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Ein Projekt über jüdisches Leben in Temeswar: Virtuelles „Museum Rabbiner Dr. Ernest Neumann“

Das Internet-Logo des virtuellen Temeswarer jüdischen Museums

Bildschirm-Foto mit Blick auf die acht Hauptfelder der Präsentationen

Titelblatt der deutschen Ausgabe des im Juni erschienenen Buches von Getta Neumann

Seit 1. Juni ist offiziell das „Museum Rabbiner Dr. Ernest Neumann“ im Internet eröffnet. Damit wurde ein von der Stadt Temeswar mitgetragenes Vorhaben innerhalb eines grenzüberschreitenden Donauraum-Projekts abgeschlossen.

Das virtuelle Konzept wurde im Februar 2021 als wichtigster Teil des touristischen Pilotprojekts des Munizipiums Temeswar zur Wiederentdeckung und Darstellung des jüdischen Erbes offiziell gestartet. Es geht zurück auf das erwähnte EU-Projekt, welches für den Donauraum (acht Donau-Anrainerländer, neun mittelgroße Städte, von Regensburg über Szeged und Temeswar bis Galatz) gedacht und mitfinanziert worden war über einen Zeitraum von drei Jahren (1. Juni 2018 bis 31. Mai 2021).

Das virtuelle Temeswarer Museum (https://museum.jewishtimisoara.ro) gründet vom Bild- und Textmaterial her auf den Vorarbeiten von Getta Neumann (Schweiz) und Irina Stern (USA), die seit über einem Jahrzehnt eine regelmäßig gebotene vielseitige und mehrsprachige Internet-Ausgabe von und über Temeswarer Juden und Freunde unter www.bjt2006.org erstellen, sowie dem touristisch-historischen Reiseführer auf jüdischen Spuren in Temeswar von Getta Neumann, der am 17. Juni dieses Jahres im Temeswarer Adam Müller-Guttenbrunn-Haus in deutscher Übersetzung von Werner Kremm (Reschitz) im Beisein der Autorin präsentiert wurde.

Ein Entdeckungsgang durch die acht „Abteilungen“ des virtuellen Museums erschließt eine lange und reiche jüdische Geschichte der Stadt und zeigt den wichtigen Anteil dieser Gemeinschaft an der besonderen Entwicklung der Banater Metropole bis in die Gegenwart, obschon der zahlenmäßige Bevölkerungsanteil zu keiner Zeit über 15 Prozent lag. Das Museum ist zugleich eine Stätte zur Wiederentdeckung von Teilen der älteren Stadtgeschichte wie auch der jüdischen Gemeinschaften – meist mehrsprachig – über die Jahrhunderte, die verschollen und/oder politisch nicht gewollt waren. „Alt-Temeswarer“ von heute werden auch an viele Querverbindungen erinnert zur deutschen Gemeinschaft der Stadt und zu Institutionen, wie beispielsweise die Lenau-Schule der Nachkriegszeit.

Der „Eintritt“ erfolgt einführend mit dem heutzutage unbedingt nötigen Kapitel zur Geschichte der Temeswarer Juden: Von den belegten Anfängen im 16. Jahrhundert in mehreren Schritten (mit jeweils gerafften Texten, vorerst nur rumänisch) bis in die jüngste Zeit. Dazu sind einzelne Themen und historische Abschnitte bildlich ausgestaltet und mit längeren Begleittexten versehen. So wurden beispielsweise für die Untergliederung Temeswarer Juden im Ersten Weltkrieg sechs Personen ausgewählt und mit Bildern vorgestellt. Ähnlich wurde zum Thema Zwangsarbeit anhand von Beispielen verfahren, dazu ausgewählte Berichte sowie Dokumente für die Jahre der Diktatur 1940-1944. 

Ein separater „Raum“ stellt „Die Gemeinde. Heute“ vor mit vier größeren Schwerpunktbereichen. Unter anderem wird die Struktur des Vereins aufgezeigt, der seit den Wahlen des Jahres 2018 von Dr. Luciana Friedmann (geboren 1977) erfolgreich betreut wird. Die Mitgliederzahl wird für 2020 mit 641 angegeben. Dieser Teil des Museums wurde von der heutigen Gemeinde als Projektpartner gestaltet. Zur Präsentation der Aktualität gehören die Informationen über Feste und Pflege der Traditionen. 

Anschließend geht es in der Expo zum Block „Jüdisches Temeswar“, der dem Besucher die Synagogen der Stadt vorführt und den großen historischen jüdischen Friedhof an der Lippaer Straße mit dem ältesten Grabstein.

Das Kapitel „Religiöses Leben“ geht über Temeswar hinaus, es werden Banater „Judaika“ allgemein gezeigt, traditionelle Feiern, verdienstvolle Rabbiner der Stadt und herausragende Persönlichkeiten präsentiert. Hier wird der bedeutende und geschätzte Rabbiner ausführlicher vorgestellt, dessen Namen das Museum trägt: Dr. Ernest Neumann (1917-2004), der verdienstvolle und langjährige Vorsitzende der Temeswarer jüdischen Gemeinde.

Dem gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und Sportleben ist ein umfangreicher Bereich gewidmet, denn hier geht es um das Schulwesen, die wirtschaftlichen Leistungen (besonders Industrie und Handel), Kultur im weiten Sinne des Wortes, soziale Aspekte und Interessantes aus dem Sport-Vereinsleben (nicht abgeschlossen). 

Die Suche nach jüdischen Persönlichkeiten der Stadt wird den Besuchern leicht gemacht durch eine alphabetische Leiste. Es sind etwa 100 bekannte, aber auch teils vergessene Temeswarer, die hier „aufgerufen“ werden können. Das Verzeichnis wird weiter ausgebaut.

Oral history, Memoiren und eine kleine „Bibliothek“ gehören zur Gestaltung eines modernen Museums. So wird hier beispielsweise die derzeitige Vorsitzende Friedmann näher vorgestellt und ein Gespräch mit ihr ist eingebaut. Im Menü-Feld „Über uns“ wird das Projekt vorgestellt (auch in Englisch) und ist einiges nachzulesen über die Hauptinitiatorinnen und das breite Helfer- und Beraterteam. Ein sehr kurzes Video (3:35 Minuten), das auch auf YouTube steht, zeigt einige jüdische Spuren in Temeswar heute. Für eine touristische Führung wird auf das erwähnte Buch von Getta Neumann verwiesen, das ins Deutsche übersetzt und kürzlich im Schiller Verlag (Hermannstadt) herausgebracht wurde dank einer Förderung aus Deutschland über den Konsul der Bundesrepublik in Temeswar Ralf Krautkrämer. Eine englische Übersetzung ist druckbereit.