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Stadtgeschichte griffbereit: Richard Webers „Temeswarer Chronik in Daten“ 

Die Temeswarer Theresienbastei (heute Banater Nationalmuseum) Quelle: Wikimedia Commons

Archivbetreuer, Bibliotheksleiterin und Nachlassverwalterinnen bei der Übergabe des Nachlasses an das Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen 2019: Dr. Karl-Peter Krauss, Dr. Isolde Weber, Susanne Munz, Hedwig Weber und Josef Wolf (von links) Foto: IdGL

Richard Weber: Temeswarer Chronik in Daten, Bildern, Analysen. Eine südosteuropäische Stadt im Wandel der Zeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Einwohner. Das Buch wird hier im Online-Shop angeboten.

Vor zwei Jahren erschien in der von der Landsmannschaft der Banater Schwaben herausgegebenen Schriftenreihe eine Publikation von Richard Weber: Temeswarer Chronik in Daten, Bildern und Analysen. Eine südosteuropäische Stadt im Wandel der Zeit. Unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Einwohner (Banater Bibliothek, Bd. 19). Trotz ansehnlicher Verkaufszahlen – eine zweite Auflage wird ins Auge gefasst – scheint das Interesse der medialen Öffentlichkeit an der Publikation gering zu sein. 

Der Band repräsentiert, was sich als Lebenssumme aus der Beschäftigung Webers mit der Geschichte seiner Heimatstadt ergeben hat. Neben Aufsätzen zu Einzelproblemen fasste er auch die Entwicklung der Stadt in einem chronologischen Überblick zusammen. Das Typoskript des Bandes befand sich im Nachlass des Autors, den ich Gelegenheit hatte zu sichten und für das Archiv des Tübinger Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde zu übernehmen. Obwohl ich das Typoskript nur flüchtig überflogen hatte, empfahl ich seiner Tochter Dr. Isolde Weber auf Anhieb und mit Blick auf die damals herannahende Kulturhauptstadt Temeswar, die Veröffentlichung, der sich dankenswerterweise die Landsmannschaft der Banater Schwaben angenommen hat.

In dem knappen Vorwort formuliert der Verfasser die Ziele des Buches: Die Temeswarer Chronik soll einen Überblick über die gesamte Stadtgeschichte „von der noch immer von einem schier undurchdringlichen Nebel verhüllten Frühgeschichte bis zur Gegenwart liefern“. Es schwebte ihm ein „Nachschlagewerk für all jene, die etwas über diese Stadt erfahren wollen“ vor. Wohl wissend, dass die Reduktion historischer Abläufe auf Fakten oft auf Vereinfachungen hinausläuft, weist Weber darauf hin, dass die chronologische Übersicht von „analytischen Erläuterungen“ gefolgt wird, die „zu einem kontinuierlichen Verständnis der Ereignisse“ beitragen sollen. Webers Nachlassverwalterin Isolde Weber geht kurz auf seine Tätigkeit als Vortragsredner und die Entstehungsgeschichte des Buches ein. Wer war der Verfasser dieses Buches?

Leben und Werk des Heimat- und Lokalforschers

Richard Weber wurde am 17. Juni 1930 in der Temeswarer Josefstadt als zweiter Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren. Seine Kindheit verbrachte er in der damaligen Adam-Müller-Guttenbrunn-Straße (heute Splaiul Nicolae Titulescu) auf der rechten Begazeile. Wie viele Temeswarer Kinder prägte ihn die kulturelle Vielfalt und die Mehrsprachigkeit der Stadt. Im Josefstädter deutschen Notre-Dame-Kindergarten und im dortigen rumänischen Kindergarten eignete er sich die rumänische und ungarische Sprache an. 

Webers Schulzeit war mit mehreren Bildungseinrichtungen verbunden, wobei die politischen Turbulenzen innerhalb der deutschen Minderheit und die Auswirkungen des Weltkriegs zum mehrmaligen Schulwechsel führten. Die Volksschule besuchte er in der Übungsschule, die an der Lehrerbildungsanstalt der Banatia bestand. Wechselvoll war seine weiterführende Schulbildung: Nach den ersten drei Klassen im deutschen römisch-katholischen Lyzeum und ab 1941 in der Prinz-Eugen-Oberschule für Knaben, folgten drei weitere im Piaristenlyzeum, bis zu dessen Auflösung 1948 infolge der Verstaatlichung der Konfessionsschulen. Um die Hochschulreife zu erreichen, besuchte er die letzten Gymnasialklassen im neugegründeten Temeswarer Deutschen gemischten Lyzeum, das er 1950 mit Abitur abschloss, um anschließend als Hilfslehrer an der Großjetschaer Grundschule tätig zu sein. Das seinen Neigungen nicht entsprechende Studium, das er an der Medizinischen Hochschule Temeswar begonnen hatte, brach er alsbald ab, um in den Verwaltungsdienst verschiedener städtischer und staatlicher Behörden zu treten. 1984 reiste er mit seiner Familie nach Deutschland aus. Bis 1990 war er beim Regierungspräsidium Karlsruhe tätig. Er hielt zahlreiche Lichtbildvorträge und war aktiv am Zustandekommen der Partnerschaft zwischen Karlsruhe und seiner ehemaligen Heimatstadt beteiligt. Richard Weber verstarb am 17. November 2016.

