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Ein markantes Kulturereignis in Temeswar

Eingang der in der Temeswarer Theresienbastei gezeigten Ausstellung Einsender: K.A.

Am 6. Dezember 2018 wurde in der Temeswarer Theresienbastei die von der Stiftung Art Encounters gemeinsam mit dem Banater Museum Temeswar und dem Institut für Soziohumane Forschungen Hermannstadt veranstaltete Ausstellung „Karte und Territorium. Rumänien in der europäischen Kartographie, 15.-19. Jh.“ eröffnet. Kurator der Ausstellung ist Josef Wolf. Anhand von 130 Karten, Festungsplänen und Stadtansichten aus zwei Privatsammlungen (Dr. Ovidiu Şandor, Temeswar und Dr. Lucian Ştefan, Ulm) und aus den Beständen der Universitätsbibliothek Lucian Blaga in Klausenburg wird die kartographische Wahrnehmung des östlichen Karpatenbeckens und der Regionen an der unteren Donau in der Neuzeit aufgezeigt.

Die Ausstellung bietet eine Bestandsaufnahme der Kartographie mit südosteuropäischen und rumänischen Bezügen. Sie fragt danach, was die einschneidenden Veränderungen der Raumordnung für die kartographische Darstellung des Donau-Karpaten-Raumes bedeuten, will aber darüber hinaus auch Überlegungen anstellen darüber, wie die Kartographie diesen tiefen Veränderungen methodisch begegnet ist, wie sich das Fach selbst entwickelt hat. Im Übergang von der vormodernen zur modernen, naturwissenschaftlich orientierten und von technischen Fortschritten getragenen Kartographie werden um 1800 Veränderungen in der kartographischen Darstellung sichtbar, die das Kartenbild des 19. Jahrhunderts bestimmen.

Dakien in der Geographie des Ptolemäus

Die Ausstellung ist in fünf thematische Sektionen gegliedert. Die einzelnen Themenblöcke skizzieren nicht nur die geographischen Inhalte und graphischen Merkmale der ausgestellten Karten, sondern sie benennen auch zentrale Aspekte der kartographiegeschichtlichen Entwicklung. Der erste Themenbereich widmet sich anhand mehrerer Wiegendrucke der Darstellung des „Alten und Neuen Dakien in der Geographie des Ptolemäus“. Der Geograph, Astronom und Mathematiker Claudius Ptolemäus fasste um das Jahr 170 das geographische und astronomische Wissen seiner Zeit systematisch zusammen. Sein geozentrisches Weltbild bildete die Grundlage der Kosmographie bis auf Kopernikus’ Gegenentwurf des heliozentrischen Systems. Seine Anleitung zur Erdbeschreibung, meist kurz als „Geographie“ bezeichnet, besteht hauptsächlich aus Tabellen, die die Lage von etwa 800 Orten im Gradnetz (bezogen auf den Meridian der Kanarischen Inseln) erläutern. Am Anfang der neuzeitlichen Geographie steht das Werk von Ptolemäus. Seit 1513 wurden den kritischen Ptolemäus-Ausgaben in zunehmendem Maße neue zeitgenössische Karten beigegeben. Die Ausstellung zeigt die Darstellung der neunten Karte Europas, die den Mittel- und Unterlauf der Donau umfasste und in deren Zentrum das vorrömische und römische Dakien liegt. Die Idee eines modernen „Dakien-Reiches“ findet sich im 17. und 18. Jahrhundert in mehreren politischen Projekten zur territorialpolitischen Neuordnung des Donau-Karpatenraums wieder.

Das Schwarze Meer und die Donau

Die zweite Sektion der Ausstellung befasst sich mit dem „Schwarzen Meer und der Donau als Kommunikations- und Konflikträume“. Im beginnenden 17. Jahrhundert wurde das Schwarze Meer zum Gegenstand imperialer Auseinandersetzungen zwischen dem Osmanischen Reich und dem Zarenreich. Im 19. Jahrhundert internationalisierte sich die Frage des Zugangs durch die Meerengen und der militärischen Präsenz im wichtigen Nebenmeer des Mittelmeers – ein auch in der Gegenwart aktuelles Problem. Im Mittelpunkt stehen Meereskarten und Donaukarten. Die Blütezeit der Donaukarten steht in engem Zusammenhang mit der österreichischen Expansion nach Südosteuropa. In den späten Türkenkriegen wurde die Donau zur blutig umkämpften Grenze. Gezeigt werden unter anderem eine seltene, im Wiener Verlag von Etienne Briffaut erschienene anonyme Donaukarte (1739) mit zahlreichen Banat-Bezügen und Bilddarstellungen über die Hindernisse der Schifffahrt und den Hausenfang (1739), wie auch die erste, von Ignaz von Lauterer und Siegfried von Tauferer erstellte mehrblättrige Navigationskarte des Stromes von Belgrad bis zur Mündung ins Schwarze Meer (1789).

