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Verdienstvoller Beitrag zum banatdeutschen Literaturbetrieb

Wilma Michels (1942-2021). Foto: privat

Als Lektorin für deutschsprachige Buchausgaben beim 1972 gegründeten Temeswarer Facla-Verlag wurde Wilma Michels einer größeren Öffentlichkeit im Banat bekannt. Sie hat sich um die Förderung des Banater deutschen literarischen und kulturellen Lebens in den 1970er Jahren verdient gemacht.

Kurz  nach Vollendung ihres 79. Lebensjahres ist Wilma Michels am 3. April 2021 in Freiburg verstorben. Sie wurde als Wilhelmine Hoffmann am 23. März 1942 in Temeswar geboren und ist in der Fabrikstadt aufgewachsen. Ihre Freunde und Kollegen nannten sie Wilma. Ihre schulische Ausbildung in der Heimatstadt schloss sie 1960 mit dem Abitur am Lenau-Lyzeum ab und studierte anschließend  Germanistik und Rumänistik an der Philologischen Fakultät der dortigen Universität, heute West-Universität Temeswar. Nach erfolgreichem Staatsexamen 1965 begann sie als Übersetzerin und Redakteurin bei der damals zweimal wöchentlich erscheinenden  Temeswarer Zeitung „Die Wahrheit“ zu arbeiten. Sie blieb dabei, als die Zeitung ab 1968 in veränderter Form und als  Tageblatt unter dem Titel „Neue Banater Zeitung“ herauskam.

1972 wechselte sie, inzwischen verheiratete Wilma Michels, als Verlagslektorin und Übersetzerin zum neu gegründeten Facla-Verlag. Aufgrund ihrer redaktionellen Erfahrung bei einer Zeitung, die sich für das kulturelle und literariche Leben der banatdeutschen Bevölkerung einsetzte, identifizierte sich die Lektorin mit den Zielsetzungen ihres neuen Arbeitsbereichs. Zusammenfassend berichtete sie späterhin selbst über diese Zeit in ihrem Aufsatz „Deutsche Bücher im Temeswarer Facla-Verlag“ (2012): „Ich habe bei ‚Facla‘ von der Verlagsgründung an bis zu meiner Ausreise in die Bundesrepublik 1984 als Lektorin gearbeitet. Als Verantwortliche vor allem für deutschsprachige Bücher hatte ich die Unterstützung des Kreisrates der Werktätigen deutscher Nationalität. Dadurch konnte ich einheimische Autoren fördern und vor allem der ländlichen deutschen Bevölkerung Veröffentlichungen in banatschwäbischer Mundart vorlegen, die sich besonderer Beliebtheit erfreuten. Im Laufe von dreizehn Jahren redigierte ich 53 
Titel in deutscher Sprache und ungefähr doppelt so viele in rumänischer Sprache.“

Wilma Michels gruppierte die deutschen, im Verlag von ihr betreuten Bücher rückblickend in folgende Bereiche: Volkskunde, Mundartliteratur, aktuelle Lyrik, Reportagenbände, Banater Literaturerbe, zeitgenössische Prosa, Kinderbücher, mehrsprachige Bände und Übersetzungen. An einigen ausgewählten Büchern ist die Bedeutung dieser Verlagsarbeit für das literarische Leben und die banatdeutsche  Kultur der Zeit zu erkennen. Dazu zählen die Lyrik-Anthologie „Wortmeldungen“ (Herausgeber Eduard Schneider) mit Texten von rund zwanzig jungen Autoren, darunter Mitglieder der „Aktionsgruppe Banat“, der dreibändige Mundartroman „De Kaule-Baschtl“ von Ludwig Schwarz, Franz Liebhards kulturhistorischer Essay-Band „Temeswarer Abendgespräch“, Gedichtbände von Peter Jung und Peter Barth, Adam Müller-Guttenbrunns Romantrilogie „Lenau – das Dichterherz der Zeit“ (Herausgeber Karl Streit und Herbert Bockel). Von besonderem kulturhistorischem Wert erweisen sich gerade nach dem Exodus der Banater Deutschen die in fünf Bänden im Facla-Verlag publizierten Studien zur banatschwäbischen Volkskunde (Herausgeber Hans Gehl). Für all diese Publikationen hat sich Wilma Michels nicht nur von Amts wegen eingesetzt, sondern aus Überzeugung und aus ihrem Kulturverständnis. Dafür verdient sie unsere Anerkennung.

In Deutschland fand sie nach einer zweijährigen Umschulung zur Europa-Sekretärin mit drei Fremdsprachen eine dauerhafte Anstellung im Herder Verlag Freiburg. Dort arbeitete  sie von 1988 bis 2002 als Fremdsprachensekretärin, Chefsekretärin und Redaktionsassistentin.

Bei einer Begegnung der früheren Studienkolleginnen und -kollegen der Temeswarer Germanistik-Seminargruppe 328 vor einigen Jahren hier in Deutschland erlebten wir Wilma in ihrer kommunikativen, lebhaften und freundlichen Art, so wie wir sie früher kannten. Umsomehr hat uns die Nachricht von ihrem Tod getroffen. Ihrer Familie übermitteln wir unsere aufrichtige Anteilnahme.