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Unser Lehár - Zum 150. Geburtstag des Komponisten Franz Lehár (Teil 2)

Franz Lehár als Kapellmeister in Wien, mit Widmung für Johann Wolf, Wien 1902 (Original im Familienbesitz)

Lehár-Melodien (Ausgabe für Klavier), wie sie in vielen privaten Banater Sammlungen vorzufinden sind

Erstausgabe der Operette „Zigeunerliebe“ in einer Temeswarer Sammlung

Einer seiner treuesten und besten Militärmusiker in Wien war Johann Wolf aus dem Banat (geb. 1874 in Warjasch, gest. 1921). Seine erste musikalische Ausbildung erhielt er in Warjasch bei Michael Steiner, Sohn des bekannten Kapellmeisters Lambert Steiner. Und Michael Steiner musizierte ja, wie bereits erwähnt, unter Franz Lehár sen. in Budapest. Franz Lehár übergab 1902 – noch als Kapellmeister – Johann Wolf ein signiertes Foto mit folgender Widmung: „Meinem lieben Wolf in dankbarer Erinnerung für die vorzüglichen Leistungen! Wien, am 26. März 1902, Lehár Franz“. So schließt sich der Kreis.

Nach mehreren Operetten entstand 1905 „Die lustige Witwe“: „Eine unendlich reiche Witwe aus Rumänien lebt lustig in Paris. Sie wird von Bewerbern umschwärmt. Da aber ihr großer Reichtum in Rumänien liegt, wird ein Rumäne gewählt, der die junge Witwe heiraten soll, damit das Vermögen dem Vaterland erhalten bleibt…“ Am 30. Dezember 1905 fand dann die Premiere statt: „… ein Ereignis; die Revolution von drei Theaterstunden, in deren Verlauf alle bisher thronenden Größen der zeitgenössischen Operette mit einem Schlage gestürzt wurden. Der neue Typ des Genres ist geboren…“ Und in einem anderen Bericht heißt es: „Alle um 1905 verfügbaren Tanzarten vereinigen sich zu einer fortdauernden Tanzorgie.“ Der Siegeszug dieser Operette begann in einem nie dagewesenen Tempo. In nur wenigen Jahren wurde die Operette in zehn Sprachen übersetzt, an 142 deutschen, 135 englischen und 154 amerikanischen Bühnen gegeben. Selbst in China, Indien, Südafrika und Japan wurde sie in englischer Sprache aufgeführt.

„Zigeunerliebe“ – eine Hymne an die Cserna

Franz Lehár gelang es, gleichzeitig an mehreren Operetten zu arbeiten. So hat er sowohl für das Carl-Theater als auch für das Theater an der Wien und das Johann Strauss-Theater Aufträge angenommen. Die Premiere seiner Operette „Zigeunerliebe“ fand am 8. Januar 1910 am Carl-Theater statt, am Dirigentenpult stand der Komponist selbst. Die Partitur der Zigeunerliebe ist ein verzaubertes musikalisches Spiegelbild seiner Heimat: „Kaum eine zweite Partitur des Komponisten ist melodisch so erfinderisch, harmonisch so verwegen, klanglich so farbenreich. Kaum eine zweite entwirft so vielfältige, unermüdliche Rhythmen. Kaum eine zweite auch – ob von Lehár selbst oder von seinen magyarischen Landsleuten Huszka, Kálmán, Jacobi, Abrahám – mobilisiert ungarische und zigeunerische Volksmusik derart triftig, aber auch mit derart unverwechselbarem persönlichen Stil.“

Das Libretto, das Lehár am 30. Juni 1908 zu vertonen begann, stammt von Alfred Maria Willner und Robert Bodanzky. In nur 20 Tagen komponierte der damals Achtunddreißigjährige mehr als die Hälfte der Partitur. Die Handlung seiner „romantischen Operette in drei Akten“ spielt sich am Ufer der Cserna ab, an der Grenze zwischen dem Banater Bergland und der Walachei, Anfang des 19. Jahrhunderts. Das erste Bild spielt auf dem Jagdschloss des Magnaten Dragotin im Banat, nahe der rumänischen Grenze, das zweite Bild in einer Csárda auf dem Gut der Ilona von Körösháza. Die Hauptpersonen sind: Peter Dragotin, Jonel Bolescu, Kajetan Dimitreanu (Sohn des Bürgermeisters), Józsi (Spielmann, ein Zigeuner), der Wirt Mihály, der Kammerdiener Moschu, Zorika (Dragotins Tochter), Jolán (dessen Nichte), Ilona von Körösháza (Gutsbesitzerin). Zu den Personen gehören noch Bojaren und Bojarinnen, ungarische Kavaliere und Offiziere sowie Damen, der Bürgermeister, rumänische und ungarische Burschen und Mädchen, musizierende Zigeuner, Kellnerinnen, Dorfjugend.

