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Kulturinstitutionen mit identitätsstiftender Wirkung

Nach der weitgehenden Entrechtung am Ende des Zweiten Weltkriegs, nach Deportation und Enteignung gab es für die Deutschen in Rumänien ab 1948 doch wieder bescheidene Möglichkeiten, ihre Sprache und ihre Kulturtraditionen zu pflegen. Unter weitgehender Einbindung in das monolithische Herrschaftssystem und Anbindung an die kommunistische Ideologie sind ein deutschsprachiges Schulwesen und eine Reihe von Kultureinrichtungen geschaffen worden, die im Lebensalltag und in der Wahrung der kollektiven Identität der Deutschen in Rumänien
eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Die Wirkungsmöglichkeiten dieser Kulturinstitutionen hingen von den jeweils herrschenden politischen Verhältnissen und insbesondere von den minderheiten- und kulturpolitischen Rahmenbedingungen ab, wurden aber auch von dem immer weiter um sich greifenden Aussiedlungsprozess der Deutschen aus Rumänien entscheidend beeinflusst.

Die Frage nach der Bedeutung deutscher Kulturinstitutionen und den kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten der Banater Schwaben im kommunistischen Rumänien stand im Mittelpunkt der 54. Kulturtagung des Landesverbandes Baden-Württemberg, die im November 2018 im Haus der Donauschwaben in Sindelfingen stattfand. Wie seit der 31. Kulturtagung 1995 üblich, sind die Tagungsbeiträge wieder in einem Band dokumentiert worden, der vor kurzem erschienen ist. Herausgegeben wurde der 156 Seiten starke Band von der Germanistin und Volkskundlerin Halrun Reinholz, die seit 2017 für die inhaltliche Konzeption der Sindelfinger Kulturtagung verantwortlich zeichnet. Die Druckvorlage wurde in bewährter Weise von Prof. Dr. Franz Quint erstellt.

Einleitend skizziert der Historiker Dr. Jens-Peter Müller die Lage der Deutschen in Rumänien in der Zeit zwischen dem politischen Systemwechsel 1945/1948 und der Massenauswanderung Anfang der 1990er Jahre, wobei er den Schwerpunkt auf den mit den politischen und sozialen Veränderungen einhergehenden strukturellen Wandel der deutschen Minderheit legt. Der Autor geht auf die Herausbildung einer Bildungs- und Funktionselite innerhalb der Gruppe der Banater Schwaben näher ein, ein Thema, das bis heute weit-gehend unerforscht ist.

Radegunde Täuber, ehemals wissenschaftliche Assistentin mit Lehrauftrag am Germanistiklehrstuhl der Universität Temeswar, würdigt die Banater Germanistin, Forscherin und Hochschullehrerin Dr. Maria Pechtol, geborene Schütz (1918-2003) aus Anlass ihres 100. Geburtstags. Im Fokus stehen zwar ihre 15 leistungsstarken Jahre als Hochschullehrerin (1958-1973), aber auch Pechtols familiäres Umfeld, die Entfaltung ihrer Persönlichkeit, ihr Werdegang und die Zeit nach ihrer Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland werden anhand zahlreicher Fotos und Unterlagen aus der „Schatzkiste des Schütz/Pechtol-Nachlasses“ beleuchtet.

„Herausragende Leistungen Banater deutscher Lehrkräfte aus der Perspektive des Neuen Wegs“ ist der Beitrag von Hans Fink betitelt. Als Redakteur der Bukarester deutschen Tageszeitung viele Jahre für den Bereich „Erziehung, Schule, Unterricht“ verantwortlich, besuchte Fink immer wieder anerkannt gute Lehrer, über die er in der Zeitung berichtete. Aus seiner journalistischen Praxis präsentiert er ausgewählte Beispiele von deutschen Lehrkräften, die sich besondere Leistungen im Bereich der Methodik und Didaktik hervorgetan haben.

„Das Deutsche Staatstheater Temeswar als wichtiger Kulturträger im Banat“ ist Thema des nächsten Beitrags von Andrea Wolfer, die zum Zeitpunkt der Tagung als Dramaturgin bei dieser Institution arbeitete. Der Schwerpunkt ihrer Ausführungen liegt auf der Spielplangestaltung der Temeswarer deutschen Bühne, die aus der Perspektive der Kanonbildung untersucht wird und als „Spiegel der durchlebten Zeiten“ gelten kann. Wolfer geht auch auf die krisenhaften Entwicklungen in den 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre sowie die darauf folgende künstlerisch-ästhetische Neuprofilierung des DSTT im multikulturellen Umfeld ein.