In Anton Peter Peters „Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums“ (1992) ist Richard Weber nicht aufgeführt. Die Erklärung liegt darin, dass er bis dahin in der Öffentlichkeit als Heimatforscher kaum sichtbar war. Er hatte zwar viel gesammelt und gelesen, war aber eher ein Genießer als ein Produzent von Geschichte. Wenn er in der Öffentlichkeit aufgetreten ist, dann waren es Vorträge über Temeswar und die Deutschen im Banat. In Petris Nachschlagewerk ist hingegen Richard Webers älterer Bruder, der Pädagoge, Lokal- und Heimatforscher Wilhelm Weber (1924-2016) aufgenommen worden. Dieser ist durch seine ortsgeschichtlichen Beiträge über Billed, Studien zu militärischen Verdienstorden und Medaillen und vor allem durch seine, die banatdeutsche Erinnerungsgeschichte prägende Monographie Und über uns der blaue endlose Himmel. Die Deportation in die Bărăgan-Steppe Rumäniens (München 1998) bekannt. Zwischen den Brüdern bestand zeitlebens ein reger Informations- und Gedankenaustausch. Wilhelm Webers Archivrecherchen und Sammeltätigkeit haben früher eingesetzt. Er hat seinem Bruder Fachliteratur und vor allem Zeitungsaufsätze zugänglich gemacht.

Der thematische Schwerpunkt von Richard Webers Vorträgen und Aufsätzen ist die Temeswarer Stadtgeschichte. Sein Forschungsinteresse galt der Stadtentwicklung, ihren Landmarken, der städtischen Topographie anhand der Gassen- und Straßennamen, der Hausgeschichte, den neuzeitlichen und zeitgeschichtlichen Eck- und Wendepunkten der regionalen und kommunalen Entwicklung. Mehrere Aufsätze sind der Flussgeschichte der Stadt gewidmet. Sein täglicher Weg zum Dienst führte entlang des Bega-Kanals, der topographischen, aber auch historischen Achse der Stadt. In mehreren Zeitungsaufsätzen werden der sich verändernde Verlauf des Flusses, seine Kanalisierung, die Mühlen, Brücken und Boote thematisiert. Auch der Entwicklung des Temeswarer Stadtwappens hat er sich zugewandt. Neuland betrat er in der Sportgeschichte der Zwischenkriegszeit. Dabei widmete er sich außer den Sportklubs, wie der Rapid-Verein, dem Rudern, den Wintersportarten und dem Segelflugsport. Damit seien nur die großen Themen genannt, denn letztendlich war er an vielen Aspekten der Stadtgeschichte interessiert. Seine Chronik sollte sämtliche Themen zusammenfassen und die Geschichte der Stadt chronologisch erschließen. 

Die Werkstatt des Historikers: der Nachlass

Einen Einblick in die Werkstatt des Heimat- und Stadthistorikers gewährt der Nachlass Webers. Es sind nicht nur Bücher und Zeitschriften, darunter viele Ablichtungen schwer zugänglicher Publikationen. Die Aktensammlung enthält mehrere Einzelstücke zur Sportgeschichte. Wertvoll ist das Manuskript von Anna Schuld Sitten und Gebräuche der Gemeinde Jahrmarkt (1936). Karten und Pläne bilden eine wichtige Quelle zur Rekonstruktion des städtischen Raumes. Webers Nachlass enthält eine wertvolle Sammlung (meist Kopien, aber auch Originale) von Banat-Karten und Temeswarer Stadtplänen aus dem 19. und 20 Jahrhundert, mit den Eckpunkten 1853 und 1998. Hervorheben möchte ich einen amtlichen Plan aus der Zwischenkriegszeit (Planul municipiului Timişoara conform planului oficial al serviciului tehnic municipal, erarbeitet von Dionisie Bălosu und Toma Dărăbaş, Timişoara 1931). Im Mittelpunkt der Fotosammlung stehen öffentliche Plätze, Gebäude und Denkmäler, Wappen, Jubiläumsmedaillen, Veranstaltungen wie der Schwäbische Trachtenball 1929 und 1932 und nicht zuletzt historische Persönlichkeiten, deren Wirken mit der Stadtentwicklung verbunden ist. 

