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Erinnerungen an die Kindheit

Walter Wilhelm hat die Pandemie genutzt und gehörig in die Tasten gehauen. Das Ergebnis: drei Neuerscheinungen in einem Jahr, die es in sich haben. Seine „Erinnerungen aus der Kindheit“ hat er mit 24 neuen Geschichten vervollständigt und die allgegenwärtige Corona-Krise in zwei Bänden – die in der nächsten Ausgabe vorgestellt werden – vielschichtig und humorvoll aufgearbeitet – ein wahres Lesevergnügen! 

Der aus Sackelhausen stammende pensionierte Lehrer und Autor ist den Lesern der „Banater Post“ kein Unbekannter. Mehrere Geschichten aus dem ersten Band seiner „Erinnerungen aus der Kindheit“ sind in banatschwäbischem Dialekt auf der Mundartseite der „Banater Post“ abgedruckt worden. 

Nachdem Walter Wilhelm seine Erinnerungen bei einer Lesung im Banat vorgestellt hatte, empfahl der Schriftsteller und Journalist Balthasar Waitz „das unscheinbar anmutende und doch interessante Büchlein“ als äußerst authentisch und mitreißend. Darin beschreibe der Autor in einer „schlichten Sprache, aus der Perspektive des Kindes, die wunderbare Welt der Kindheit. Und damit hat der Leser auch das Ansprechende in diesem Buch entdeckt: die subjektive Sageweise und den Humor“. Das „unscheinbare Büchlein“ hat mittlerweile eine erstaunliche Karriere gemacht. Es ist nicht nur auf Hochdeutsch und in banatschwäbischer Version erschienen, sondern auch in mehrere Sprachen übersetzt worden und liegt nun auf Rumänisch, Englisch und Italienisch vor. 

Im Corona-Jahr 2020 brachte Walter Wilhelm nun die Fortsetzung seiner Erinnerungen heraus. Der zweite Band enthält ebenfalls 24 Einzelgeschichten, in denen der Autor seinem Motto „Ich stamme aus meiner Kindheit, wie aus einem Land…“, einem Zitat von Antoine de Saint-Exupéry, treu geblieben ist. 

Im Vorwort des ersten Bandes attestiert der Temeswarer Hochschullehrer Marcel Tolcea dem in den Geschichten beschriebenen Erlebten eine übergeordnete und allgemeingültige Relevanz. Die subjektiven Erzählungen münden „in eine kollektive Erinnerung der banatschwäbischen Gemeinschaft der 60er und 70er Jahre, die so zu einem wichtigen Zeitzeugnis in der schwierigen Zeit des Kommunismus wird“. Auch wenn es im ersten wie auch im zweiten Band vornehmlich um die Kindheit des Autors in Sackelhausen geht, wird dem Leser schnell klar, dass die verwirrenden Verhältnisse in dem nahe Temeswar gelegenen Dorf ein Abbild der Strukturen im gesamten rumänischen Banat sind.

Fast alle Einwohner von Sackelhausen waren damals Deutsche. Ein Ort, der heute so nicht mehr existiert. Ein Ort, wie aus der Zeit gefallen. In seinen Kindheitserinnerungen geht der Autor diesen verwirrenden Verhältnissen auf den Grund. In 24 virtuos erzählten Episoden zeichnet er ein lebendiges Bild des Dorflebens aus seiner subjektiven Kindersicht. 
Undurchschaubar die Namensgebung, die Verwandtschaftsverhältnisse und die Welt der Erwachsenen. Widersprüchlich die vielen Regeln, die Erziehungsmethoden, der Ordnungssinn und die Moral – im Gegensatz zur Freiheit, Leichtlebigkeit und Abenteuerlust seiner Kindheit. Trotz der naiven Perspektive gelingt es Wilhelm, die restriktiven Traditionen und die rückständigen Wirtschaftsverhältnisse plakativ darzustellen. Die moralische Enge erlaubt aber genügend Schlupflöcher für eigenständige Improvisationen, so dass die Unbekümmertheit seiner Kindheitstage paradiesisch anmutet.

Selbst historische Zusammenhänge und familiäre Wurzeln werden anhand wichtiger Bezugspersonen eindrücklich erklärt. So entsteht ein Zusammenspiel von kindlichen und gesellschaftlichen Aspekten, das die Verwirrungen Stück für Stück aufzulösen vermag.

Als Sinnbild seiner Kindheit stilisiert Wilhelm ein sommerliches Idyll mit saftig-roten Melonen, die nachts auf dem Feld bewacht werden müssen, um vor Dieben geschützt zu sein. Heile Welt mit dunklen Stellen, die man als Kind locker umgehen konnte und die deshalb nicht weiter in die Waagschale fielen.

Walter Wilhelms Erinnerungen sind ein Geschichtsbuch mit kindlicher Entdeckermentalität, sorgloser Leichtigkeit und tief verwurzelten Heimatgefühlen.     

Walter Wilhelm: Erinnerungen aus der Kindheit. 177, Sackelhausen, Banat, Rumänien. 24 Einzelgeschichten. Band 2. Metzingen 2020. 161 Seiten. Preis: 10 Euro. Bestellungen beim Autor unter info@wilhelmwalter.de