Anhand mehrerer Text-Kostproben mit zum Teil autobiografischem Charakter beleuchtet Dr. Hans
Dama, Schriftsteller und vormals Rumänist am Institut für Romanistik und am Dolmetsch-Institut der Universität Wien, die Rolle des Humors als Ventil gegen die Repression im kommunistischen Alltag.

Luzian Geiers Beitrag handelt von der identitätsstiftenden Rolle der „Neuen Banater Zeitung“ für die Banater Deutschen in den Jahren 1968-1989. Seine langjährige Tätigkeit als Redakteur dieser Zeitung ermöglicht es dem Autor, einen Überblick „von innen“ zu bieten und aufzuzeigen, wie es dem Redaktionskollektiv unter Chefredakteur Nikolaus Berwanger trotz politischer und ideologischer Zwänge gelungen ist, Mittel und Wege zu finden, um die selbst gestellte Aufgabe, Interessenvertreter der Banater deutschen Gemeinschaft und ein der Leserschaft ebenso verbundener wie glaubwürdiger Wegbegleiter zu sein, zu erfüllen. Geier hebt die inhaltliche Vielfalt der NBZ hervor, die über eine Vielzahl von Sonderseiten, Lokalbeilagen und ständigen Rubriken verfügte, und regelmäßig Beiträge zu Sprache und Mundart, Geschichte und Heimatkunde, Kultur und Volkskunde veröffentlichte – alles Bereiche mit identitätsstiftender und gemeinschaftsfördernder Wirkung.

Wie Luzian Geier schreibt auch Horst Samson aus der Perspektive eines unmittelbar beteiligten Zeitzeugen. Der bekannte Dichter, der damals bereits drei Lyrikbände veröffentlicht hatte, war seit 1981 Sekretär des Temeswarer „Adam Müller-Guttenbrunn“-Literaturkreises. In seinem Beitrag „Umherirren in der Fremde. Die Bulhardt-Affäre – Der Anfang vom Ende des Literaturkreises ‚Adam Müller-Guttenbrunn‘“ enthüllt er Einzelheiten der nach dem proletkultistischen Dichter Franz Johannes Bulhardt (1914-2008) benannten Affäre, die von dessen Begehren um Aufnahme in den AMG-Literaturkreis, verbunden mit einer Antrittslesung, ausgelöst wurde, zum Zerwürfnis zwischen dem Vize-Vorsitzenden des Literaturkreises Richard Wagner und den übrigen Präsidiumsmitgliedern und schließlich zu Wagners Austritt führte. Samson schildert auch, wie es im Herbst 1984 infolge des Verbots einer Lesung des westdeutschen Schriftstellers Günter Herburger zur Auflösung des AMG-Literaturkreis durch einstimmigen Vorstandsbeschluss kam.

Der letzte Beitrag des Tagungsbandes ist dem Temeswarer Schubert-Chor gewidmet, der 2019 sein 50. Jubiläum feierte. Adrian Nuca-Bartzer, der Dirigent dieses Chors von 1979 bis 1983 in Temeswar und seit seiner Neugründung 1985 in Deutschland bis heute, stellt die Entwicklung dieser in der Banater Chortradition einzigartigen Singgemeinschaft von der Gründung 1969 bis zur Einstellung der Chortätigkeit in Rumänien im Jahr 1988 und verweist darauf, dass der Schubert-Chor seinem Gründungsziel, das deutsche Volkslied und Werke von Banater Komponisten zu pflegen, stets treu geblieben ist. Die Leistungen und Erfolge des Chors, der innerhalb der rumäniendeutschen Chorbewegung einen Spitzenplatz einnahm, werden ebenso thematisiert wie die zunehmenden Schwierigkeiten, mit denen er sich in den 1980er Jahren konfrontiert sah.

Der reich illustrierte Tagungsband vermittelt einen guten Einblick in das vielschichtige kulturelle Leben der Deutschen im Banat, in dem die hier vorgestellten Kulturinstitutionen – auch im Hinblick auf die Bewahrung der ethnischen und kulturellen Identität der Gemeinschaft – eine wichtige Rolle spielten.

Die Banater Deutschen als „mitwohnende Nationalität“. Deutsche Kulturinstitutionen im sozialistischen Rumänien. Beiträge der 54. Kulturtagung in Sindelfingen, 10./11. November 2018. Hrsg. von Halrun Reinholz. Stuttgart: Landsmannschaft der Banater Schwaben – Landesverband Baden-Württemberg, 2019. 156 Seiten. Preis: 15 Euro (einschließlich Versand). Zu bestellen bei der Landesgeschäftsstelle in Stuttgart, Tel. 0711 / 625127 (nur montags), E-Mail: info@banaterschwaben-badenwuerttemberg.de