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Mit dem Paprikaraumschiff auf Reisen

Sigrid Katharina Eismann und Verleger Thomas Zehender bei der Lesung in der Ulmer Stadtbibliothek © danube books Verlag

Endlich mal wieder eine Dichterlesung vor echten Menschen! Die Temeswarerin Sigrid Katharina Eismann, deren Prosaband „Paprikaraumschiff“ (siehe die Rezension dazu in der „Banater Post“, Nr. 1/2021) in der Pandemiezeit erschienen ist, hatte nun Gelegenheit, das Buch in der Glaspyramide der Ulmer Stadt-bibliothek (leider reichte das Wetter für die geplante Freiluftlesung nicht) selbst zu präsentieren, indem sie Passagen daraus vortrug. Dazwischen plauderte Verleger Thomas Zehender mit ihr über Temeswar, über die Hintergründe der Texte und über Gott und die Welt. Ein „Roman“, wie auf dem Cover zu lesen ist, sei ihr Buch nicht. Sie habe einen eher sinnlichen Zugang zu ihren Texten, das „Gedicht in mir“ führe sie zum Schreiben. 

Die Textminiaturen und biographischen Szenen sind ohne zwingenden epischen Faden aneinandergereiht, sie wecken auch bei den Zuhörern (und Lesern) Assoziationen – je nachdem, wie bekannt ihnen das Sujet ist. Wer Temeswar und das Banat kennt, fühlt sich sofort angesprochen, wenn es um die „Violeta“ geht – die „Kondi“ oder „Cofe“ – oder um das „Lloyd“, die „Parteikantin“, die „Tschanga“ oder die Fratschlerinnen am Josefstädtler Markt. Auch die aufgeweichten Straßen, die Metzgereien als „leere OPs“, das „Dispensar“ oder die Tanzfeste im „Blank“ wecken Erinnerungen. Einen „facettenreichen Film mit Nuancen“ sah die Autorin vor ihrem inneren Auge ablaufen und setzte ihn sprachlich um. Die bildhafte Sinnlichkeit greift auch auf das trotz aller Einschränkungen doch recht zahlreich erschienene Publikum in der Ulmer Stadtbücherei über. 

Die Texte entstanden als „literarische Familienzusammenführung“ nicht zuletzt unter dem Eindruck einer Reise, der Rückkehr an die Kindheitsorte mit großer zeitlicher Distanz. „Mit Fröhlichkeit und Melancholie, als weltoffene Pendlerin“ sei sie gereist, betont die Autorin. Im Autorengespräch entwirft sie Bilder, wie: „Die Belastung der Diktatur ist im Emigrantenkoffer eingebrannt.“ Wie die meisten ihrer Generation sei sie „mit dem Ausreisevirus gezeugt“ und „in einen Koffer geboren“ worden. Mit 16 Jahren ist sie ausgereist – alt genug, um viele Eindrücke und Bilder noch im Speicher zu haben. Und jung genug, um sich da zugehörig zu fühlen, wo sie heute lebt, in Offenbach am Main. „Zugehörig, aber zwischen den Stühlen“, bekennt sie.

Thomas Zehender vom Ulmer danube books-Verlag hat mit dem Namen des Verlags in der Donaustadt Ulm ein Programm verbunden: Seine Autoren sind mehr oder weniger mit der Donau und ihrem Lauf verwoben, „die Biographien im Donauwasser verschachtelt“, wie Sigrid Katharina Eismann das ausdrückt.  Und dieser Lauf führt, wie wir wissen, weit nach Osten. Doch auch Wien liegt an der Donau und es ist kein Zufall, dass die Resonanz der Autoren von danube books in Wien, etwa bei der Buchmesse BuchWien, besonders intensiv ist. Die aktuelle Lesung in Ulm folgt auch dem Donauwasser, sie erfolgte in Kooperation mit dem örtlichen Donaubüro und dem Donauschwäbischen Zentralmuseum – „Donaukilometer im Wortwechsel.“