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Das klingende Erbe einer Orgellandschaft

Kaum einige Monate sind vergangen, seit die von Dr. Franz Metz bespielte CD „Wegenstein“ erschienen ist. Nun brachte der überaus engagierte Kirchenmusiker ein neues Werk heraus: „Banater Orgeln“ nennt sich die Doppel-CD, auf der 56 Orgelwerke auf 21 verschiedenen Orgeln des
Banats zu hören sind.

Franz Metz spielt meist Werke aus Sammlungen von Vor- und Nachspielen, welche einst im süddeutsch-österreichischen Raum erschienen sind und sich in so manchen privaten Musikbibliotheken der Banater Kantorenlehrer oder in den Notenschränken auf den Orgelemporen der Banater Pfarreien befunden hatten. Es sind Werke von Johann Baptist Preyer, Friedrich Schmoll, Franz Anton Murschhauser, Christian Heinrich Rink und anderen. Auch vier Werke aus dem „Arader Orgelheft“ und sieben Werke aus dem „Lovriner Orgelbüchlein“ erklingen auf diesen CDs.

Doch Franz Metz rückt das Banat mit seinen Kirchenliedern noch ausdrücklicher in den Mittelpunkt, indem er Improvisationen von bekannten Kirchenliedern aus dem Banat eingespielt hat. So erklingt zum Beispiel auf der Perjamoscher Orgel eine Improvisation von „Gegrüßet seist du, Königin“, auf der Orgel von Großsanktnikolaus „Ein Haus voll Glorie schauet“, auf jener von Großsanktpeter „Schön glänzt in der Nacht“ und „Meerstern, ich dich grüße“. „Sankt Antoni sei gepriesen“ ist als Orgelimprovisation auf der Orgel in Orawitza zu hören. Aufnahme fand auch eine Improvisation über ein bulgarisches Weihnachtslied aus Altbeschenowa, selbstverständlich gespielt auf der Kirchenorgel dieser Gemeinde. Neben den bereits genannten Ortschaften sind auch Tonaufnahmen an den Orgeln von Jahrmarkt, Orzydorf, Alexanderhausen, Reschitza, Arad, Temeswar, Gertianosch, Lenauheim, Lovrin, Billed, Guttenbrunn, Fibisch, Lippa, Neudorf und Traunau zu hören.

Franz Metz hat in seiner Weitsicht bereits gleich nach der Wende von 1989 zahlreiche Ortschaften bereist und Tonaufnahmen gemacht. Auch hat er Bildaufnahmen und Dokumentationen zur Orgellandschaft des Banats erstellt. Dazu schreibt er im beiliegenden Begleitheft: „Diese Aufnahmen entstanden größtenteils kurze Zeit nach der Wende von 1989. Es war eine äußerst unruhige Zeit, als die alte traute Welt zusammenzubrechen schien: Zweieinhalb Jahrhunderte nach ihrer Ansiedlung verließen die meisten Banater Schwaben ihre Heimat, viel zu tief waren die Wunden der Nachkriegszeit im damals kommunistischen Rumänien. Dorfgemeinschaften haben sich aufgelöst und die dazu gehörenden Kirchengemeinden der Banater Heide und des Banater Berglands sahen einer trostlosen Zukunft entgegen: Kirchen blieben geschlossen, Orgeln verwahrlost, in vielen Kirchen wurde eingebrochen, Musikalien wurden aus Unkenntnis vernichtet, Tauben und Eulen nisteten sich in Orgeln ein. Wer die Situation in diesen kleinen schwäbischen Dorfkirchen des Banats unmittelbar davor kannte, musste leider mitansehen, wie eine einst blühende Kultur plötzlich verschwand.“

Doch nicht erst in der Zeit nach 1989, nach dem großen Exodus der Banater Schwaben, begann das Sterben der Orgellandschaft im Banat. Gleich in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Werkstätte Wegenstein ihren Betrieb einstellen, Haus und Eigentum wurden beschlagnahmt. Im Sozialismus war kein Platz für Kirchenmusik, für Orgelklang. So litten die Banater Orgeln unter Pflegeentzug, unter mangelnder Stimmung und oberflächlicher Reparatur. Es war niemand da, der Kenntnisse und das entsprechende Material für die Ausführung von notwendigen Reparaturen besaß. Es gab auch keine Ausbildung für Organisten und Kantoren. Auf den Dörfern nutzte man die Kenntnisse von Akkordeonspielern, die man für das einfache Orgelspiel, für Liedbegleitung umschulte. Noten für Vor- und Nachspiele oder gar für Orgelwerke waren auch nirgends aufzutreiben. Man war schon froh, wenn man ein altes Temeswarer Orgelbuch aus Vorkriegszeiten besaß. Jedes Lied, das gespielt und gesungen wurde, musste mühevoll von Hand abgeschrieben werden.