Repräsentation des Territoriums in Karten

Der dritte Themenabschnitt widmet sich der „Repräsentation des Territoriums in Karten“, die Zentral- und Osteuropa darstellen. Die Anfänge der neuzeitlichen Kartographie stehen in engem Zusammenhang mit der Herausbildung eines territorial strukturierten Staatensystems am Ende des Mittelalters. Die Monarchen entwickelten ein Interesse an ihrem eigenen Territorium und führten Kriege zu seiner Ausdehnung in imperiale Dimensionen. Territorialfürsten hingegen versuchten ihre Herrschaft zu stabilisieren und dem Einflussbereich der Großmächte zu entkommen. Im dargestellten Zeitraum war die Staatenordnung nie eine fixe und statische Größe gewesen, sondern sie war stets dem historischen Wandel unterworfen. Hinter den Karten stehen immer Weltbilder und Raumkonzeptionen, die hinsichtlich ihrer territorialen und ethnokonfessionellen Merkmale aufzudecken sind. Die Exponate sind vor allem für den Stellenwert Siebenbürgens, der Moldau und der Walachei in der territorialen Raumordnung des mittleren und östlichen Europas aufschlussreich. Unterhalb der staatlichen Ebene kommen Regionen und Landschaften zum Vorschein.

Das Kriegstheater im Medium Karte

Im Themenabschnitt „Das Kriegstheater im Medium Karte“ wird die Wahrnehmung der historischen Regionen im heutigen Rumänien im Kontext der militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem Habsburger Reich und dem Russischen Reich einerseits und dem Osmanischen Reich andererseits vom ausgehenden 16. und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts anhand von Karten, Festungsplänen, Belagerungsszenen, Stadtveduten dargestellt. Die Kriege förderten das mediale Interesse für den Donauraum. Die militärischen Ereignisse in Südosteuropa steigerten das Interesse des Publikums für Kriegsrelationen, so genannte „Neue Zeitungen“, und vor allem für Karten und visuelle Darstellungen. Spätestens in diesem Themenbereich rückt das Banat in das Zentrum der Darstellung. Ausgestellt sind mehrere Karten über die Belagerung und Eroberung Temeswars (1716) und die gedruckte Version (1729) des ersten, gleich nach der Einnahme der Festung von Hauptmann Perette erstellten topographischen Plans der osmanischen Stadt. Das wichtigste Exponat ist die auf Veranlassung des Prinzen Eugen von Savoyen auf Pergament gezeichnete und aquarellierte Übersichtskarte des neu eroberten Temeswarer Banats (1717). Die Türkenkriege führten nicht nur zur kontinentalen Ausbreitung der Monarchie, sondern auch zur schrittweisen Vereinheitlichung des Raumwissens über die an der südosteuropäischen Peripherie neu erworbenen Gebiete.

Repräsentation der rumänischen Landen

Der letzte Themenabschnitt wendet sich der „Repräsentation der rumänischen Landen“ in der neuzeitlichen Kartographie zu. Die neuzeitlichen Territorialstaaten sind der primäre Bezugspunkt. Dabei wird die kartographische Entwicklung der Darstellung sämtlicher historischer Regionen (Banat, Siebenbürgen, Moldau, Bessarabien, Bukowina, Walachei und Dobrudscha) vom ausgehenden 15. und bis zum späten 19. Jahrhundert berücksichtigt. Ein wichtiger Aspekt ist der zentrale Gestaltwandel von Staatlichkeit durch die Entstehung des rumänischen Nationalstaats (1859). Vom neuen Staat gehen wichtige Impulse für die Herausbildung einer nationalen Kartographie aus. Auch in diesem Abschnitt werden mehrere Banat-Karten präsentiert, so die von Franz Griselini erstellte Karte (1776) und die von Karl Joseph Kipferling entworfene Darstellung (1803). Herausgestellt wird die Rolle des Wissenstransfers im Bereich der Kartographie durch den Beitrag der österreichischen und russischen Militärkartographie bei der Entstehung topographischer Kartenwerke in der großen Fläche. Während der Kriege, die auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens stattfanden, erschloss das Militär als erstes den Raum, in den es vordrang, und versuchte, diesen unter strategischen und militärischen Gesichtspunkten zu erfassen. Gezeigt werden grundlegende Werke, die das Raumbild des Donau-Karpaten-Raums jahrzehntelang geprägt haben, wie die Ungarn-Karte von Johann Lipszky (1806) oder die vom topographischen Mitarbeiterstab des russischen Generals Friedrich Wilhelm Bauer erstellte Karte des Fürstentums Moldau (1781).

In der Ausstellung geht es nicht nur darum, einen systematischen, vereinheitlichenden oder gar kanonisierenden Blick über kartographische Darstellungen zum Donau-Karpaten-Raum zu geben. Unverkennbar ist die Intention, bestimmte territorialpolitische und kartographiegeschichtliche Fragestellungen exemplarisch zu beleuchten. Für die Besucher der Ausstellung ist es wichtig, die wesentlichen Entwicklungstendenzen zu erkennen und diese im breiten thematischen Spektrum nachvollziehen zu können. Die Schau wurde sowohl vom Publikum – darunter viele Schüler, Lehrer und Studenten – wie auch von den regionalen und zentralen Medien positiv aufgenommen. Mehrere Begleitveranstaltungen wie öffentliche Führungen und Vorträge zu historischen und kartographiegeschichtlichen Themen mit Banater Bezügen ergänzten das museale Standardprogramm. Erwogen wird die Präsentation der Ausstellung in mehreren westeuropäischen Städten. Ein umfangreicher Ausstellungskatalog soll zum Jahresende erscheinen.