Die ganze Operette ist eigentlich eine Hymne an den wunderwirkenden Fluss Cserna. Wenn man in der Mariennacht (vermutlich die Nacht zum 15. August) einen Becher Wasser aus diesem Fluss trinkt, soll man seine eigene Zukunft voraussehen können. Gleich als Introduktion zum ersten Akt gelingt es Lehár, das Toben des Sturmes und des Flusses Cserna musikalisch phantasiereich in Szene zu setzen. In der Partitur wird das Bühnenbild detailgenau beschrieben, von der barocken Architektur des Jagdschlosses bis hin zur fast tropischen Pflanzenpracht, die schäumenden und glitzernden Csernafluten, in der Ferne Berggipfel und eine seit Jahrzehnten verwilderte Parkanlage.

Der Wildbach Cserna entspringt in den Karpaten und bahnt sich seinen Weg durch das Banater Bergland bis zum Kurort Herkulesbad, bevor er bei Orschowa in die Donau mündet. Vermutlich ist darin auch die Verbindung zwischen den tatsächlich existierenden Heilquellen und der in der Operette erwähnten und erdichteten Wunderkraft des Wassers der Cserna zu sehen. Zorika führt sogar ein Zwiegespräch mit der Cserna: „Cserna, sprich, wann wird er kommen, den ich träumend immer sehe. Cserna, hast du mich vernommen, gib mir Liebeslust und Wehe! Lass mich lieben wie die Andern in des Lebens buntem Spiel, lass mit den schaukelnden, lockenden, gaukelnden Wellen mich wandern an mein Ziel!“

Man hört ungarische Rhythmen, rumänische Tanzmelodien, temperamentvolle Zigeunermusik, das Spiel eines Taragots. Und immer wieder den Klang einer Geige, gespielt von Józsi, dem Spielmann: „Lass erklingen deiner Geige süß berückend holde Weise!“ Dazwischen hört man den Chor in rumänischer Sprache „Să trăiască“ singen – Er lebe hoch. Im zweiten Akt tanzt Zorika „nach rumänischer Art, kleine Schritte, ohne viel von der Stelle zu rücken“, also eine Hora.
Berühmt wurden auch Lied und Csardás, gesungen von Ilona: „Hör´ ich Cymbalklänge, wird ums Herz mir enge, süßes Land der Muttersprache, Heimatland! Seufz´ nach deinen Wäldern, nach den goldnen Feldern, sehne mich nach dir, mein süßes Ungarland!“ Der darauf folgende mitreißende Csardás gehört zu den bekanntesten Musikstücken dieser Art.

Noch im selben Jahr 1910 grassierte eine wahre „Leháritis“ weltweit. Selbst die melodische Schwerblütigkeit der Operette „Zigeunerliebe“, die den neuen Typ der sentimentalen Ungarn-Operette etablierte, wurde ein Erfolg. Unter dem Titel „Gipsy Love“ wurde sie in Kalkutta, Sydney, New York, San Francisco und sogar am Fuße des Himalaja-Gebirges aufgeführt.

Das „Lied von Temesvár“ in Lehárs „Lerche“

Nur drei Jahre nachdem Emmerich Kálmán 1915 mit seiner „Csárdásfürstin“ im Wiener Johann-Strauss-Theater gefeiert wurde, fand im Budapester Königlichen Theater am 1. Februar 1918 die Premiere von Lehárs neuer Operette „Wo die Lerche singt“ (ung. „A pacsirta“) statt. Es waren bereits unruhige Zeiten und viele Menschen suchten Trost bei Lehár, als wären seine Lieder und Tänze ein Therapeutikum. In nur kurzer Zeit wurde bereits die hundertste Aufführung erreicht. Der Erfolg dieses Werkes wurde durch die deutsche Fassung mit dem Titel „Wo die Lerche singt“ noch gesteigert. Lehár hat damit den Nerv der Zeit getroffen. Mit dieser Operette überlebte er das Ende der Habsburger Monarchie.

Die Handlung der Operette spielt teilweise in einem Banater Dorf, unweit von Temeswar gelegen, und in Budapest. Maria von Peteani schreibt in ihrem Lehár-Buch: „Die Grazie dieser leicht ungarischen Musik entzückte alle Herzen. War Zigeunerliebe einst dunkler Tokajerwein, so ist die Lerche hell wie wogende Weizenfelder. Zwei prächtige Figuren kommen darin vor: der alte Großvater Pál und seine Enkelin, die Margitka.“

Zwei besondere Lieder widmete Lehár dem Großvater Pál. Das eine, das jedem das Herz rührte, ein Lied, das bis heute seine wehmütige Beglückung nicht verloren hat. Der alte Großvater sitzt auf der Hausbank und mit der abgeklärten Ruhe seines Alters singt er leise und behutsam: „Was geh´n mich an die Leute in großer Welt? Meine Welt, das sind nur zwei, And´res ist mir einerlei!“ Es offenbart sich die vielleicht bedeutendste Tat Franz Lehárs: Er hat die Träne in die Operette getragen. Das zweite Lied, das er Großvater Pál in der „Lerche“ gewidmet hat, ist das „Lied von Temesvár“:

