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Warum gemeinsame Erinnerungsarbeit sinnvoll ist

Banater Schwaben 1987 bei ihrer Ankunft am Nürnberger Hauptbahnhof mit kollektiver Erinnerung im Gepäck. Foto: Manfred Loris

Im Anschluss an einen Vortrag über „Die Kindergenerationen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler“, den ich am 8. Oktober 2022 in Dresden hielt, entwickelte sich eine längere und zugleich aufwühlende und vielfach auch recht emotionale Diskussion darüber, warum gemeinsame Erinnerungsarbeit von Vertriebenen, Flüchtlingen und Aussiedlern so sinnvoll und für die Identitätsvergewisserung jedes Einzelnen wohl auch unverzichtbar ist. Ebenso ging es darum, wie dabei die nachfolgenden Generationen angesprochen und einbezogen werden können und warum dies mitunter besonders schwierig erscheint. In diesem Zusammenhang erinnerten einige der anwesenden Vertriebenen oder Kinder von Vertriebenen, die bis zur Wende in der ehemaligen DDR lebten, wie hindernisreich und mitunter sogar gefährlich diese Erinnerungsarbeit selbst in Nischenbereichen der Gesellschaft unter kommunistischen Herrschaftsverhältnissen war, durfte doch selbst das Wort „Vertriebene“ nicht öffentlich gebraucht werden und erschien es mitunter auch ratsam, die Geburts- oder Herkunftsorte in Ostpreußen, Westpreußen, Pommern oder Schlesien nicht mit deutscher Ortsbezeichnung zu nennen. 

Nach der demokratischen Wende im östlichen Europa und der deutschen Wiedervereinigung setzte sodann zwar rasch ein öffentliches und auch öffentlich erwünschtes und gefördertes Nachholen der bis dahin nur in familiären oder privaten Kreisen und Räumen gepflegten Erinnerungsarbeit ein, doch vieles war in der Zwischenzeit verschüttet oder verklärt und musste mühselig wiederentdeckt und freigelegt werden. Zugleich rückten die Geschehnisse der Massenflucht und der Vertreibung zeitlich immer weiter in die Vergangenheit und die Reihen der Zeitzeugen lichteten sich immer deutlicher. Der Verein „Erinnerung und Begegnung e.V.“ im Landesverband der Vertriebenen und Spätaussiedler in Sachsen, der mit einer entsprechenden Stiftung verbunden ist, deren Kuratorium ich seit einigen Jahren angehöre, und der zu meinem Vortrag einlud, zeigt neben einer Reihe anderer Einrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern durch seine jahrelangen bemerkenswerten und erfolgreichen Aktivitäten, wie man eine gezielte, halb Vergessenes oder historisch Verschüttetes wieder freilegende und zugleich zeitgemäße, in die Zukunft gerichtete Gedächtnis- und Integrationsarbeit leisten kann. (Im Internet kann man sich online unter www.vertriebene-in-sachsen.de einen Eindruck von dieser Tätigkeit machen.) 

Ähnliche demographische Entwicklungen wie bei den Flüchtlingen und Vertriebenen in den östlichen Bundesländern und vergleichbare Auswirkungen auf die Erinnerungskultur sind uns natürlich auch im Hinblick auf die Anfang des Jahres 1945 deportierten Deutschen aus Rumänien in die Sowjetunion und die verschleppten Banater Schwaben im Besonderen bekannt, auf die ich in meinem Vortrag ebenfalls einging. Dabei machte ich auf die Möglichkeit aufmerksam, die wir in unserer Untersuchung „Die Verschleppung der Deutschen aus dem Banat in die Sowjetunion aus der Sicht ihrer Kinder. Erzählberichte“ (herausgegeben von Albert Bohn, Werner Kremm, Peter-Dietmar Leber, Anton Sterbling und Walter Tonţa, München 2021) nutzten, die Kinder der Deportierten als Erinnerungsträger anzusprechen und deren Erfahrungen und Wissen über diese Problematik in systematischer Weise zu erheben und erinnerlich zu machen. Ansonsten machte ich in der Diskussion auch beispielhaft auf die historische Erinnerungsarbeit aufmerksam, die seitens der Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V. und im Freistaat Bayern auch seitens des Kulturwerks Banater Schwaben e.V. geleistet und gefördert wird. Selbst der Zeitraum der Massenaussiedlungen der Deutschen aus Rumänien und der Banater Schwaben in den 1970er, 1980er und Anfang der 1990er Jahre liegen bereits einige Jahrzehnte zurück, so dass wir auch diesbezüglich vor entsprechenden Aufgaben und Herausforderungen der heimatbezogenen wie auch historischen kollektiven Erinnerungsarbeit stehen. 

