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Die Anfänge des Buchdrucks und Pressewesens im Banat (Teil 1)

Die erste Nummmer der „Temeswarer Nachrichten“ ist am 18. April 1771 erschienen.

Die Temeswarer Stadtchronik verzeichnet unter dem 18. April 1771 ein Ereignis von besonderer kulturgeschichtlicher Tragweite – nicht nur für die Stadtgesellschaft und die damals habsburgische Provinz Banat, sondern auch weit darüber hinaus: Fast auf den Tag genau vor 250 Jahren verließ die erste Nummer der „Temeswarer Nachrichten“ die Druckpresse und suchte den Weg zu den interessierten Lesern. Gedruckt wurde das Wochenblatt, das jeden Donnerstag erschien, in der kurz davor in Betrieb genommenen Druckerei von Matthäus Joseph Heimerl. Die „Temeswarer Nachrichten“ waren die erste Zeitung des Banats und zugleich ganz Südosteuropas. In Rumänien weist man darauf hin, dass es sich um die älteste auf dem heutigen Gebiet des Landes gedruckte Zeitung handle. „Durch sie wurde die Tradition des deutschen Pressewesens im Banat eingeleitet, das sich im 19. und dann im bewegten 20. Jahrhundert, Höhen und Tiefen miteingeschlossen, breitgefächert weiterentfaltete und auch heute noch nicht erloschen ist“, schrieb Eduard Schneider zum 225-jährigen Wiegenfest der „Temeswarer Nachrichten“. Eigentlich gilt es heute nicht nur an dieses besondere Zeitungsjubiläum zu erinnern, sondern auch daran, dass vor 250 Jahren in Temeswar die erste Druckerei eröffnet wurde und fast zeitgleich mit der ersten Nummer der „Temeswarer Nachrichten“ auch das erste im Banat gedruckte Buch erschienen ist. 

Die Anfänge der Temeswarer deutschen Presse lagen lange im Dunkeln, zumal es zunächst schien, dass sich kein einziges Exemplar des von Heimerl herausgegebenen Wochenblattes erhalten hat. Lange Zeit nahmen Presseforscher an, dass es den Titel „Intelligenzblatt“ führte. Dass diese Annahme in den Bereich der Legende gehörte, stellte sich erst in den 1950er Jahren heraus, als ein Doktorand im Wiener Hofkammerarchiv die ersten dreizehn Nummern der „Temeswarer Nachrichten“ aufstöberte. Irrtümer wie jener rund um das „Intelligenzblatt“ haben ihre eigene Geschichte, und es ist eine lohnende Aufgabe, dieser auf die Spur zu gehen.

Einem historischen Irrtum auf der Spur

„Da es in Temeswar bereits 1771 eine Druckerei gab, verpflichtete sich deren Eigentümer, ein ‚Intelligenzblatt‘ herauszugeben, das wöchentlich erschien und dem geneigten Leser für einen halben Groschen, aber nicht mehr als zwei Kreuzer angeboten wurde. Der Inhalt umfasste neben Anzeigen etliche aus Wiener Blättern übernommene Nachrichten und wirtschaftliche Mitteilungen.“ Das Zitat bezieht sich auf die erste in Temeswar erschienene Zeitung und stammt aus einer Studie über die kulturellen Zustände im Temeswar des 18. Jahrhunderts, die der in Temeswar geborene und damals in Budapest lebende Historiker Friedrich (Frigyes) Pesty im Jahrgang 1877 des Mitteilungsblattes „Századok“ der Ungarischen Historischen Gesellschaft veröffentlicht hat. Es erweckt den Anschein, dass der Autor das Wochenblatt mit eigenen Augen gesehen habe, zumal er Angaben zum Verkaufspreis und zu den inhaltlichen Schwerpunkten macht. Pestys Annahme, wonach die 1771 in Temeswar erschienene Wochenschrift „Intelligenzblatt“ hieß, entbehrt jedoch jeder Grundlage, zumal sie nicht belegbar ist. Ein solches Blatt konnte nirgends nachgewiesen werden. Pesty, der übrigens im selben Jahr 1877 zum ordentlichen Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gewählt wurde, war einem Irrtum erlegen.

