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Historiker und Reisender zwischen den Welten

Josef Wolf. Foto: Archiv BP

Josef Wolf wurde am 15. November 1952 in Arad als Sohn von Landwirten geboren und wuchs in Horia, einer heutigen Vorstadtgemeinde von Arad, auf. Nach dem Abschluss der Allgemeinschule in seinem Heimatdorf besuchte er das Gymnasium in Arad. Er hat seine Geschichtslehrerin Natalia Biticiu (Bitoleanu) und seine Lateinlehrerin Elsa Toma, die früher nach Auschwitz deportiert wurde, in guter Erinnerung behalten. Er war ein mehrfach ausgezeichneter Schüler und ein hervorragender Student: Erster bei der Aufnahme in das Studium im Jahr 1971 mit einem Numerus clausus von 35 Plätzen bei 15 Bewerbern pro Platz und Erster bei der Graduierung im Jahr 1975 – er war Jahrgangsbester auf nationaler Ebene. Er profitierte von einem kurzlebigen Experiment des Rektors Ștefan Pascu und studierte zwei Fächer: Geschichte als Hauptfach und Anglistik als Nebenfach. Er heiratete seine Kommilitonin Marionela Wolf, geborene Țugui, Historikerin und Latinistin, die bis zu ihrer Emigration als Wissenschaftlerin am Institut für Geschichte der Rumänischen Akademie tätig war. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Professor Pompiliu Teodor weckte sein Interesse an der Geschichte der Historiographie und der Aufklärung, förderte seine theoretische Begabung und unterstützte ihn stets. Er betreute auch seine Diplomarbeit, die einer sächsischen Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts gewidmet war, Johann Seivert, Historiker, Schriftsteller und Publizist.

Nach seinem Abschluss wurde er dem Museum der Geschichte Siebenbürgens zugeteilt, (es waren die berühmten und gerfürchteten “Repartiții“) wo er bis 1980 als Museologe arbeitete. Danach wechselte er an den Lehrstuhl für Sozialwissenschaften der Technischen Universität, wo er Seminare zu Grundfragen der rumänischen Geschichte gab. Das Fach wurde von der Fakultät für Geschichte der Babeș-Bolyai-Universität koordiniert. Im Mai 1986 wurde er aufgefordert, den Lehrstuhl zu verlassen. Eine ministerielle Inspektion warf ihm ideologische Mängel vor, die nicht mit dem offiziellen Geschichtsbild vereinbar seien. Obwohl die stalinistische Zeit schon längst Vergangenheit war, versuchte das nationalkommunistische Regime “denkende“ Historiker und Intellektuelle einzuschüchtern oder gar beseitigen). Unter diesen Umständen ist Josef Wolf mit seiner Familie Anfang April 1989 in die Bundesrepublik Deutschland ausgewandert und ließ sich zunächst in Stuttgart und seit 1995 in Böblingen nieder. Er besuchte so genannte Integrationskurse für Spätaussiedler mit Hochschulabschluss mit akademischem Grad, wie sie in Deutschland heißen, war für kurze Zeit Mitarbeiter der „Caritas“ in Freiburg und der „Landsmannschaft der Banater Schwaben“ mit Sitz in München, wo er sich mit aller Kraft den ihm damals neuen Aufgabenbereich widmete. Im Juni 1990 wurde er im Zuge eines Auswahlverfahrens wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen.

Die Ausreise Josef Wolfs und seiner Familie waren ein Einschnitt in seinem Leben und stellte mit Sicherheit einen Verlust für die Klausenburger Universität und das dortige historische Institut dar.  Seine Ehrung aus dem Jahre 2018 in der Aula Magna der Babeș-Bolyai Universität Klausenburg sind nur eine kleine Kompensation für das, was Wolf selbst verloren hat und die Universität ihm hätte bieten können. Sie war aber auch mit Sicherheit eine Chance für einen Neuanfang für einen Historiker, der in der obersten Liga der Gilde mitspielen konnte.

