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Von der Lenau-Gemeinschaft langfristig geprägt

Prof. Dr. Adrian Constantin © FWF/Daniel Nowotny

Prof. Dr. Adrian Constantin wurde 1970 in Temeswar geboren und hat 1988 das Lenau-Lyzeum absolviert. Nach Studien in Frankreich und den USA (Promotion 1996 an der New York University) und Forschungstätigkeiten in der Schweiz, England, Schweden und Irland übernahm er 2008 den Lehrstuhl für Partielle Differentialgleichungen an der Universität Wien. Für seine bahnbrechenden mathematischen Forschungen zu Ursachen und Auswirkungen von Naturphänomenen (wie etwa Wellen und Strömungen im Ozean und in der Atmosphäre) wurde ihm 2020 mit dem Ludwig-Wittgenstein-Preis der renommierteste österreichische Wissenschaftspreis verliehen (siehe „Banater Post“ vom 5. Juli 2020). Der Verein der Freunde der Lenauschule befragte ihn zu seinen Erinnerungen an die Schulzeit in Temeswar. Das Gespräch führte Halrun Reinholz.

Haben Sie im Rückblick den Eindruck, in der Lenauschule eine gute Ausbildung bekommen zu haben?
Ja, ich bin insgesamt sehr zufrieden.

Haben Sie davon profitiert, eine deutsche Schule in Temeswar besucht zu haben?
Ja, sehr. Der Zugang zur deutschen Kultur seit meiner Kindheit hatte langfristige Wirkung. Unter anderem hat das wesentlich zu meiner Entscheidung geführt, an einer Uni im deutschsprachigen Raum zu arbeiten.

Ist es Ihnen leicht oder schwer gefallen, als Rumäne eine deutsche Schule zu besuchen? Haben Sie das zwischendurch bedauert?
Es war nicht immer einfach, da besonders in der Zeit des Kommunismus diese Entscheidung vielen irgendwie fragwürdig schien. Ich war schon seit dem Kindergartenalter dabei und habe nie ernsthaft daran gedacht, das aufzugeben. Ich muss auch erwähnen, dass die Lenau-Gemeinschaft der Schüler sehr freundlich und hilfreich war. 

Sie leben schon seit vielen Jahren in Wien. Erkennen Sie eine Verbindung zwischen der deutschen Kultur in Temeswar und Wien? Hat Ihnen das einen praktischen Nutzen gebracht?
Ich lebe in Wien seit 2008. Die Kultur meiner Geburtsgegend ist seit Jahrhunderten mit der österreichischen Kultur eng verbunden. Die Garnisonstadt Temeswar hat sich in der Zeit der Besiedlung des Banats mit Deutschen urban entwickelt und die Stadt erhielt den Beinamen „Klein-Wien“. Temeswar hatte im 19. Jahrhundert die erste elektrische Straßenbeleuchtung in Europa. Der katholische Dom wurde von Joseph Emanuel Fischer von Erlach, dem Sohn des berühmten österreichischen Barockarchitekten, geplant. Eine Pestsäule, die der Wiener Pestsäule am Graben ähnelt, wurde von dem Bildhauer Georg Raphael Donner in Wien geschaffen und auf dem Wasserweg nach Temeswar transportiert. Anlässlich einer der Inspektionsreisen von Kaiser Joseph II. erhielt in Temeswar ein Stadtviertel 1773 den Namen Josefstadt. Viele Verbindungslinien also.

Pflegen Sie Kontakte zu ehemaligen Mitschülern, nehmen Sie an den Treffen Ihres Absolventenjahrgangs teil?
Zu einigen schon, ich habe noch enge Freunde aus dem Kreis meiner Schulkameraden. Bei unserem 30-jährigen Treffen im Jahr 2018 war ich gerne dabei.

Haben Sie eine emotionale Bindung an die Lenauschule? Denken Sie gern an Ihre Schulzeit zurück?
Aus der jetzigen Perspektive betrachte ich meine Schulzeit in der Lenauschule als privilegiert. Die hohe Wertschätzung von Pünktlichkeit, Anstrengung und Ordnung, die man der deutschen Kultur zuschreibt, hatte einen positiven Einfluss auf mich. Ich hatte einige sehr gute Lehrer, aber das Wichtigste war, die deutsche Kultur mitzuerleben. 

Wie haben Sie Ihre deutschen Klassenkameraden an der Schule erlebt?
Im Vergleich zu den anderen Schulen (durch die Teilnahme an Mathematikwettbewerben war ich in den letzten fünf Schuljahren mehr als acht Wochen jährlich in engem Kontakt mit Jugendlichen aus allen Ecken Rumäniens) waren die Rumäniendeutschen allgemein reservierter, aber ziemlich direkt, was manchmal unangenehm sein konnte. Doch auf Dauer stand man auf festem Grund in den persönlichen Beziehungen. Die Gemeinschaft neigte zur Geschlossenheit, andererseits hatte persönliche Freiheit einen hohen Stellenwert. Es gab wenig Akzeptanz für Selbstlob und man neigte auch nicht dazu, andere kleinzureden. Dementsprechend war es nicht verpönt, Fehler zuzugeben. Ich habe gelernt, zielstrebig zu sein und nicht aufzugeben.
Dass die meisten Familien, die seit Generationen im Banat lebten, Rumänien verlassen haben, ist meiner Meinung nach ein großer Verlust für die rumänische Gesellschaft. 

Ich danke Ihnen für das Gespräch und hoffe, dass wir uns bald auf einem Lenautreffen begegnen können!