Manche geschichtlichen Irrtümer halten sich sehr hartnäckig, so auch der von Pesty in die Welt gesetzte. Alle, die nach ihm über den Buchdruck oder das Pressewesen im Banat geschrieben haben, übernahmen seine Behauptung kritiklos. Dies trifft auch auf die beiden Standardwerke von Stefan (István) Berkeszi – „A temesvári könyvnyomdászat és hirlapirodalom története“ (Geschichte des Temeswarer Buchdrucks und Pressewesens, Temeswar 1900; eine zweisprachige rumänisch-ungarische Ausgabe ist 2013 im Temeswarer Verlag David Press Print erschienen) – und Felix Milleker – „Geschichte des Buchdruckes und des Zeitungswesens im Banat 1769-1922“ (Werschetz 1926) – zu.

Es sollte fast acht Jahrzehnte dauern, bis das Geheimnis um die erste in Temeswar gedruckte Zeitung gelüftet wurde. Sie hieß nicht „Intelligenzblatt“, sondern „Temeswarer Nachrichten“. 

Zufallsentdeckung in einem Aktenkonvolut

Dem aus Georgshausen im serbischen Banat stammenden Josef Wüst war es bei Recherchen für seine Dissertation „Die Anfänge des Buchdruckes und des Pressewesens im Banat“ geglückt, im Wiener Hofkammerarchiv die ersten dreizehn Nummern des Wochenblattes aufzufinden. Die Entdeckung war eher einem Zufall zu verdanken, zumal die aufgefundenen Ausgaben nicht im Faszikel Buchdruck der Banater Akten abgelegt waren, sondern in einem anderen Konvolut schlummerten, was die Auffindung erschwerte. Es ist anzunehmen, dass die Banater Landesadministration die betreffenden Exemplare der „Temeswarer Nachrichten“ der Hofkammer zur Einsichtnahme beziehungsweise Beurteilung zugeschickt hatte. So konnte die Zeitung, in ein Aktenkonvolut eingebunden, der Nachwelt überliefert werden. 
Josef Wüst promovierte 1954 an der Wiener Universität. Da seine Promotionsschrift nicht als Druckwerk publiziert wurde und nur eine Zusammenfassung im Wiener Südost-Jahrbuch 1959 erschienen ist, dauerte es einige Zeit, bis Wüsts Erkenntnisse Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs fanden. 

Die beiden im Westen lebenden Banat-Forscher Dr. Anton Peter Petri und Dr. Alexander Krischan hatten schon früh Kenntnis von der Arbeit ihres etwa gleichaltrigen Zunftgenossen. Ersterer brachte 1963 in der Wochenzeitung „Der Donauschwabe“ eine Richtigstellung zu dem dort von Joseph Marx veröffentlichten Artikel „Deutsches Pressewesen im Banat“, in dem Sinne, dass das erste Temeswarer Periodikum nicht „Intelligenzblatt“, sondern – sich auf Wüst stützend – „Temeswarer Nachrichten“ hieß. Über den verdienstvollen Pressehistoriker und -bibliografen Alexander Krischan gelangte die Nachricht von der Existenz der Zeitung schließlich ins Banat. Darüber schrieb als erster der Kulturpublizist Franz Liebhard 1970 im „Neuen Weg“. Im Jahr darauf veröffentlichte Nikolaus Berwanger in der „Neuen Banater Zeitung“ einen fünfteiligen Beitrag mit dem Titel „Intelligenzblatt oder Temeswarer Nachrichten? Zu den Anfängen der deutschen Presse im Banat“. Dieses Thema war auch Gegenstand seiner 1972 an der Philologischen Fakultät der Temeswarer Universität vorgelegten Diplomarbeit. Die beiden umfangreichen und fundierten Arbeiten sind später auch in Buchform erschienen: jener von Liebhard in seiner Aufsatzsammlung „Banater Mosaik. Beiträge zur Kulturgeschichte“ (Kriterion Verlag Bukarest, 1976), jener von Berwanger in dem Sammelband „Die Zeit in der Zeitung. Beiträge zur rumäniendeutschen politischen Publizistik“ (Dacia Verlag Klausenburg, 1977).