Am Tübinger Institut leitete er den Bereich Historische Siedlungsforschung. Er betreute über viele Jahre die historische Kartensammlung, die durch eine geplante Ankaufsstrategie sowohl zahlenmäßig als auch thematisch ausgebaut wurde. Zusammen mit einem Kollegen betreute er das Archiv des Instituts. Ein gemeinsames Projekt des Tübinger Instituts und des Staatsarchivs Baden-Württemberg mit dem Rumänischen Nationalarchiv, Kreisverwaltung Klausenburg, hatte zum Ziel, einige wichtige Sammlungen (Magistrat der Stadt Bistritz und Präfektur des Kreises Sathmar) zu konservieren und das Archiv in Klausenburg mit einem Restaurierungslabor auszustatten. Er ist Mitglied in mehreren Vereinen, unter anderem in der Kommission für Geschichte und Kultur der Deutschen in Südosteuropa. Lange Zeit war er Vorsitzender des Arbeitskreises Banater Historiker, der dem Kulturverband der Banater Schwaben angegliedert ist. 

Von Prof. Pompiliu Teodor in die wissenschaftliche Tätigkeit eingeführt, begann Josef Wolf seine Tätigkeit in Rumänien mit Artikeln zur Geschichte der siebenbürgischen Kultur, insbesondere der Siebenbürger Sachsen, und zur Ideengeschichte (Herder und die frühe nationale Ideologie der Siebenbürger Rumänen). Häufig zitiert wird seine Studie über den Horea-Aufstand (1784) und über den Böhmischen Aufstand (1775), die aufgrund der vergleichenden Betrachtung der beiden sozialen Bewegungen, die inmitten der Reformtätigkeit des Reiches in der späten theresianischen und josephinischen Ära ausbrachen, für die damalige Zeit methodisch innovativ war. In Deutschland wurde er zum Regionalhistoriker par excellence, wobei seine Themen das breite Gebiet der deutschen Besiedlung in den historischen Regionen Südosteuropas umfassten. Der Schwerpunkt dieser Forschungsarbeit liegt auf dem historischen Banat. Chronologisch gesehen umfasst seine Forschung sowohl die moderne als auch die zeitgenössische Zeit. Einen bevorzugten Platz in der Kontinuität seiner frühen Forschungen nimmt das 18. Jahrhundert ein, das ihn seit seiner Studienzeit fesselt.

Regionale Geschichte

In einem von ihm herausgegebenen Studienband mit dem Titel Historische Regionen und ethnisches Gruppenbewusstsein in Ostmittel- und Südosteuropa. Grenzregionen – Kolonisationsräume – Identitätsbildung (Danubiana Carpathica, Jahrbuch für Geschichte und Kultur in den deutschen Siedlungsgebieten Südosteuropas, 3-4, 2009/2010), München 2010, definiert er den Begriff der historischen Region im Vergleich zu anderen Formen von Räumlichkeit und Territorialität. Die von Josef Wolf vorgeschlagene regionale Geschichte wird nicht ausschließlich auf der Grundlage der Entwicklung der konstituierenden nationalen Staatengemeinschaft interpretiert, sondern in eine breitere Interpretationsperspektive integriert, nämlich kaiserlich bis zum Ersten Weltkrieg, europäisch heute. Die thematische Struktur seiner Forschungen zum 18. Jahrhundert ist recht kompakt: die Anfänge des domanialen Staates Banat-Timișoara, seine Regierungsform, die räumliche Darstellung der habsburgischen Provinz in Landesbeschreibungen und handschriftlichen oder gedruckten Karten, die Organisation der Kolonisierung des Banats, die ethnischen Konflikte infolge der Kolonisierung (sogenannte „Transfers” der einheimischen rumänischen oder serbischen Bevölkerung), die Herausbildung der Gruppenidentität der Siedler. Eine besondere Leistung ist die Dokumentenedition Quellen zur Wirtschafts-, Sozial- und Bevölkerungsgeschichte des Banats im 18. Jahrhundert, Tübingen 1995, die u.a. die erste Beschreibung des Landes, den sogenannten Hamilton-Bericht (1734), enthält. Typisch für seine Studien ist die Verwendung von Archivinformationen, die oft noch nicht ausgewertet wurden.

