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Deportationen als Thema der Literatur

Impulse für Lesung und Diskussion: von links Traian Pop Traian, Werner Kremm, Horst Samson, Cornel Ungureanu, Annemarie Podlipny-Hehn und Henrike Brădiceanu-Persem. Foto: Zoltán Pázmány

Anton Sterbling bei der Präsentation des Bandes „Die Verschleppung der Deutschen aus dem Banat in die Sowjetunion aus der Sicht ihrer Kinder“. Foto: Zoltán Pázmány

Eine der ersten Präsenzveranstaltungen nach den Corona-Restriktionen fand im Temeswarer Adam Müller-Guttenbrunn-Haus statt. Sie wurde vollmundig als „Lesemarathon“ angekündigt, als wollte man alle versäumten Veranstaltungen der letzten Monate mit einem Schlag nachholen. Veranstalter war einerseits der neue Kulturverein der Banater Schwaben in Bayern mit seinem anwesenden stellvertretenden Vorsitzenden Anton Sterbling, andererseits als Temeswarer Gastgeber der Literaturkreis „Stafette“, dessen Vorsitzende Henrike Brădicea-nu-Persem die Runde eröffnete. Ein Gruß kam auch vom Vorsitzendem der Sektion Temeswar des rumänischen Schriftstellerverbandes Cornel Ungureanu, der mit am Podium saß.

Hauptsächlich über die sozialen Medien hatten die etwa 40 interessierten Zuschauer recht kurzfristig von der Veranstaltung erfahren. Angekündigt war vor allem die Vorstellung des im Traian Pop Verlag erschienenen Buches „Deportationen. Literarische Blickwinkel“. Die Herausgeber Alfred Bohn und Anton Sterbling, beide ehemals Mitglieder der „Aktionsgruppe Banat“, haben eigene literarische Zeugnisse und Texte von ihren Schriftstellerkollegen Rolf Bossert, Helmuth Frauendorfer, Ilse Hehn, Johann Lippet, Traian Pop Traian, Horst Samson, Hellmut Seiler, Richard Wagner und Balthasar Waitz zum Thema in dem Band versammelt.  Beim „Lesemarathon“ sollten einige der Akteure ihre Beiträge in der gebotenen Kürze präsentieren. 

Doch davor stellte Anton Sterbling noch einen weiteren Band zum Thema „Deportationen“ vor, bei dem er ebenfalls als Mitherausgeber fungiert und der anhand von Erzählberichten die Verschleppung der Deutschen aus dem Banat in die Sowjetunion aus der Sicht ihrer Kinder zum Thema hat. Katharina Kilzer stellte diesen von der Landmannschaft der Banater Schwaben herausgegebenen Band kurz vor, der außer den 110 Erzählberichten Analysen zur Deportation  und Statistiken enthält. Dabei zitierte sie die Schriftstellerin Ana Blandiana, die gemeinsam mit ihrem Mann Romulus Rusan Hauptinitiatorin des „Memorial Sighet“ ist, ein Mahnmal gegen die Verbrechen des Kommunismus in Rumänien: „Wer seine Vergangenheit nicht kennt, kann seine Zukunft nicht gestalten.“

Horst Samson und Werner Kremm sorgten als Moderatoren dafür, dass der „Lesemarathon“ nicht aus dem Ruder lief, und billigten jedem der Vortragenden nur eine kurze „Kostprobe“ zu. Da Ilse Hehn wegen einer Verletzung nicht anreisen konnte, las Werner Kremm aus ihrem Buch „Rom in flagranti“ vor, das er als „Gesamtkunstwerk“ würdigte. Gewürdigt wurde auch Rolf Bossert, der posthum in dem Deportationsband vertreten ist, und aus dessen Gedichten ebenfalls Werner Kremm vorlas. Horst Samson, Traian Pop Traian, Hellmut Seiler, Balthasar Weitz und Anton Sterbling lasen jeweils aus ihren im Band vertretenen Texten.

Damit war der „Lesemarathon“ aber noch nicht beendet, denn es folgte eine Vorstellungsrunde weiterer Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt, die die anwesenden Autoren betrafen. Horst Samson konnte gleich zwei neue Gedichtbände präsentieren, „Meer im Rausch“ und „In der Sprache brennt noch Licht“, die beide im Pop-Verlag erschienen sind. Katharina Kilzer stellte den zweisprachigen Gedichtband von Ana Blandiana vor: „Mein Heimatland A4 / Patria mea A4“, wo sie zusammen mit Horst Samson, ebenfalls für den Pop-Verlag, die Übersetzung der Texte ins Deutsche besorgte. Die gerade in Temeswar weilende Autorin Sigrid Katharina Eismann las anschließend einen Text über die Temeswarer Elektrische aus dem Band „Paprikaraumschiff“, der im danube books Verlag Ulm erschienen ist. Und schließlich kam noch das jüngste Mitglied des Literaturkreises „Stafette“ zu Wort, Arnold Schlachter, der Gedichte aus seinem Debutband „Ein Jahr“ vortrug. Auch die Kunsthistorikerin Annemarie Podlipny-Hehn, die ihre Schwester Ilse auf dem Podium vertrat, nutzte die Gelegenheit, auf ihre in der Pandemiezeit in Temeswar erschienenen drei Monografien Banater Künstler (Stefan Jäger, Emil Lenhardt, Adolf Humborg) hinzuweisen.

Fazit für den Lesemarathon: Ein gehaltvolles Programm mit dennoch verträglicher Dauer, viele informative Häppchen, die neugierig machen. Und nicht zuletzt eine Demonstration, dass Präsenzkultur (noch dazu in beispielhafter Zusammenarbeit zwischen Temeswar und den Banatern in Deutschland) wieder möglich ist. Was hoffentlich so bleibt. Die meisten der anwesenden Autoren reisten am folgenden Tag zu den Literaturtagen Reschitza weiter, der „Marathon“ war sozusagen nur die Einwärmung.