In späteren Jahren haben sich weitere Geschichts- und Kulturforscher mit den „Temeswarer Nachrichten“ befasst. Anlässlich des 225. Jahrestags des Erscheinens des Blattes 1996 veröffentliche die „Banater Post“ eine wertvolle Analyse aus der Feder des Kulturjournalisten Eduard Schneider, deren Schwerpunkt auf den in der Zeitung vermittelten Inhalten liegt. Für den 2004 von Krista und Cornelius R. Zach im Verlag des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas München herausgegebenen Sammelband „Modernisierung auf Raten in Rumänien“ steuerte der Bukarester Historiker Costin Feneşan, ein gebürtiger Temeswarer, die Abhandlung „Die Temeswarer Nachrichten (1771). Die erste Zeitung Südosteuropas in deutscher Sprache“ bei. Schließlich sei noch die 2015 unter dem Titel „Presa de limbă germană din Banat 1771-1867“ (Die deutschsprachige Presse aus dem Banat 1771-1867, Verlag Argonaut Klausenburg) im Druck erschienene Doktorabeit von Ciprian Glăvan, Museologe am Banater Museum Temeswar, erwähnt, die sich auch den Anfängen der Banater deutschsprachigen Presse widmet.

Die „Temeswarer Nachrichten“ sind nur schwer zugänglich: Als Unikat liegen sie im Wiener Hofkammerarchiv auf, als Xerokopie sind sie in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien und in der Széchényi-Nationalbibliothek in Budapest einsehbar. Deshalb ist es für die Forschung von besonderem Nutzen, dass in der von der Adam-Müller-Guttenbrunn-Gesellschaft herausgegebenen Zeitschrift „Banatica“ der Originaltext der dreizehn erhaltenen Nummern des Wochenblattes in mehreren zwischen 1987 und 1990 unregelmäßig erschienenen Folgen nachgedruckt wurde.

Laut Eduard Schneider lässt sich der Erscheinungskontext der „Temeswarer Nachrichten“ einerseits „mit der Entwicklung der Stadt zum Verwaltungs-, Wirtschafts- und Handelszentrum des Banats“ erklären, das „der kaiserlichen Oberhoheit in Wien unterstellt war und vor Ort durch die Banater Landesadministration mit dem Sitz in Temeswar gelenkt wurde“. Andererseits sei es für die Einwohnerschaft, „die zahlenmäßig anwuchs und eine immer differenziertere Schichtung aufwies“, von Belang gewesen, „genauer und umfassender auch über lokale und regionale Gegebenheiten unterrichtet zu sein“. Voraussetzung für die Befriedigung dieses Informationsbedürfnisses war die Eröffnung einer Druckerei in Temeswar. 

Anweisung aus Wien an die Landesadministration

Dass auch höchste staatliche Stellen ein Interesse daran hatten, steht außer Zweifel. Als nämlich Kaiser Joseph II. das Banat zwecks Studiums seiner Verwaltungsverhältnisse bereiste, stellte er unter anderem missbilligend fest, dass die griechisch-orthodoxen Gläubigen mit Russland in Verbindung standen, woher sie ihre liturgischen Bücher bezogen. Die Lösung des Problems sah er in der Errichtung einer Druckerei in Temeswar, der zur Aufgabe gestellt werden sollte, den Bedarf an kirchlichen Büchern für Rumänen und Serben zu decken. Die aufgrund seines Berichts an die Kaiserin Maria Theresia verfertigte „Instruction für die Banater Landesadministration“ enthielt auch das Kapitel „Errichtung einer Buchdruckerei“. Im Jahr 1769 wies die Kaiserin die Landesadministration an, dass sie „einen anständigen Offerenten ausfindig zu machen trachten solle, der auf eigene Gefahr und Kosten, ohne eigenen Beitritt des Aerarii eine Druckerey in der teutschen sowohl als der wallachischen und raizischen Sprache in Temeswar ehebaldigst herzustellen imstand sein möge“.