Mehrere umfangreichere Studien befassen sich mit der Genese des Gruppenbewusstseins der Banater  Schwaben im 18. Jahrhundert und zu Beginn des folgenden Jahrhunderts, mit ihrem Prozess der politischen Ethnisierung, mit den Formen der politischen Inszenierung sowie mit deren Mechanismen und Funktionen. Wie wir wissen, bedeutet Inszenierung, etwas zu inszenieren, den Inhalt eines Ereignisses oder Phänomens mit den Mitteln der Kunst und Literatur anschaulich zu vermitteln. Die szenische Umsetzung eines zeitgenössischen oder feierlich erinnerten Ereignisses findet im öffentlichen Raum vor einem Publikum statt – daher die Bedeutung des räumlichen Konzepts der „zentralen Orte” des politischen Handelns und der Erinnerung in seinen Studien – und wird von politischen oder kirchlichen Drehbuchautoren konzipiert und von einem „Regisseur” oder einem organisierenden Kollektiv umgesetzt. In einem Serienartikel mit dem aktuellen Titel „Von der Moschee zur Kathedralkirche“ befasst er sich mit der Inszenierung der Einweihung des römisch-katholischen Doms in Temeswar im Jahr 1754. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts haben sich die Bereiche Politik und Medien immer stärker miteinander verflochten, da die politischen Entscheidungsträger erkannt haben, dass bei Missachtung der „Gesetze“ der Medien keine Politik mehr betrieben werden kann.  

Die mediale Selbstinszenierung der Banater Schwaben nahm mit ihrem politischen Ethnisierungsprozess, der sich nach 1918 beschleunigte, neue Formen an. Die Inszenierungen des 20. Jahrhunderts, insbesondere die Eröffnung von Stefan Jägers Gemälde, dem Triptychon „Die Einwanderung der Deutschen“ (1910), bis heute Ikone des kollektiven historischen Gedächtnisses der Banater Schwaben, und das großangelegte Jubiläum zum zweihundertsten Jahrestag der Kolonisierung der Banater Schwaben im Jahr 1923, werden nicht nur politisch thematisiert. Analysiert wurden die konkrete Situation, der politische Kontext, die Dynamik der Bewegung – die Choreographie des Festakts, der Rückgriff auf folkloristische Requisiten, die Sprache der politischen und kirchlichen Akteure. Die Führung der Schwäbischen Volksgemeinschaft wollte sich nicht nur gegenüber den eigenen Anhängern, sondern auch gegenüber den Organen des rumänischen Staates in ein vorteilhaftes Licht rücken, um diese auf die eine oder andere Weise zu beeinflussen und die eigenen politischen Ziele zu erreichen: die Sichtbarkeit der Gruppe, die Solidarität unter ihren Mitgliedern, die Loyalität gegenüber dem rumänischen Staat und in den 1930er Jahren zunehmend auch gegenüber dem imaginierten „Vaterland“ ihrer Vorfahren, dem Deutschen Reich. Erwähnenswert sind seine zahlreichen Artikel über die Geschichte des Banats in der Presse, die sich mitunter mit Gedenkthemen befassen, auf die er großen Wert legt: Der Historiker muss nicht nur für Fachleute schreiben, sondern auch für die Öffentlichkeit, der gegenüber er verpflichtet ist weil sie seine Arbeit  möglich macht. 

Ethnische Karte des Banats 

Ohne die Bedeutung der zahlreichen Artikel und Studien zu schmälern, ist die ethnische Karte des Banats zusammen mit der Dokumentenedition des Banats im 18. Jahrhundert und der Ausstellung „Fließende Räume“ die überzeugendste Leistung von Josef Wolf. Vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert war dieses alte rumänische Siedlungsgebiet ein Ort der Migration und Kolonisierung. Seit dem 18. Jahrhundert haben Beamte der habsburgischen Verwaltung und westliche Reisende die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Region hervorgehoben, die bis heute ihr Markenzeichen im Westen ist, trotz der zunehmenden ethnischen Homogenisierung der Bevölkerung in den beiden Teilregionen, der rumänischen und der serbischen. In der deutschen und westlichen Öffentlichkeit sowie in der wissenschaftlichen Forschung ist das Banat eine stabile Einheit, die vor allem mit dem rumänischen Banat identifiziert wird. Die Region wird selten als grenzüberschreitende historische Einheit wahrgenommen. 