Walter Kindl, Musiklehrer und späterer Domkapellmeister, war in den siebziger Jahren einer, der sich Wissen über Orgelbau und -pflege auf verschlungenen Wegen aneignete und so manche Orgel vor dem Verfall rettete. Auch Franz Metz, der den Mut hatte, Kirchenorgel zu studieren, brachte Hoffnung in die Banater Orgellandschaft. Sein Wissen und Können konnte er als Organist, Chorleiter und Pädagoge in Temeswar, im Rahmen der damaligen Möglichkeiten, bedingt weitergeben. Die in jener Zeit gemachten Aufnahmen sind heute kostbare Schätze. So schreibt er im Book-let über die Zeit von 1990-1994:
„Einige der damals aufgenommenen Orgeln sind heute stumm und müssten generalüberholt werden. Die Aufnahmen fanden unter äußerst schwierigen Bedingungen statt: Der Organist musste davor selbst kleine Reparaturen vornehmen, um überhaupt an dem Instrument spielen zu können. Trotzdem klemmten so manche Trakturen und Registerzüge, andere Töne waren verstimmt oder stumm, das elektrische Gebläse versagte in vielen Fällen, in der Kirche flogen Tauben und Spatzen durch den Raum, draußen, vor der Kirchentür, schrien Gänse. Doch all diese Mühe hat sich letztendlich gelohnt: Die himmlischen Klänge dieser Orgeln, die Leid und Freud vieler Generationen begleiteten, können nun durch diese Aufnahmen zum Leben erweckt werden.“

Heute, mehr als zwanzig Jahre später, befinden sich diese Orgeln, mit wenigen Ausnahmen, in noch schlechterem, unbespielbarerem Zustand. Somit gewinnen diese Aufzeichnungen einen historischen Wert und sind eine einmalige Dokumentation der Banater Orgellandschaft, wie man sie vermutlich heute nicht mehr realisieren könnte.

Bemerkenswert ist die sehr gute Tonqualität der Aufnahmen, aber auch die Vielfalt der Klangfarben, die der Interpret mit meisterlichem Können aus diesen Instrumenten hervorzuzaubern vermag. Es überrascht, welch ein Reichtum an unterschiedlichen Registern die jeweiligen Orgeln besitzen und wie Franz Metz sie vielfältig mischen und erklingen lässt.

Sehr erfreulich sind auch die besondere Aufmachung des umfangreichen Begleitheftes, mit Vorwort zur Tonaufnahme, zum Repertoire und zum Organisten sowie die Kurzinformationen zu jeder einzelnen bespielten Orgel. All dies ist auch mit entsprechenden Fotos versehen.

Somit verdient die neue Doppel-CD „Banater Orgeln“ größte Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Dem geschätzten Organisten und Herausgeber gebührt unsere besondere Achtung für seine wertvolle Arbeit und seine klingende Dokumentation. Viele unserer Banater Landsleute haben jahrelang sonntags zum Klang der Orgel in ihrer Heimatkirche Lieder gesungen, sind vermutlich auch zu festlichen Orgelklängen bei ihrer Hochzeit oder als junge Trachtenträger beim Kirchweihfest durch den Kirchenraum geschritten. Die Orgelklänge haben uns eingestimmt auf Weihnachten, Ostern und all die anderen kirchlichen Feste. Auf dieser CD kann man den Orgelklängen nochmals lauschen. Sie sind somit dauerhaft dem Vergessen entrissen worden.    

Die Doppel-CD „Banater Orgeln“ kann beim Verlag Edition Musik Südost, Hugo-Weiss-Straße 5, 81827 München telefonisch unter 089 / 45011762 oder per E-Mail an FranzMetz@aol.com zum Preis von 16,50 Euro (zuzüglich Versand) bestellt werden.