Es ist kein Sammelsurium, sondern eine thematisch geordnete Sammlung von Ablichtungen, Zeitungsausschnitten, Exzerpten und Fotos – die eigentliche Werkstatt eines Historikers. Der wertvolle Nachlass wurde dem Archiv des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen übereignet. Damit ist er nicht nur gesichert, sondern steht auch der Forschung zur Verfügung.

Temeswarer Stadtgeschichte griffbereit

Webers Temeswarer Chronik ist eine Chronologie, die die historischen Ereignisse auf dem Gebiet der Stadt (im weitesten Sinne) zeitlich ordnet und räumlich lokalisiert. Chronologie ist das durchgehende Strukturprinzip des Buches. Sie zeigt all das Geschehene „schön der Reihe nach“, also vom Anfang bis zum Ende. Die Reihenfolge beim Erzählen ist so gestaltet worden, dass ein Geschehen in einem einfachen zeitlichen Nacheinander erzählt wird, so wie es grundsätzlich dem Zeitablauf entspricht. Dieses lineare oder chronologische Erzählen muss ohne Vorausdeutungen oder Rückwendungen auskommen. Autor und Leser bewegen sich gewissermaßen gemeinsam, von Datum zu Datum, von einem Ereignis zum anderen und der Text der Geschichte erhält so eine streng chronologische Ordnung, bei dem ein Ereignis auf das andere folgt. 

Um die Wahrnehmung seiner Leser zu steuern, verleiht Weber seiner konsequent chronologisch gehaltenen Chronik jedoch auch eine nach Epochen und Abschnitten gegliederte Zeitstruktur. Dabei klammert der Band die Vorgeschichte aus. Die Erkenntnisse darüber können ohnehin nur mit Vorbehalt genannt werden, da oft nicht präzisierbar oder in verschiedenen Werken unterschiedlich gedeutet. 

Der Autor hat auch überlegt, wie er die zeitliche Gliederung optimieren und die Inhalte des Buches besser vermitteln kann. Um die Wende- und Höhepunkte der historischen Entwicklung herauszuarbeiten und in der Wahrnehmung zu verstärken, werden in die Darstellung Exkurse eingeflochten, die die Reihenfolge brechen. Was so eine Vorgangsweise nicht kann, ist, Zeitsprünge zu unternehmen, mehr oder weniger dauerhafte Nachwirkungen herauszuarbeiten und wichtige Ereignisse aus unterschiedlichen zeitlichen und auktorialen Perspektiven darzustellen. Es ist immer die Perspektive des Verfassers, der die uneingeschränkte Deutungshoheit über die Fakten beansprucht. Chronologien bieten eine trockene Materie und können die Gedanken des Lesers kaum beeinflussen. Sie bilden aber das Rückgrat medial vermittelter historischer Erzählungen und sind damit eine Voraussetzung, um Geschichte in den Medien Text und Bild überraschend und spannend zu gestalten.

Die chronologische Dimension der Geschichte

In der Schule sind Geschichtsdaten heutzutage in Misskredit geraten. Trotzdem gehört solide, zu Daten verdichtete Kenntnis der wichtigsten Vorgänge der lokalen, regionalen, nationalstaatlichen und der Weltgeschichte zum Rüstzeug angehender Historiker, Geschichtslehrer und interessierter Laien. Als extremes Kürzel dienen sie der raschen Orientierung, zum Abrufen von Wissen. Daten wie 1914/18, 1939/45 oder 1989/90 gehören zum elementaren Grundwissen und werden zu bequemen Lernhilfen. Sie sind immer verbunden mit bestimmten Vorstellungen, Stichworten und Begriffen.

Der Band soll dieses Grundwissen zur Stadt und ihrem Umland überschaubar entfalten, chronologisch angeordnet, mit knapper Erklärung der jeweiligen Stichworte. Viele Daten gehören zum Minimalwissen für Geschichtsstudenten. Andere wiederum sollen die Geschichte dieser wichtigen Region wenigstens einführen. Es ist sicher unsinnig, diese auswendig zu lernen, sollten sie doch nur den Lernprozess unterstützen. Das Jahr 1212, um nur ein Beispiel zu nennen – es ist die erste urkundliche Erwähnung der Stadt Temeswar –, gehört schon zum Fachwissen. Es ist nicht unbedingt erforderlich für Nicht-Fachleute, wohl aber für stadt- und regionalgeschichtlich interessierte Leser.