Individuelle und kollektive Erinnerung 

Immer wieder machte ich in den letzten Jahren darauf aufmerksam, dass es eine kollektive, eine gemeinsame Erinnerung nur so weit gibt, wie es eine genaue, minutiöse, manchmal recht schwierige und nicht selten auch schmerzhafte individuelle Erinnerung gibt. Es liegt zwar in der Natur der Sache, dass das kollektive Gedächtnis auf das individuelle übergreift und zurückwirkt, es in seiner Selektivität, seinen Deutungsmustern und in seinen Bedeutungszuschreibungen beeinflusst und mitprägt. Doch der Ursprung ist stets das erfahrungs- und erlebnisbestimmte individuelle Erinnern und das aus einzelnen Erzählungen, beispielsweise im engen Familien-, Verwandtschaft- oder Bekanntenkreis sich bündelnde gemeinsame Gedächtnis. Das kann sodann eine neue Qualität durch schriftliche Aufzeichnungen und intellektuelle Reflexionen, durch Diskussionen darüber und sonstige Kommunikationsprozesse erreichen. Als eine weitere, gleichsam übergreifende Stufe erscheinen – nicht immer, aber doch dort, wo eine kollektive oder auch symbolische Tiefenbedeutung des historischen Geschehens vorliegt – die Erinnerungskultur und die diese begleitende Erinnerungspolitik. Die Gestaltung und Betrachtung der Erinnerungspolitik fordert indes eine besondere, durchaus auch kritische Sensibilität, zumal sich auf diesem Gebiet nicht nur wissenschaftliche Geschichtsschreibung, historische Mythenbildungen und kollektives kulturelles Gedächtnis in einer komplizierten und manchmal auch schroffen Weise begegnen, widersprechen, überlagern oder verschränken können, sondern weil Erinnerungspolitik mitunter auch nicht frei von der Gefahr der ideologischen oder politischen Manipulation und der Instrumentalisierung erscheint. Nichtsdestotrotz bleibt eine aufmerksame, der authentischen Erfahrung und der Wahrheit verpflichtete Erinnerungskultur und Erinnerungspolitik für die kollektive Identität menschlicher Gemeinschaften und Gesellschaften unverzichtbar wichtig und mithin auch kulturelles Anliegen und Auftrag. Was aber ist damit gemeint? 

Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich mich vor allem an das halten, was wir uns im Rahmen der Förderungstätigkeit des Kulturwerks Banater Schwaben e.V., das seit knapp zwei Jahren besteht, vorgenommen haben („Zur zukünftigen Arbeit des Kulturwerks Banater Schwaben e.V.“, in: Banater Post, Nr. 10 vom 20. Mai 2021, S. 1 und S. 3). 

Anliegen und Aufgabenfelder

In den programmatischen Vorstellungen des Kulturwerks wurden, natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, eine Reihe von Aufgabenbereichen und Schwerpunkten angesprochen, auf die hier nochmals verwiesen werden soll, da sie damals wie auch heute als wichtige Bausteine einer gemeinsamen Erinnerungsarbeit und Gedächtniskultur erscheinen. 

Als ein erstes, weitläufiges Erinnerungsfeld wurden von uns historische und zeithistorische Geschehnisse und damit zusammenhängende Anliegen der Gedächtniskultur genannt. Dies beginnt mit der Einwanderungsgeschichte der Deutschen in das Banat, den Herkunftsgebieten der Einwanderer, der Ansiedlung, den Wohn- und Siedlungsformen sowie dem frühen Wirtschafts- und Gemeinschaftsleben. Es setzt sich in historischen Großereignissen wie der 1848er Revolution, dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1866/67 und dessen Folgen, den beiden Weltkriegen, der kommunistischen Machtergreifung, der politischen Verfolgung der Deutschen unter kommunistischen Herrschaftsbedingungen wie auch dem Zusammenbruch des Kommunismus und deren jeweiligen weitreichenden und schicksalhaften Auswirkungen für die Deutschen im Banat fort. Besonders erinnerungswerte Ereignisse sind hierbei der Erste Weltkrieg und dessen weitreichende Folgewirkungen für das Banat und die Banater, die Einbeziehung und die Verstrickungen in die Geschehnisse und Verläufe des Zweiten Weltkriegs, die Flucht vor der heranrückenden Front, die Verschleppung vieler Banater Schwaben in die Sowjetunion Anfang des Jahres 1945 und die Deportation in den Bărăgan im Frühsommer 1951. Neben gesellschaftlichen und politischen Benachteiligungen und Diskriminierungen der Banater Schwaben wie der Enteignung des Bodens und der Betriebe, manchmal auch der Häuser und Wirtschaftsgebäude, der Einschränkung der Bürgerrechte und der gezielten politischen Verfolgung bildeten die Machenschaften der Sicherheitsdienste und politischen Polizei Rumäniens, der Securitate, die bis nach Deutschland reichten und die sich durch Erfahrungsberichte, Archivmaterialien, Analysen und Diskussionen weiter erhellen und aufklären lassen sollten, ein besonders dunkles und belastendes Kapitel der Geschichte. 

