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Reiseträume eines Banater Schwaben

Mit diesem Buch will uns der Autor, ein im rumänischen Banat geborener Banater Schwabe, promovierter Germanist und Rumänist, langjähriger Hochschullehrer am Dolmetsch-Institut der Universität Wien und Obmann der Banater Schwaben in Österreich, auf subjektive Reisen durch verschiedene Zeiten und Kulturräume mitnehmen, die gleichsam rund um die ganze Welt und ihre vielfältigen Kulturen führen. Den Ausgangspunkt gibt er dabei wie folgt an: „In den alten, aus den Tagen der Doppelmonarchie stammenden Atlanten, Karten, Lehrbüchern usw. konnten Informationen und Wissenswertes entdeckt und gehortet werden, die in der Stalinzeit ein völlig anderes Bild der Weltgeschichte zu vermitteln wussten und unsere Neugierde geweckt und gefördert haben, was mir, nachdem ich vom Schicksal in die Welthauptstadt der Musik katapultiert worden war, fruchtbringend und nützlich sein sollte, vor allem, wenn man stets offenen Auges durch sein Umfeld schwebte und mannigfaches Interesse für alles Neue an den Tag zu legen bestrebt war. Doch die im Gedächtnis einzementierten Erinnerungen aus Kindertagen ließen nicht los und so reifte in mir die Absicht, diese Erlebnisse auch an kommende Generationen weiterzureichen, damit fürderhin glaubhafte wie auch unglaublich erscheinende Zustände wach gehalten werden können.“

So werden wir zunächst in die Heimat des Autors mitgenommen, in die Zeit der Kriegstage, in denen die Rote Armee im Ort wütete, in die Nachkriegszeit und die Zeit des Stalinismus, in der die sozialistische Transformation begann und in die zugleich nachhaltige Kindheitserlebnisse des Autors fielen. Es wird die etwas skurrile Geschichte berichtet, dass in der Zeit des Stalin-Tito-Konfliktes und der Spannungen an der nahen rumänisch-jugoslawischen Grenze im Übereifer der Wachsamkeit ein harmloser rumänischer Bürger als „Tito“ oder zumindest als jugoslawischer Spion festgenommen wurde, bis man seine wahre Identität erkannte, dass es ein örtlicher „Holzschneider“ war, jemand, der mit einer selbstgebastelten kleinen Maschine von Haus zu Haus fuhr, um mit der lederriemengetriebenen Kreissäge das Scheitelholz zu zerhackfertigen Holzklötzen zu schneiden. Wir erfahren von einer zufälligen Begegnung und einem merkwürdigen Gespräch zweier Banater Schwaben im fernen Sibirien, wobei beide nicht freiwillig dorthin kamen. Der eine blieb als Kriegsgefangener des Ersten Weltkrieges dort, nachdem er eine einheimische Frau geheiratet hatte, der andere wurde als Kriegsgefangener des Zweiten Weltkrieges dorthin verbracht. Wir lernen den phantasiereichen und nie um einen Spruch verlegenen Malermeister Hans Breitenbach aus Großsanktnikolaus kennen. Und ebenso Motzen, die mit Planwagen aus den Westkarpaten kamen und im Winter ihre Äpfel in den Banater Ortschaften verkauften und die gelegentlich, wie im Falle der Familie des Autors, sogar gastfreundlich von Banater Schwaben aufgenommen wurden. Wir erfahren vom Brauch des Ständchen-Singens und lernen den früher bekannten Banater Weinanbauort Marienfeld kennen. Und wir bekommen nähere Einblicke in die merkwürdigen Erfahrungen und Schwierigkeiten des Autors als junger Fachlehrer für Geschichte. Wir werden in die gefährlichen Zeiten des Ersten Weltkriegs an die Adria geführt. Wir können uns über die Irrungen und Wirrungen der „Titelsucht“ der österreichischen Amtssprache amüsieren oder mitärgern und bekommen den Prestigewert des eigenen Autos bei den ausgesiedelten Banater Schwaben anschaulich gemacht. Es wird von ständigen impertinenten wie auch tölpelhaften Observationen von im geschäftlichen Auftrag Reisenden aus dem Westen in der Zeit des Kommunismus erzählt. Und von den neuen Verhältnissen und Eindrücken einer Fahrt nach Siebenbürgen und in die Moldau nach der politischen Wende 1990.

Sodann geht es in andere Weltregionen. Wir folgen dem Autor auf den Spuren der Habsburger auf Madeira, besichtigen Sehenswürdigkeiten Moskaus und Sankt Petersburgs und vertiefen uns punktuell in ihre Kulturgeschichte. Wir machen mit dem Autor einen weiten Sprung durch Raum und Zeit und begegnen der Kultur der Mayas auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán und werden dabei mit ihren Dialekten und kulturellen Zeugnissen, mit ihren prophetischen und apokalyptischen Visionen wie auch, in Assoziation dazu, mit anderen Weltuntergangsvorstellungen konfrontiert. Anschließend werden wir in die schillernde Welt Omans, der heutigen arabischen Kleinstaaten am Golf in ihrem überall sichtbaren Spannungsverhältnis religiöser Tradition und überbordender Moderne, entführt. Schließlich kehren wir nach Europa, nach Memel und auf die Kurische Nehrung zurück und werden an viele deutsche Künstler, bekannte Maler und Schriftsteller, erinnert, die dort vorbeikamen oder sich auch für längere Zeit niederließen. Der Band schließt mit einem ansprechenden historischen, stadtgeschichtlichen und kulturhistorischen Beitrag zu den Sehenswürdigkeiten Rigas ab, ein Text, der sich übrigens nebst Illustrationen auch in einem neueren Heft (2/2020) der Literaturzeitschrift „Bawülon. Süddeutsche Matrix für Literatur und Kunst“ nachgedruckt findet.

Die Reiseerzählungen durch historische Zeiten und Kulturräume des Hans Dama sind vielfach humorvoll untermalt oder anekdotisch pointiert, sie folgen zumeist einer deutlich subjektiven Sichtweise und versuchen so, den Leser ins Unbekannte oder auch ins Bekannte, aber eigenwillig Verfremdete assoziativ mitzunehmen. Sie wollen mithin ein Stück von dem retten und in der Erinnerung behalten, das vielfach bereits ins Halbdunkel des Vergessens gerückt zu sein scheint und in diesem Buch aufgehoben werden soll.

Hans Dama: Durch Zeiten, Länder und Kulturen. Wien: Pollischansky Verlag, 2020. 284 Seiten