Ein 1998 begonnenes und 2004 abgeschlossenes Kooperationsprojekt zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für Geschichte und Landeskunde der Donauschwaben hatte zum Ziel, die historische und kartographische Entwicklung der Bevölkerung des Banats von 1890 bis 1990/92 zu rekonstruieren - einem Zeitraum, in dem sich die ethnische Struktur der Region stark verändert hat. Die Serie von vier Landkarten, wird von einem umfangreichen, fast 500 Seiten umfassenden Erläuterungstext von Josef Wolf begleitet. Der Autor zeigt, dass die ethnisch-konfessionelle Vielfalt der Region die Folge von Migrationsprozessen ist, die hier seit dem 15. Jahrhundert stattfanden und sich im 18. Jahrhundert verstärkten. Migrationsphänomene, die zu den komplexesten innerhalb der kontinentalen Migrationen der Neuzeit gehören, trugen durch die Einwanderung aus dem Westen sowie aus dem Süden und Osten der Region zu deutlichen Veränderungen in der Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur bei. Neben den vier ethnischen Gruppen, die die regionale Gesellschaft seit dem Ende des 18. Jahrhunderts im Wesentlichen geprägt haben – Rumänen, Serben, Deutsche und Ungarn – lebten hier auch Karaschowaner, Juden, Kroaten, Slowaken, Tschechen, Ruthenen, Zigeuner und andere kleine ethnische Gruppen. Die meisten dieser Gruppen waren das Ergebnis kontinentaler, subkontinentaler und transepochaler Migrationsbewegungen. Ihr Lebensraum, von der kompakten bis zur sporadischen Besiedlung, wurde über Jahrzehnte oder Jahrhunderte aufgebaut. Zwischen den verschiedenen Gruppen haben sich Bereiche mit mehr oder weniger intensiven Kontakten entwickelt. Neben den strukturellen evolutionären Ähnlichkeiten unterscheiden sich diese Gruppen auch in Bezug auf ihre Identität und Kultur. Ihre politische und identitäre Entwicklung ist phasenverschoben, beschleunigt durch die nationale Politik der ungarischen Regierungen und durch den Prozess der politischen Ethnisierung, der nach 1918 alle in dieser Hinsicht zurückgebliebenen Gruppen, einschließlich der deutschen Bevölkerung, einbezog.

Auf den ersten Blick handelt es sich bei dem Thema des Kartenwerks um einen traditionellen Problemkomplex, in dessen Mittelpunkt die demographischen und räumlichen Voraussetzungen des Zusammenlebens ethnischer Gruppen in den jeweiligen Verflechtungsräumen stehen. Wesentliche Themen der Analyse sind die Entstehung und Entwicklung jeder einzelnen ethnischen Gruppe, die Veränderung der räumlichen Verteilungsmuster, die sich aus der kartographischen Darstellung ableiten lassen, und die Inhalte der Gruppenidentität. Das Kartenwerk und ihr erläuternder Text befassen sich nicht nur mit klassischen historisch-geographischen Fragen, sondern schlagen auch eine transdisziplinäre Perspektive vor. Sie dient als Arbeitsinstrument zur Beschreibung der ethnischen Verteilung der Bevölkerung und zur Erklärung von Phänomenen der kulturellen Interaktion. Nicht zuletzt eröffnet sie neue Möglichkeiten für die Analyse komplexer evolutionärer Strukturen und Zusammenhänge auf regionaler, subregionaler und lokaler Ebene. Die Analyse des Autors zeigt, dass die ethnisch-konfessionelle Vielfalt der Region es erfordert, über den chronologischen Rahmen der Karten hinauszugehen. Die Beschreibung der historischen Entwicklung der ethnischen und konfessionellen Struktur der Bevölkerung ist eng mit der Territorialgeschichte, der territorialen Dynamik auf kaiserlicher Ebene und den Nachfolgestaaten der Doppelmonarchie verbunden. Das ethnonationale Prinzip setzte sich ab dem 18. Jahrhundert allmählich durch, da die habsburgische Verwaltung ein reflektiertes Diversitätsmanagement entwickelte, das aus den Erfahrungen des Regierens in den neu erworbenen neoacquistischen Provinzen resultierte. Das Prinzip hat jedoch seine Wurzeln in den Strukturen des entwickelten Mittelalters. Der Autor zeichnet selektiv die Konkretisierungen dieses Prinzips in verschiedenen historischen Kontexten nach.