Der Aussiedlungsprozess der Banater Schwaben, der Ende der 1960er Jahre in größerem Umfang in Gang kam, seine Ursachen, Motive, Rahmenbedingungen, Verlaufsformen, eigendynamischen Momente und Rückwirkungen bietet sich sicherlich ebenfalls als ein zentraler inhaltlicher Schwerpunkt der Erinnerungsarbeit an, wobei Beweggründe der Familienzusammenführung wie auch der „Freikauf“ durch die Bundesrepublik Deutschland und die informellen Zahlungen von „Bestechungs- oder Beschleunigungsgeldern“ eigene, sicherlich noch nicht hinreichend aufgeklärte Erscheinungen und zugleich die kollektive Erinnerung belastende Dilemmata bilden. Ein nachhaltig trauriges Kapitel in der Geschichte der Banater Schwaben liegt gleichermaßen in den zahlreichen Fluchtversuchen und den damit zusammenhängenden Gefängniserfahrungen sowie dem vielfachen „Tod an der Grenze“. 
Schließlich sind das abrupte Ende des Ceauşescu-Regimes, der Niedergang des Kommunismus in Rumänien und in Osteuropa und die demokratische Wende 1989/1990 und in der Folgezeit für viele Banater Schwaben wichtige und folgenreiche Erfahrungen, die im kollektiven Gedächtnis angemessen verarbeitet und historisch einsortiert werden müssen. Den im Banat verbliebenen Deutschen, ihren Einrichtungen sowie ihrem sozialen und kulturellen Leben bleibt in unserer kulturellen Beschäftigung und Gedächtniskultur natürlich eine besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen. 

Ein zweites weites und wichtiges Aufgabengebiet der Erinnerungsarbeit betrifft die Kirchen, das religiöse Leben, die Vereine, das deutsche Schulwesen, die Kultureinrichtungen sowie das Presse- und Verlagswesen in den verschiedenen historischen Zeiträumen. So erscheinen die Kirchen, der Glaube und der religiöse Widerstand im Kommunismus als ein wichtiges Erinnerungsmotiv. Ebenso die Rolle der religiösen Erziehung und religiöser Rituale, der Friedhöfe oder des Totengedächtnisses und nicht zuletzt die historisch-dokumentarische und genealogische Bedeutung der Kirchenbücher. 

Von kulturell überlebenswichtiger Bedeutung für die Banater Schwaben erscheint im historischen Rückblick das deutsche elementare und weiterführende Schulwesen in den verschiedenen historischen Zeitabschnitten, bereits vor dem Ersten Weltkrieg, in der Zwischenkriegszeit, in der Zeit des Kommunismus und selbst bis heute. Eine eigene eingehende Beachtung sollten auch deutsche Kultureinrichtungen und das Vereinswesen bis zu ihrer vollständigen Zerschlagung und Gleichschaltung durch das kommunistische Regime in der Erinnerungsarbeit erfahren. Näher zu betrachten sind zudem das deutsche Presse- und Verlagswesen des Banats, die entsprechenden Publikationen wie auch das Archivwesen in den verschiedenen historischen Zeiträumen. Selbstverständlich ist zudem das banatschwäbische Schrifttum sowie das Presse- und Publikationswesen in der Bundesrepublik Deutschland von einschlägigem Interesse für die kollektive Erinnerung.

