Zuschauen und Mitmachen die Fertigkeit des Kochens und Backens aneignete, unterbrochen. So geschah es, dass ich um die fliegenden Blätter bat und sie handschriftlich übertrug. Stundenlang saß ich bei meiner schon durch Krankheit gezeichneten Großmutter und löcherte sie mit Fragen nach der Reihenfolge des Vorgehens, ob die Zutaten getrennt oder zusammen verquirlt, gerührt oder geschlagen werden mussten.

In den 1980er Jahren hatte sich die einstige intakte Dorfgemeinschaft meines banatschwäbischen Heimatortes aufgelöst; Nachbarn, Bekannte, Freunde und Verwandte waren in alle Winde zerstreut. Die meisten hatten eine neue Heimat in Deutschland, Österreich oder Übersee gefunden und es schien, als gäbe es kein Zurück in die alte Heimat, nach der sich insbesondere die älteren Generationen voller Wehmut sehnten.

Der Beginn, die Rezepte zu sammeln und aufzuschreiben, schien ein Versuch gegen das Vergessen unserer Koch- und Backgewohnheiten. Denn gelegentlich fiel mir auf, dass Rezepte verändert und mit neuen Produkten zubereitet wurden, die überhaupt nicht im Dorf erhältlich und somit nicht Bestandteil der Küche gewesen waren. Die Originalrezepte verschwanden und auch die Großmütter, die man noch hätte fragen können.

Die Küche der Banater Dörfer ist keine raffinierte Küche, sondern geprägt vom Zyklus der Jahreszeiten und der Selbstversorgung. Gerichte sind an die süddeutsche und österreichische Küche angelehnt, beeinflusst von der ungarischen, rumänischen und serbischen Küche.

Manches habe ich weggelassen, zum Beispiel das Fleischbraten – in Orczydorf hatte man Fleisch ohne nennenswerte Gewürze gut durchgebraten; heute gibt es dank moderner Kochgeräte viel schonendere Methoden. Ich habe es mir versagt – und dem Leser erspart –, Gerichte wie „Faule Kees“ und „Wein tunke“ einzubringen. Die weitaus fantasievolleren Backrezepte für Mehlspeisen und Torten zeigen den starken Einfluss der österreichisch-ungarischen Backtraditionen. Seit 1879, als anlässlich der Primiz von Nikolaus Scheidt, die gleichzeitig mit dem 30-jährigen Hochzeitsjubiläum seiner Eltern in Anwesenheit des Weihbischofs Josef Németh gefeiert wurde, die ersten Konditor-Torten für die Festtafel aus der nahen Stadt Temeswar gebracht wurden, traten Torten ihren Siegeszug auch in Orczydorf an.

Mein Dank geht an alle meine Orczydorfer Landsleute, die mir Fotos und Rezepte zur Verfügung gestellt und viele wertvolle Ratschläge und Anregungen gegeben haben. Sollte sich ein Fehler in einem Rezept eingeschlichen haben, ist dieser ausschließlich mir zuzuschreiben.

Die in diesem Buch gesammelten Rezepte erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, da ich von manchem, an das ich mich erinnere, kein Rezept mehr gefunden habe. Sie sind ein Querschnitt aus den vielen von Haus zu Haus und von Familie zu Familie mit geringfügigen Unterschieden gekochten und meist nur mündlich überlieferten Vorgaben. Ich habe versucht, die Rezepte möglichst authentisch zu halten. Sie sind einfach, schmackhaft, leicht nachzukochen und jedem bleibt es überlassen, ob und wie er sie abwandelt.

Verwundert stellte ich fest, dass im Banat die echte Küche der Banater Schwaben von der Speisekarte verschwindet. Umso mehr Ansporn, den längst gehegten Plan, das Koch- und Backbuch zu veröffentlichen, in die Tat umzusetzen. Der Temeswarer Altbischof Martin Roos hat während eines Festaktes den Satz geprägt: Lass dir die Fremde zur Heimat werden, die Heimat aber nie zur Fremde.

Freuen Sie sich mit mir, die kulinarische und kulturelle Identität des Banats und der Gemeinde Orczydorf durch die Küche wiederzufinden, zu entdecken und zu bewahren.

Ramona Lambing: Heimat-Liebe geht durch den Magen. Kochen und Backen im Banat. Die Rezepte der Gemeinde Orczydorf. München: Landsmannschaft der Banater Schwaben, 2022 (Banater Bibliothek, Bd. 21). 246 Seiten, Hardcover mit Fadenheftung, 21 x 28,5 cm, zahlreiche Illustrationen. 34 Euro zzgl. Versandkosten. Bezug bei: Landsmannschaft der Banater Schwaben, Karwendelstraße 32, 81369 München, Tel. 089 / 2355730, E-Mail landsmannschaft@banater-schwaben.de oder über den Banater Shop (www.banater-schwaben.org)