Die Karte enthält die Grenzen der Gemeinden und Dörfer sowie ihre territoriale Zugehörigkeit in ihrer Entwicklung. Das Relief ist in fünf Höhenstufen dargestellt und bildet zusammen mit dem hydrographischen Netz die topographische Bezugsgrundlage für die thematischen Inhalte der Karte, vor allem die Entwicklung der ethnischen Struktur und des Siedlungssystems. Die topografischen Elemente und die offiziellen geografischen Namen entsprechen dem Zeitpunkt der Datenerstellung. Das Kartenwerk ist zweisprachig, der Erläuterungstext erschien in zwei Versionen – Deutsch und Englisch – in einer Auflage von 2500 Exemplaren, und es wurde von fast 600 National-, Regional- und Universitätsbibliotheken erworben. Zusammen mit dem erläuternden Text ist die ethnische Karte ein Nachschlagewerk für die regionalgeschichtliche Forschung. 

Ausstellungen

Fasziniert von der Authentizität echter, dreidimensionaler historischer Quellen, Objekte von großem dokumentarischem Wert, ist der Historiker Josef Wolf seinen Anfängen im Nationalmuseum Siebenbürgens treu geblieben. Ein wichtiger und konstanter Aspekt seiner wissenschaftlichen Arbeit sind die Ausstellungen, die er konzipiert oder kuratiert hat. Für ihn sind Ausstellungen keine Alternative zu wissenschaftlichen Projekten, sondern das Ergebnis von Forschungsprojekten. Die Initiative geht in der Regel nicht vom Forschungsinstitut in Tübingen aus, sondern von anderen Institutionen, die ihr Fachwissen vom Institut für donauschwäbische Geschichte beziehen. Dies gilt nicht nur für die Ausstellung „Willy Pragher. Rumänische visuelle Räume“, die in Klausenburg mit Erfolg veranstaltet wurde, und für die jüngste Ausstellung „Fließende Räume. Karten des Donauraums 1650-1800“, welche beide gemeinsam mit dem Landesarchiv Baden-Württemberg, dem Eigentümer eines Großteils der wertvollen Exponate, organisiert wurden. Es handelt sich um Wanderausstellungen, die sowohl in Mittel- und Südosteuropa als auch in Westeuropa gezeigt werden. Ihr Thema, das sich auf dieses Gebiet konzentriert, trägt einerseits zum Interesse an den Ländern Mittel- und Südosteuropas bei und macht andererseits das westliche Publikum auf ein historisches Gebiet aufmerksam, das noch zu wenig bekannt ist. Nicht zuletzt wird dadurch die Sichtbarkeit des Instituts außerhalb Deutschlands erhöht. 

Die Ausstellung „Heimatsachen“ (2012) ist nicht nur wegen ihres Themas interessant, sondern auch, weil es sich um eine Ausstellung mit studentischer Beteiligung handelt, die das Ergebnis eines viersemestrigen Seminars ist. Die Teilnehmer waren Studenten des Magisterstudiengangs oder auch Absolventen anderer Universitäten des Landes, die sich für die Spezialisierung auf Museografie eingeschrieben hatten. Die Exponate – mehr als sechshundert – wurden von lokalen Organisationen verschiedener Dorfgemeinden und Städte in den ehemals oder teilweise bis heute bewohnten Regionen im Banat, in Sathmar, Batschka, Syrmien, Slawonien und den transdanubischen Schwabenlanden Ungarns gespendet. Sie wurden gebeten, ihrem Gastland, das gerade sein 50-jähriges Bestehen feierte, ein Geschenk zu machen.