Pali, sagt´ mir einst die Mutter,
wie ich jung noch war,
geh´ verkaufen Milch und Butter,
fahr nach Temesvár!
Zieh´ mir an mein Sonntagsg´wandel
Und den Hut mit rot, weiß, grüne Bandel,
Spann die Wagen ein den Scheck´
und fahr weg!
Ganzes Dorf war auf den Füßen,
jeder hat das sehen müssen,
alle sind mir nachgerannt,
weil ich war so elegant!
Madeln hab´n mir zugerufen,
von den Fenstern, von den Stufen,
jeder tat der Abschied leid
und gehört hab ich noch weit:

(Kehrvers:)
Palikám, Palikám, schöner Mann,
komm nur ja recht bald wiederum her!
Palikám, Palikám, denk daran,
machst den Madeln das Herz gar so schwer!
Keiner wichst Spitzeln von Schnurrbart so ein,
kitzeln beim Küssen so fein!
Palikám, schöner Mann, hör doch auf mich:
Temesvár is nix für dich!

Erst hab´ ich Geschäft verhandelt
Alles gegen bar,
nachher bin ich lust gewandelt
dort in Temesvár!
Wie schaut Stadt denn in der Näh´ aus,
denk´ mir: halt! Jetzt gehst du in Caféhaus.
Madeln hab ich da gesehn – wunderschön!
Alle waren lieb und freundlich,
haben mich gekannt wahrscheinlich,
eine hat sich gar zuletzt
ganz von selbst zu mir gesetzt!
Wie ich zahl´n will nach zwei Stunden,
war mein Brieftaschel verschwunden
und dann schmeißt man mich hinaus,
nur die Madeln rufen aus:

(folgt Kehrvers)

Doch am Ende der zweiten Strophe heißt es diesmal: „Palikám, sei doch g´scheit, eines ist klar: Solche Leut´ braucht Temesvár!“

Auch im Duett Margit-Sándor wird dem Banater Dorf ein musikalisches Denkmal gesetzt:

Wo die Lerche singt,
wo die Sichel klingt,
und das Ährengold auf den Feldern blinkt,
im Wiesensonnenschein
begann mein neues Sein!
Ich kam in eine and´re Welt,
die mir bisher so fern!
Und seit du dich mir zugestellt,
hab ich das Dorf so gern!

Und später wird dieser Text durch die Musik noch gesteigert:

Wenn im Gold die Ähren stehen im Banat,
muss der Bursch zur Arbeit gehen,
haltet euch parat!
Erst die Sense gut geschliffen,
dann hinaus ins Feld,
dort wird tüchtig zugegriffen,
das bringt Geld!

Scheinbar stützt sich das folgende Wortspiel auf Tatsachen, betrachtet man die Erfolge Lehárs durch dieses Werk: „Die Operette rettete die ungarische Musik“. Und mehr als davor wurde diese Kunstgattung der Inbegriff von alldem, was durch den Untergang der Habsburgermonarchie verloren gegangen ist. Vielleicht die wertvollste Würdigung der Operette „Wo die Lerche“ singt stammt aus der Feder Giacomo Puccinis: „Ich besitze Ihre neue köstliche Operette Wo die Lerche singt und kann nur sagen: Bravo, Maestro! Erquickend frisch, genial, voll von jugendlichem Eifer!“

Lehárs Rezeption im Banat

Franz Lehár war der erste Filmstar in der Musikgeschichte. Bereits wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg hat man seine Interviews und Vorstellungen gefilmt und in Kinos einem breiten Publikum angeboten. Er konnte geschickt seine Werke durch seinen eigenen Glocken-Verlag in Wien vermarkten, wurde Besitzer des Schikaneder-Schlössls in Wien und einer Villa in Bad Ischl. Zwischendurch entstanden seine Meisterwerke, unter anderem „Die Tangokönigin“, „Der Zarewitsch“, „Paganini“ und „Das Land des Lächelns“.

Zu den bedeutendsten Interpreten seiner Musik zählte der Tenor Richard Tauber, dem er viele seiner Arien und Lieder gewidmet hat. Dieser sorgte auch für die Verbreitung von Lehárs Operetten in Amerika während des Zweiten Weltkriegs. Als sich 1945 die amerikanischen Soldaten Salzburg und Bad Ischl näherten, beeilten sie sich, den berühmten Lehár zu besuchen, wobei ihm sogar ein Ständchen dargebracht wurde.
Franz Lehárs Musik tröstete und begeisterte mehrere Generationen in schwersten Zeiten. Noch heute gehören seine Melodien aus dem „Zarewitsch“, „Giuditta“ oder dem „Land des Lächelns“ zu den beliebtesten und meistaufgeführten Werken der Musikgeschichte. Auch im Banat wurden seine Werke früh bekannt. Vor allem waren es die Klavierauszüge seiner beliebtesten Werke, die in den „musikalischen Hausapotheken“ Banater Familien verbreitet waren.