Als ein drittes umfangreiches Gebiet der historischen kollektiven Erinnerungen ist das Wirtschaftsleben und sind die alltäglichen „Lebenswelten“ der Banater Schwaben anzusehen. Hierbei geht es um das bäuerliche, handwerklich-gewerbliche, industrielle und kaufmännische Wirtschaftsleben in der vorsozialistischen Zeit, im Sozialismus und heute. Ebenso um wirtschaftlichen Wohlstand, um Besitzverhältnisse und die bereits erwähnten einschneidenden Enteignungsmaßnahmen. Es sind die alltäglichen „Lebenswelten“ der Banater Dörfer, Kleinstädte und größeren Städte sowie die sozialen Milieus der Banater Schwaben in den verschiedenen historischen Zeiten zu betrachten, zu erschließen, zu ergründen, zu dokumentieren und in der Gedächtniskultur zu sichern, gleichermaßen auch die kleinräumigen alltäglichen Nachbarschaftsbeziehungen und ihre sozialmoralischen Orientierungsgrundlagen und die sie leitenden kulturellen Identitätsvorstellungen, einschließlich der zumeist nicht ganz einfachen interethnischen Kontakte, Konflikte und Beziehungsmuster. 

Die Rolle der Frauen, der Kinder und der Jugend in den banatschwäbischen „Lebenswelten“ dürfte eigene interessante kollektive Erinnerungsmotive bilden. Ebenso erscheinen Feste, Feiern, Rituale oder Sport, Sportler und Sportereignisse als anschauliche und zugleich aufschlussreiche Erinnerungsobjekte. All dies hat übrigens bereits vielfach in Ortsmonographien, Heimatblättern usw., im Zusammenhang mit Fragen der lokalen und regionalen Identität und entsprechend grundierten Erinnerungsberichten einen lebendigen Ausdruck und Niederschlag gefunden. 

Ein viertes einschlägiges Gebiet der kollektiven Erinnerungsarbeit, der Pflege und des Bewahrens bildet die Kultur im engeren Sinne und die Kunst der Banater Schwaben. Hierbei geht es zunächst um Wissenschaft und deutsche Wissenschaftler im und aus dem Banat. Namentlich genannt und hervorgehoben sei der Nobelpreisträger für Chemie, Prof. Dr. Stefan Hell, der gleichsam stellvertretend für viele aus dem Banat stammende bekannte und anerkannte Wissenschaftler und Forscher steht. Erwähnt sei auch die banatschwäbische Sprach- und Mundartforschung. 

Die deutsche Literatur aus dem Banat zählt sicherlich ebenfalls zu den wichtigsten erinnerungs- und bewahrungswerten Kulturgütern. Hierbei geht es um die traditionale (teilweise mundartlich verfasste) Heimatliteratur wie vor allem um die moderne Literatur, wie sie seit Ende der 1960er Jahre in Erscheinung trat, und um Literaturkreise und Literaturgruppen wie die „Aktionsgruppe Banat“; und natürlich auch um die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte dieser Literatur, die mit Herta Müller bekanntlich eine deutsche Literaturnobelpreisträgerin hervorbrachte, im deutschsprachigen, europäischen und weltweiten Kulturraum. Bemerkens- und erinnerungswert ist ebenfalls, was deutsche Dichter und Schriftsteller aus dem Banat heute in der Bundesrepublik Deutschland schreiben und veröffentlichen, wie auch, welche Erscheinungsformen des deutschsprachigen literarischen Lebens es gegenwärtig im Banat (zum Beispiel die „Reschitzaer Literaturtage“, der Literaturkreis „Stafette“) gibt. 

Aber natürlich nicht nur die Wissenschaft und die Literatur, sondern auch Maler und bildende Künstler, Bauwerke und Monumente, ebenso Komponisten und Musiker, Musikgeschichte und bekannte Orchester, das Deutsche Staatstheater in Temeswar und die vielen Laientheater im Banat sollten ihren gebührenden Stellenwert und Platz in der kollektiven Erinnerungsarbeit und Gedächtniskultur finden. Selbstverständlich auch die auf das Banat bezogenen und der Geschichts- und Kulturpflege dienenden kulturellen Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und darüber hinaus. 