Diese Anweisung wurde aber zum Teil hinfällig, nachdem die Kaiserin dem Beschluss des in Karlowitz abgehaltenen serbischen Kongresses stattgab und 1770 die Errichtung einer „Illyrischen Buchdruckerei“ genehmigte, wofür dem Wiener Buchdrucker und Buchhändler Joseph von Kurzböck ein kaiserliches Privilig erteilt wurde. Im selben Jahr wurde auch eine Lösung für die in Temeswar zu errichtende Druckerei gefunden. Am 11. August informierte der Präsident der Hofkammer Karl Friedrich Anton Graf von Hatzfeld die Kaiserin über die Verhandlungen für die Errichtung einer Druckerei in Temeswar. Dazu schreibt Josef Wüst in seiner Dissertation: „Aus dem Bericht geht hervor, dass ein gewisser Franz Patzko in Temeswar angelangt war, aber übertrieben hohe Forderungen stellte, die für die Landesadministration unannehmbar waren. Hatzfeld fügte seinem Bericht zwei weitere Ansuchen bei, die annehmbare Bedingungen stellten und vor allem weniger Vorschüsse verlangten. Die Gesuche waren von dem Großwardeiner Buchdrucker Johann Konrad Heinrich Heller und dem schon in Temeswar weilenden Matthäus Heimerl. Graf Hatzfeld gab in seinem Bericht Heimerl den Vorzug.“ Dieser soll sich auch des Beistands des einflussreichen und kapitalkräftigen Wiener Buchdruckers und Verlegers Johann Thomas von Trattner erfreut haben.

Matthäus Joseph Heimerl erhält Druckprivileg

Schon am 2. September 1770 meldete die Banater Landesadministration nach Wien, dass man Heimerl das in der „Fabrique-Vorstadt gelegene alte Seiden-Haus“ zur Errichtung der Druckerei zugewiesen habe. „Damit war also der erste offizielle Buchdrucker des Banats gekürt“, hält Nikolaus Berwanger fest. Heimerl habe für seine Werkstatt nicht nur das „alte Seidenhaus“, sondern auch ein Darlehen von beachtlichen 1500 Gulden und die Zusicherung erhalten, als einzig zugelassener Buchdrucker die nächsten zwölf Jahre hindurch in Temeswar wirken zu können, merkt Feneşan an.

Über Heimerls Leben vor seiner Temeswarer Zeit ist so gut wie nichts bekannt. Lediglich seinem Bewerbungsschreiben ist zu entnehmen, dass er sich „seit Jahren in einem der vorzüglichsten Officien in Condition befinde, allwo alle Gattungen von Arbeiten vorfallen und in selben so geübt ist, dass er sich allzeit schmeichle, eine reinere und sauberere Arbeit zu verfertigen, als jeder Landbuchdrucker“ (zitiert nach Berwanger). Da bekannt ist, dass er 1784 im Alter von 52 Jahren verstorben ist, lässt sich sein Geburtsjahr errechnen: 1732. Zu seinem Geburtsort finden sich unterschiedliche Angaben in der Sekundärliteratur: Während es bei Liebhard und Petri heißt, er stamme aus Preußisch-Schlesien, und Feneşan Wien als Geburtsort angibt, legen sich die meisten Autoren diesbezüglich nicht fest. 

Hinsichtlich der Anfänge der Heimerlschen Druckerei wurde lange Zeit angenommen, dass diese schon 1769 in Betrieb gegangen sei. Grund für diese Annahme war die in jenem Jahr in Temeswar „bey Matthäus Joseph Heimerl, kaiserl. königl. privilegirten Buchdruckern“ gedruckte „Instruction, wie sich ein Officier bey Führung eines Transports in Geld- und Rechnungssachen zu verhalten hat“, die als ältester Banater Druck galt. Alexander Krischan erbrachte jedoch den Nachweis, dass es sich bei der Jahreszahl um einen Fehldruck handelt und die „Instruction“ erst 1779 erschienen ist. 

Tatsache ist, dass Heimerl, der seit 1770 in Temeswar weilte, erst am 6. Februar 1771 mit der Banater Landesadministration einen Vertrag abschloss, der ihn als k.k. privilegierten Administrations-Buchdrucker dazu berechtigte, amtliche Schriften wie Patente, Instruktionen, Zirkulare u.ä. zu drucken. Später kamen auch Schulbücher hinzu. Das „Privilegium privativum“ erstreckte sich auch auf die Herausgabe eines Wochenblattes sowie auf „gesamt im Lande Banat erforderliche Callender, welche bis anhero eingeführet und verkaufet worden“. Dass er nicht nur Aufträge seitens der Banater Landesadministration erhielt, beweisen die zahlreichen im Laufe der Jahre in seiner Offizin gedruckten Bücher.