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Wie Donnerschlag und Sturmgebraus - Vor 100 Jahren wurde der Banater Deutsche Sängerbund gegründet (Teil 1)

Fahne des Banater Deutschen Sängerbundes. © für sämtliche Illustrationen: Südosteuropäisches Musikarchiv, München

Einladung zum fünften Sängerfest der Obertoronaler Landwirte am 15. Juni 1913 in Grabatz

Die erste Ausgabe der „Banater Musikzeitung“ erschien im März 1922; seit 1923 war sie offizielles Organ des Bundes Banater Deutscher Sänger

300 Jahre deutscher Chorgesang im Banat

Der deutsche Chorgesang im Banat kann auf eine dreihundertjährige Tradition zurückblicken, die neben der langen Tradition der rumänischen, serbischen, ungarischen, schokatzischen, jüdischen, bulgarischen, kroatischen, tschechischen oder slowakischen Gesangskultur zum reichhaltigen musikalischen Erbe dieses – nach den Worten Wilhelm Kienzls – „von Gott gesegneten Banate“ gehört. Ob man die deutschen Chöre als Liedertafel oder Gesangverein, die rumänischen als Corală oder die ungarischen als Dalárda bezeichnete – sie gehörten schon immer zum allgemeinen Kulturgut.

Wenn durch die Kolonisierung des Banats vor fast dreihundert Jahren ein Teil der süddeutschen Musikkultur bis an die Schwelle der Porta Orientalis verpflanzt wurde, so floss dieser kulturelle Schatz durch die Auswanderungswelle des 20. Jahrhunderts wieder in das Ursprungsland zurück. Der damalige Bischof Sebastian Kräuter schrieb im Vorwort eines 1993 erschienenen Buches: „Es ist deutsches Erbe aus bestem Schrot und Korn, ein Stück Tradition, aus der Urheimat mitgebracht, treu bewahrt und vermehrt, das nun mehr und mehr in sein ursprüngliches Bett zurückfließt.“

Wurde die mitteleuropäische Chorbewegung bereits Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Gründung von Liedertafeln initiiert, konnte dies im südosteuropäischen Raum erst nach den revolutionären Ereignissen von 1848/49 geschehen. Das heißt aber nicht, dass es vorher hier keine Chöre gab. Selbst in der Zeit des Absolutismus hatte jede Religion und Konfession ihre eigenen geschulten Kirchen- oder Kathedralchöre. Außerdem gab es weltliche Chöre, die aber nicht satzungsgemäß organisiert waren. Erst die neuen politischen Voraussetzungen nach 1849 ließen die Gründung von Gesangvereinen nach mitteleuropäischem Muster zu. Eine Vorreiterrolle in diesem Sinne spielte die Chorbewegung in Deutschland und später in Österreich, von wo die organisatorische Struktur auch ins Banat importiert wurde. Die ungarischen, rumänischen oder serbischen Gesangvereine schlossen sich dieser Chorbewegung an.

Der Sängerbund der Obertorontaler Landwirte

Obzwar es im Banat gegen Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche deutsche Chöre gab, fehlte es an einem gemeinsamen Bund dieser Gesangvereine. Erst 1909 kam es zur Gründung des Sängerbundes der Obertorontaler Landwirte, dem ursprünglich der Billeder Sängerbund, der Tschatader (Lenauheimer) Männergesangverein und der Gertianoscher Männergesangverein angehörten. Es war dies der erste schwäbische Sängerbund des Banats, dem in den folgenden Jahren noch weitere acht Chöre beitreten sollten. 

Alljährlich wurde ein gemeinsames Sängerfest abgehalten, an welchem sich alle elf Gesangvereine beteiligten. Doch dieser musische Aufschwung in den schwäbischen Dörfern des Torontals war nur von kurzer Dauer, denn mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs kam es zu einer Erlahmung des Vereinswesens im Banat.

Die Gründung des Banater Deutschen Sängerbundes

Was 1920, kurz nach der Teilung des Banats noch nicht gelingen wollte, konnte 1922 verwirklicht werden. Am 27. August 1922 wurde in Perjamosch anlässlich eines Chortreffens der Bund Banater Deutscher Sänger gegründet. Die Idee dazu stammte von Lehrer Johann Ruß und Pfarrer Otto Dittrich aus Gertianosch. Die Satzungen dieses Sängerbundes wurden am 18. August 1923 vom Minister des Inneren unter der Nummer 68577 genehmigt; der Verein wurde am 29. April 1927 unter der Nummer 6112/1924/6 vom Temeswarer Gerichtshof als juristische Person anerkannt.

Einer der ersten bedeutenden Auftritte fand 1923 anlässlich der Zweihundertjahrfeier der Ansiedlung der Banater Schwaben statt, als ein Sängerfest im Temeswarer Fabrikshof veranstaltet wurde. Die Chöre gestalteten auch den festlichen Gottesdienst auf dem Domplatz, der vom späteren Bischof Augustin Pacha zelebriert wurde. Anwesend waren auch über 100 Fahnenabordnungen Banater Chöre, die unter den tausenden Teilnehmern auf zeitgenössischen Fotos zu sehen sind.