Zeitstruktur und Inhalte des Bandes 

Das Buch beschränkt sich eigentlich auf die chronologische Dimension. Die chronologische Struktur wird lediglich von Exkursen unterbrochen. Je mehr sich der Autor der Gegenwart nähert, umso dichter werden seine Daten, bis zuletzt für das 20. Jahrhundert für jedes Jahr eine Fülle von wichtigen Ereignissen verzeichnet ist. Bei welterschütternden Großereignissen scheint die Zeit rascher abzulaufen oder sich sogar zu überstürzen. Der beschleunigte Pulsschlag der Geschichte schlägt sich in der Fülle von Daten nieder, die Bezug auf wichtige Vorgänge im städtischen oder regionalen Bereich nehmen und sich in wenigen Jahren unter Zuhilfenahme genauer Datierung nach Monat und Tag zusammenpressen. Dennoch bleibt das irdische Zeitmaß objektiv stets gleich – das Kalenderjahr. Dies hat auch seinen Nachteil: Die geringere zeitliche Distanz macht es schwieriger, wirklich wichtige, d.h. historisch relevante Daten, hervorzuheben. Daraus ergibt sich aber auch die Schlussfolgerung, dass Daten kein Selbstzweck sind und ihnen heute noch eine aktuelle Bedeutung zukommt. Je näher Ereignisse uns zeitlich liegen, umso leichter ist ihre Bedeutung für die Gegenwart zu erkennen, wie im Falle der Banater Deutschen 1944/45, 1951, 1977 oder 1989/90. Aber für die Erklärung noch heute wichtiger Fakten ist oft zeitlich weiter zurückzugreifen. Großen Wert legt der Autor auf die knappe Erklärung der Bedeutung von Namen, wenn diese zugleich mit einer inhaltlichen Aussage verbunden sind.

Weist der Zeitstrom ein gleichmäßiges Kontinuum auf, so greift der Historiker zwecks Systematisierung und Selbstvergewisserung auf historische Anhaltspunkte zurück, meist überragende Großereignisse, die eine neue Epoche oder Ära einleiten. Die Periodisierung nach Zeitwenden und Wendezeiten trägt dem elementaren Bedürfnis der individuellen und kollektiven Orientierung Rechnung. Oft sind diese Zäsuren epochemachende Symboldaten, denen eine identitätsstiftende Wirkung zukommt. Der Autor bereitet den zu vermittelnden Wissensstoff nach Epochen der Regionalgeschichte auf, deren Inhalt von der Machtgeschichte, in die die Region und ihr zentraler Ort eingebettet waren, bestimmt wurde. Dabei lehnt er sich an das überlieferte politikgeschichtlich bestimmte Geschichtsbild an. Nach der Ortsbestimmung (geographische Lage, hydrographische und klimatische Merkmale) geht er auf den Namen der Stadt ein und befasst sich mit dem Stadtwappen im Wandel der Zeiten. Es folgen die Entstehungsgeschichte der Stadt und ihre frühen urkundlichen Erwähnungen und die Entwicklung der königlichen ungarischen Burg vom 11. bis zum 16. Jahrhundert. Die weiteren Zäsuren sind ebenfalls machtpolitisch bestimmt: Temeswar unter der Herrschaft des Halbmonds (1552-1716) und unter der Herrschaft der Habsburger (1716-1778), die Stadtentwicklung nach der Eingliederung des Banats in das Königreich Ungarn (1778) und bis zur Revolution von 1848/49 und von der Niederwerfung der Revolution bis zum österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867. Detailliert werden die Ereignisse in der Zeit des österreichisch-ungarischen Dualismus, während der Turbulenzen in den Jahren 1918/19 und anschließend bis 1948 geschildert. Die Chronik schließt mit der kommunistischen Ära und der frühen Phase des nach 1989/90 vollzogenen politischen Wechsels ab.

Weber hat für die Erarbeitung seiner Chronik nur Sekundärliteratur herangezogen, lückenhaft bleibt die neuere rumänische und serbische Literatur, fallweise auch die ungarische. Die kapitelweisen Literaturangaben wiederholen sich, ein einheitliches Siglenverzeichnis wäre vielleicht die bessere Lösung gewesen. In seinem „Geleit“ verweist Peter-Dietmar Leber darauf, dass „Chroniken Ereignisse entlang einer Zeitachse festhalten. Der Kontext dieser Ereignisse ist nicht immer erkennbar, er muss rekonstruiert werden. Hierzu dienen andere Quellen“. Daraus ist folgender Umkehrschluss zu ziehen: Ein chronologisches Handbuch kann nur so gut sein wie die herangezogenen Quellen.