Die jüngste Ausstellung (2017) ist „Fließende Räume. Karten des Donauraums, 1650-1800“, die wurde in Zusammenarbeit mit der Babeș-Bolyai Universität und den Nationalarchiven in mehreren rumänischen Städten präsentiert - Klausenburg, Hermannstadt, Bukarest, Iassy, Brăila, Galați, Drobeta-Turnu Severin, Reschitza, Temeswar, Arad, Großwardein. Es ist ein umfassender Überblick über eine große Region – den Donauraum und den Balkan in der Kartografie. Chronologisch beginnt die Ausstellung Mitte des 17. Jahrhunderts und endet im frühen 19. Jahrhundert. Die Eckpfeiler der Ausstellung sind sowohl aus historischer als auch aus kartografischer Sicht relevant. Mit dem „Großen Türkenkrieg“ (1683-1699) wurde das Habsburgerreich zur Kontinentalmacht, und die Otschakow-Krise – wir befinden uns mitten im aktuellen russisch-ukrainischen Konflikt – leitete im letzten antiosmanischen Krieg mit österreichischer Beteiligung das lang anhaltende „Ostproblem“ ein, das auch für die moderne Geschichte Südosteuropas so wichtig ist. Aber auch die Kartografie unterliegt einem langsamen, aber stetigen Wandel. Wolf bemerkt und unterstreicht die Verwissenschaftlichung der militärischen Kartografie – die ersten topographischen Oberflächenaufnahmen u.a. im Banat und in Siebenbürgen – wirkte sich auch auf den Fortschritt der zivilen Kartografie aus. Das frühe 18. Jahrhundert bringt Fortschritte in der Kenntnis des europäischen und außereuropäischen Raums im Bereich der Planungsnetzwerke und in der Methodik der militärischen und kolonialen Topographie. Um 1800 beginnt die moderne Kartografie, die historische Staatenkunde, die sich schrittweise zu einer umfassenden multidisziplinären Beschreibung von Ländern entwickelt. 

Die so genannte räumliche Wende (spatial turn) hat das Interesse an kartografischen Fragen in der Forschung verstärkt, was auch zu verschiedenen großen Ausstellungen in Europa und den Vereinigten Staaten geführt hat, die sich durch einen methodischen Ansatz auszeichnen, der entweder für die Wissenschaftsgeschichte oder die neue Kulturgeschichte spezifisch ist. Die Forschung konzentriert sich hauptsächlich auf historische Raumkonstruktionen. Ihre Hauptthemen sind das Fortbestehen und der Wandel kartografischer Bilder, die „Lektüre“/Interpretation von Karten als Identitätstexte und ihre Funktion als Machtinstrument.

Eines der neuesten Oevres von Joseph Wolf ist die Herausgabe des zweibändigen Sammelwerkes „250 Jahre Eisenhüttenindustrie in Reschitza. Studien zur Industriegeschichte des Banater Berglandes.“ (Rumänische Akademie. Zentrum für Siebenbürgische Studien, 2022), eine umfassende und vielfältig gestaltete Art Regional- und Städtegeschichte zu betreiben.

Kurz und bündig: Wer ist dieser Mensch? Als Reisender zwischen den Welten und historischen Räumen ist der Historiker Josef Wolf den historischen Themen seines Herkunftslandes, seiner Region und seiner Gemeinschaft treu geblieben. Er ist Autor von soliden, gut dokumentierten und nicht selten theoretisch und methodisch fundierten Studien. Er arbeitet ohne Eile, die Menge beeindruckt ihn nicht  – non multa sed multum – und  ist dennoch der Autor einer beeindruckenden Anzahl von Werken. Offen, kommunikativ, Freundschaft suchend und vor allem schenkend, was ihn zu einem bevorzugten Tutor und Mentor von Klausenburger oder Temswarer Studenten gemacht hat, ist er dennoch sehr zurückhaltend gegenüber den sozialen Netzwerken der Postmoderne und schweigt lieber, wenn er schreiben kann, oder lässt Karten reden.

Josef Wolf wird 70. Wie den meisten von uns hat ihm der Bruch von 1989 das Leben in zwei grosse Etappen geteilt: vor 1989 im Inneren des totalitären Systems, „eine lange Zeit ohne großen Neuerungen”, und nach 1989 als die rasch aufeinanderfolgenden Veränderungen in unserem Leben diesem eine unglaubliche Beschleunigung gegeben haben. So ist er im 70. Lebensjahr angelangt. Ihm alles Gute zum Geburtstag, Gesundheit viel Schaffenskraft, weiter Freude am Leben und Glück und Zufriedenheit mit seiner Familie!
    
(Eine veränderte Form dieses Aufsatzes ist in der Transylvanian Review, Nr. 3/2018 erschienen.)