Gemeinsame Erinnerungsarbeit ist natürlich nicht nur auf die kollektive Vergangenheit und auf überkommene Kulturbestände gerichtet, sondern zugleich aktive gegenwärtige und auf die Zukunft ausgerichtete kommunikative und reflexive Kulturtätigkeit. Die vielfach als „mustergültig gelungen“ zu betrachtende soziale Eingliederung der Banater Schwaben in der Bundesrepublik Deutschland und im Freistaat Bayern beruht einerseits auf deren Offenheit, Integrationsbereitschaft sowie Anpassungs- und Integrationsfähigkeit wie andererseits auch auf dem Fortbestand enger landsmannschaftlicher Beziehungen und ebenso auf der Wirksamkeit landsmannschaftlicher Organisationsformen, so dass individuell wie auch gemeinsam eine Identität zwischen Herkunftskultur, Gegenwartsgesellschaft und Zukunft gesucht und gefunden werden konnte. Dies gilt auch und in besonderer Weise für Angehörige der zweiten, dritten und der nächsten Nachfolgegenerationen der Aussiedler aus dem Banat, denen diese spezifische Herkunftsidentität als besondere Erfahrungs-, Reflexions- und Handlungsressourcen und vielfach wohl auch als zusätzliche Motivationsgrundlage dient.

Schlussbetrachtung

Abschließend möchte ich noch einige Einsichten und Ausblicke festgehalten. Die Gedächtniskultur ergibt und konsolidiert sich nicht nur, wie gezeigt, aus einem komplizierten Zusammenwirken individueller und kollektiver Erinnerungsbemühungen, sondern sie umfasst und verbindet in ihren spezifischen Sinnmustern und Relevanzstrukturen zugleich Vergangenes, Gegenwärtiges und bestenfalls auch Zukünftiges. Sie umfasst hierbei nicht nur alltagskulturelle Erfahrungen, Traditionen, Brauchtum und „lebensweltliche“ Gegebenheiten, sondern auch und gerade die Erinnerung an historisch besondere Geschehnisse und Ereignisse und ebenso an herausgehobene Gegebenheiten der Hochkultur und besondere Hervorbringungen außerordentlicher Geistesleistungen und anspruchsvoller Kunst der Deutschen aus dem Banat. Sie überschreitet damit natürlich vielfach den Horizont des Banats und der Banater Schwaben und schloss und schließt mithin immer wieder an eine gemeinsame Kultur der Deutschen in Rumänien, an die repräsentative Kultur des deutschen Kultur- und Sprachraums und an die europäische und abendländische Kultur schlechthin an. Heute kommt den Banater Schwaben und ihrer vielschichtigen Kultur daher gleichsam auch eine „Brückenfunktion“ zwischen „neuer“ und „alter“ Heimat zu. 

Eine konsolidierte und bestandsfähige Gedächtniskultur benötigt nicht nur die alltägliche Erinnerungsarbeit und Mitwirkung vieler Einzelner, eigentlich aller Angehöriger der Gemeinschaft der Banater Schwaben, sondern darüber hinaus auch ständiger kritischer intellektueller Reflexion und professionelle wissenschaftliche Unterstützung dieser Bemühungen und Aktivitäten. Ebenso ist eine institutionelle Verankerung und substanzielle Förderung, wie sie bundesweit durch die Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V. und zusätzlich durch das Kulturwerk Banater Schwaben e.V. in Bayern geleistet werden, zweckmäßig und hilfreich. Zu nutzen sind dabei zudem alle gegebenen Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit auf die Geschichte und Kultur der Deutschen im östlichen und südöstlichen Europa ausgerichteten Forschungseinrichtungen in Deutschland und in anderen Ländern, mit anderen Landsmannschaften, Organisationen und Institutionen im Rahmen des Bundes der Vertriebenen wie auch, insbesondere in Bayern, mit dem Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e.V. 

Der Tätigkeit der Landsmannschaft der Banater Schwaben und ihrer verschiedenen Gliederungen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland kommt in diesen gemeinsamen Bestrebungen der Sicherung und Vergewisserung der kulturellen kollektiven Identität gewiss eine Schlüsselbedeutung zu. 

Für eine Bestandsaufnahme der Förderungstätigkeit des Kulturwerks Banater Schwaben e.V. im Sinne der in diesem Beitrag angesprochenen Anliegen einer gemeinsamen Erinnerungsarbeit, Kulturpflege und Kulturbewahrung wie auch einer gelungenen gesellschaftlichen Integration ist es vielleicht noch zu früh. Auch ist eine solche kritische Bestandsaufnahme am besten durch andere, unvoreingenommene Sachkundige durchzuführen. Mein persönlicher Eindruck ist indes, mit aller Vorsicht ausgedrückt, es konnte durchaus schon einiges Vorzeigbare im Sinne unserer programmatischen Vorhaben geleistet werden, aber: es bleibt noch sehr viel in Zukunft von uns allen zu tun.  ,