Der Herausgeber hat den Stoff behutsam erweitert, unsichtbar bleibende Korrekturen, Ergänzungen und Verbesserungen durchgeführt. Aktualisierungen der Literaturhinweise wurden keine vorgenommen. Was der Leser vermisst, ist ein Register, das aufgrund des Umfangs entfallen musste.

Fazit: Es gibt keine bessere Stadtchronik als diese  

Die Chronik befasst sich mit der Stadtgeschichte Temeswars von der Gründung bis zur Frühzeit der 1989/90 vollzogenen politischen und Systemwende in der Zusammenschau von Text und Abbildungen. Die zahlreichen Abbildungen dokumentieren unter Einbeziehung des Umlandes die historische Entwicklung des Stadtbildes. Vorteilhaft wäre eine Kombination von Daten und Bildern gewesen, die aber aus Kostengründen getrennt wiedergeben werden.

Im Blickfeld des Autors sind mehrere Fragen: Wie ist die Stadt entstanden? Welche Entwicklungen fördert sie? Welche Funktionen nimmt sie wahr? Welchen Zwecken dienen einzelne Gebäude, Gebäudekomplexe, Stadtteile? Wie gestaltet sich der städtische Alltag? Diese Fragen haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Das Leben der Menschen im städtischen Umland orientierte sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Kontext von Industrialisierung und Urbanisierung immer mehr auf das regionale städtische Zentrum hin. Sie wuchs infolge der urbanen Explosion unaufhaltsam und wurde in wachsendem Maß zentraler Ort der Region. Nach 1950 war die Entwicklung des ländlichen Umlands durch die wachsende Dominanz städtischer Sozialisation gekennzeichnet. Die deutsche Bevölkerung hat die Stadtgeschichte wesentlich mitgestaltet.

Was will die Chronologie? Wie eingangs erwähnt, erläutert der Autor kurz die persönlichen Beweggründe für das intellektuelle Abenteuer, in das er sich eingelassen hat. Diese erlauben auch ein Licht auf Struktur und Methode des Bandes. Er wollte gegen Nichtwissen und Ignoranz ankämpfen, die Flut neuer Erkenntnisse bannen und sah in einem Handbuch den rettenden Ausweg. Weber setzt nichts als bekannt voraus und versucht alles zu erklären. In einer Chronologie lässt sich jedoch nicht alles erklären. Vorgeschichte und Nachwirkungen von Ereignissen, historische Voraussetzungen und Folgen vor allem von Großereignissen, die der Stadtentwicklung ihren Stempel aufgedrückt haben, verlangen einen anderen erzählerischen Zugang. Dennoch ist so eine nützliche Chronologie als Nachhilfeunterricht für die Landsleute des Verfassers entstanden. Richard Weber hat einen verdienstvollen Kärrnerdienst an der Elementarisierung von Regional- und Stadtgeschichte nicht nur für interessierte Laien aller Berufe und Schüler, sondern auch für Studenten und Fachleute geleistet.

Für die Temeswarer gibt es häufig öffentliche und private Anlässe, sich der Vergangenheit ihres Wohnplatzes zu erinnern. Aber auch Nichttemeswarern bietet das Buch viele Informationen über die Stadt hinaus. Richard Weber folgt dem bescheidenen Credo des antiken Gelehrten Plinius der Jüngere: „Kein Buch ist so schlecht, dass es unbrauchbar wäre“. Diesem Bekenntnis kann man nur beipflichten. Es gibt keine bessere Chronologie der Stadt Temeswar als diese. Es wird sich schwer eine Einzelperson finden, die sich der Aufgabe stellt, diesen Ansatz zu optimieren und fortzuschreiben.

Richard Weber: Temeswarer Chronik in Daten, Bildern, Analysen. Eine südosteuropäische Stadt im Wandel der Zeit unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Einwohner. München: Landsmannschaft der Banater Schwaben, 2019. 604 Seiten. 244 Abbildungen (Banater Bibliothek; Bd. 19). Preis: 35 Euro, zuzüglich Versand. Bestellung bei: Landsmannschaft der Banater Schwaben, Tel. 089 / 2355730, E-Mail landsmannschaft@banater-schwaben.de oder über www.banater-schwaben.org (Banater Shop)