Auch bei der Einweihung der Banatia am 29. August 1926 bestritt der Sängerbund den gesanglichen Teil und erzielte einen großen Erfolg. Kurze Zeit nach seiner Gründung wurde der Banater Sängerbund wegen seiner kulturellen Bedeutung in den Volksrat der Deutsch-schwäbischen Volksgemeinschaft aufgenommen. Anfangs nannte man diesen Zusammenschluss Bund Banater Deutscher Sänger, später wurde der Name Banater Deutscher Sängerbund angenommen.

Man versuchte gleichzeitig, gemeinsam mit dem Siebenbürgisch-Deutschen Sängerbund einen Landesverband für Großrumänien zu gründen, der Vertreter des Banats war Dr. Matz Hoffmann. Diese Initiative konnte aber nicht gleich verwirklicht werden und musste wegen der damaligen politischen Verhältnisse unterbleiben.

Die von Desiderius Járosy in Temeswar herausgegebene Banater Musikzeitung wurde das Mitteilungsblatt des Banater Deutschen Sängerbundes. Es erschien ab 1922 bis etwa 1925. Bereits um 1885 hatte der Pianist und Chorleiter Karl Rudolf Karrasz eine Banater Musikzeitung herausgegeben, von der aber nur einige Ausgaben erscheinen konnten. Der Banater Deutsche Sängerbund gab regelmäßig auch die Sängerzeitung heraus, deren Schriftleiter Hans Eck war. Einige Male im Jahr wurden auch Rundschreiben an die Chöre versendet.

Dass sich die Zeit um 1922 für die Entwicklung des Gesangswesens als günstig erwies, beweist die Tatsache, dass nur wenige Tage nach der Gründung des Banater Deutschen Sängerbundes auch der Bund rumänischer Chöre und Blaskapellen des Banats (Asociaţia corurilor şi fanfarelor din Banat) ins Leben gerufen wurde. Dafür hatten sich Iosif Velceanu und der Lugoscher Chordirigent Ioan Vidu eingesetzt. Dies bewirkte wieder eine Chorbewegung im ganzen Land. 

Als Motto des Banater Deutschen Sängerbundes entschied man sich für die Verse von Pfarrer Otto Dittrich, die aus den 40 eingesandten Vorschlägen ausgewählt wurden: 
„Wie Donnerschlag und Sturmgebraus 
Verkünde, deutsches Lied,
Dass Treue fest zu Volk und Stamm
Im Sängerbunde glüht.“

Für die Vertonung dieses Mottos wurde ein Aufruf an die Musiker des Banats, Siebenbürgens, Österreichs und Deutschlands gerichtet, dabei wurden 110 Kompositionen von 95 Komponisten eingesendet. Die Wahl fiel auf die Komposition von Rudolf Hoffmann, Musikdirektor in Bochum (Westfalen), der auch Bundeschormeister des Westfälischen Sängerbundes war. Nach dem Tod von Pfarrer Otto Dittrich (1927) wurde die Banatia-Stiftung, die sich für den musikalischen Nachwuchs einsetzte, in „Dittrich-Stiftung des Bundes Banater Deutscher Sänger“ umbenannt. 

Bereits 30 Gesangvereine waren diesem Sängerbund beigetreten, 1925 waren es schon 67 Chöre. Zweck des Bundes war in erster Linie „die Pflege des deutschen Liedes durch Übung des volkstümlichen Chorgesangs“. Weiter heißt es: „In der Verfolgung seines Zieles kennt der Bund nur edle Geselligkeit, freundschaftliche Beziehungen zu allen Vereinen des Bundes, vaterländische Gesinnung und unermessliche Liebe zum Gesang. Politik steht dem Bunde ferne“. Gelegentlich der Gründung des Bundes wurde das erste Bundesfest in Perjamosch abgehalten, 1923 folgte das nächste Bundestreffen in Steierdorf und am 1. und 2. August 1925 das dritte Bundesfest in Temeswar.
Dieses Temeswarer Bundesfest vereinigte mehr als 30 deutsche Gesangvereine des Banats, welche in Gruppen organisiert waren und nach bedeutenden Persönlichkeiten oder nach der jeweiligen Region benannt wurden: Lenau-, Adam Müller-Guttenbrunn-, Eisenkolb-, Huber-Grünn-, Temesch-, Städtische-, Gebirgs-, Eintracht-, Peter-Fischer- oder Marosch-Gruppe. Der Vorstand des Bundes Banater Deutscher Sänger bestand 1925 aus folgenden Mitgliedern: Obmann Dr. Jakob Nikolaus Krohn (Oberstuhlrichter in Perjamosch), leitender Obmannstellvertreter Johann Ruß (Direktorlehrer in Gertianosch), zweiter Obmannstellvertreter Nikolaus Riegler (Kantorlehrer in Lovrin), dritter Obmannstellvertreter Peter Hore (Landwirt in Warjasch), erster Schriftführer Otto Dittrich (Pfarrer in Gertianosch), zweiter Schriftführer Dr. Matz Hoffmann (Arzt in Gertianosch), Kassier Paul Wittmann (Lehrer in Marienfeld). Dem Bundesmusikausschuss gehörten an: Otto Anheuer-Onette (Gesangprofessor, Temeswar), Carl Chodora (Bergoberinspektor, Anina), Desiderius Járosy (Domkapellmeister, Akademieprofessor, Temeswar), Josef Linster (Chordirigent des Hatzfelder Gewerbegesangvereins), Fritz Pauck (Bürgermeister, Karansebesch) und Karl Reiter (Dirigent des Mehalaer Gesangvereins).