Ein noch nicht vollendetes Werk, wie die von dem Temeswarer Diözesanbischof Martin Roos verfasste mehrteilige Darstellung „Erbe und Auftrag. Momente aus der Vergangenheit der Diözese Csanád und
ihrer Nachfolgebistümer“ mit dem Attribut „monumental“ zu versehen, scheint vordergründig etwas vermessen, ist aber letztlich durchaus berechtigt. Die bisher vorliegenden vier großformatigen Bände mit insgesamt 2634 Seiten überzeugen durch das dem Gesamtwerk zugrunde liegende schlüssige Konzept und beeindrucken durch die akribische Recherche und wissenschaftliche Gründlichkeit ihres Autors, durch eine klare, verständliche Sprache und eine gediegene Gestaltung. Man merkt, dass hier ein exzellenter Kirchenhistoriker am Werk ist, der sich als solcher bereits durch seine fundierte, im zweiten Band der „Donauschwäbischen Kirchengeschichte“ erschienenen Abhandlung „Die katholischen Donauschwaben im Banat und in der Diözese Tschanad 1867-1918“ (Stuttgart 1977) sowie seine zweibändige monografische Darstellung des Wallfahrtsortes Maria Radna (Regensburg, 1998 und 2004) ausgewiesen hatte.
Mit „Erbe und Auftrag“ wird zum ersten Mal ein Werk vorgelegt, das die Geschichte des alten Bistums Csanád und seiner Nachfolgediözesen Szeged-Csanád in Ungarn, Großbetschkerek in Serbien und Temeswar in Rumänien behandelt. Der erste Band widmet sich der neunhundertjährigen Geschichte des Bistums Csanád von dessen Begründung durch König Stephan dem Heiligen von Ungarn im Jahre 1030 bis zu seiner Aufteilung im Gefolge des Ersten Weltkriegs 1923 und ist in drei Teile gegliedert. Teil 1, die Zeit von den Anfängen bis zum Ende der Türkenzeit (1030-1718) umspannend, ist 2009 erschienen. Teil 2 umfasst die Zeit vom Barock bis zur Revolution von 1848/1849 (1718-1850), die in zwei Teilbänden (erschienen 2010 und 2012) beleuchtet wird. Der zuletzt vorgelegte Band 1,3a, der hier vorgestellt wird, setzt als erster Teilband über die Zeitspanne 1850 bis 1923 die Darstellung bis 1889 fort. Der zweite Band wird die Zeit von der Aufteilung des Bistums Csanád bis in unsere Tage umfassen, wobei die drei Schwesterdiözesen zwar gesondert behandelt, doch in einem einzigen Band vereint sein werden.
Viele Mosaiksteine aus Bild-Text-Einheiten
Der Untertitel des Gesamtwerkes „Momente aus der Vergangenheit der Diözese Csanád und ihrer Nachfolgebistümer“ verweist bereits darauf, dass es sich hier nicht um eine zusammenhängende Darstellung der Diözesangeschichte handelt. Das Konzept des Gesamtwerkes gründet nämlich auf dem gesammelten Bildmaterial: Anhand von Fotos, alten Postkarten, Gemälden, Dokumenten, Druckerzeugnissen usw., die jeweils auf einer Seite reproduziert sind, werden in den gegenübergestellten Texten – die sich lediglich als Kommentar dazu verstehen – „Momente“ aus der Vergangenheit des Bistums präsentiert. So entsteht eine Vielzahl von Bild-Text-Einheiten (im Teilband 3a sind es knapp 170), die ein vielschichtiges Bild der jeweiligen Zeitspanne vermitteln.
Eine kurze Einführung, die dem Gesamtwerk, jedem Teilband wie auch jedem einzelnen Kapitel vorangestellt ist, verschafft dem Leser den notwendigen Überblick. Ein äußerst sorgfältig angelegter wissenschaftlicher Apparat mit Anmerkungen, Bildnachweis, Quellen- und Literaturverzeichnis sowie dreifachem Register (Personen-, Orts- und Sachnamen) schließt jeden Teilband ab. Im Band 1,3a umfasst der wissenschaftliche Apparat ganze 360 Seiten, wobei das Schrifttumsverzeichnis für die gesamte Zeitspanne von 1850 bis 1923 erst im nachfolgenden Band zur Veröffentlichung kommen wird. Allein 208 Seiten nehmen die 4175 Anmerkungen ein, die neben den Quellenangaben und weiterführender Literatur zum Teil wertvolle Zusatzinformationen zu Personen und Sachverhalten liefern.
Der hier vorgestellte Band umfasst die Episkopate von Alexander Csajághy (1851-1860) und Alexander Bonnaz (1860-1889). Nach den turbulenten Revolutionsjahren von 1848/1849 trat eine verhältnismäßig ruhige Zeit geordneter Entwicklung ein, in der sich die verschiedenen politischen, nationalen und geistigen Strömungen der Zeit auch im Klerus und Volk des Bistums bemerkbar machten. Staatspolitisch betrachtet, handelt es sich um die durch den österreichischen Neoabsolutismus geprägte Zeit des Kronlandes Woiwodschaft Serbien und Temeser Banat (1849-1860) beziehungsweise um die mit dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 beginnende Zeit des Dualismus. Die ungarische Politik wurde in den darauf folgenden Jahrzehnten von der aus Franz Deáks politischem Lager hervorgegangenen Liberalen Partei bestimmt. Es ist auch die Zeit, in der die Magyarisierung des öffentlichen Lebens einsetzt.
Episkopat des Bischofs Alexander Csajághy
Für das Bistum Csanád stellten die Jahre der Bischöfe Csajághy und Bonnaz Höhepunkte in dessen langer Geschichte dar. Der Aufschwung auf geistlichem wie auch auf materiellem Gebiet, der sich unter Bischof Alexander Dessewffy noch eine Zeitlang fortsetzte, sei augenfällig gewesen, hebt der Autor hervor.
Die Gliederung des Bandes orientiert sich an den Amtszeiten der beiden Bischöfe. Im ersten Kapitel „Tradition im Absolutismus. Aus der Zeit des Bischofs Csajághy“ geht Bischof Roos auf die als zukunftsweisend geltenden Aspekte im Wirken Csajághys besonders ein. Durch seine Priesterexerzitien, die Neuordnung der Priestererziehung und -ausbildung und nicht zuletzt durch seine gewichtigen Hirtenbriefe prägte Csajághy mehrere Generationen von Seelsorgern. Neben der geistig-spirituellen Erneuerung des Klerus lag dem Bischof das Schulwesen ganz besonders am Herzen. Während seines Episkopats wurde die katholisch-deutsche Lehrerpräparandie in Werschetz ins Leben gerufen, die in knapp zwanzig Jahren mehr als 400 deutsche Lehrer dem Bistum schenkte. Schließlich legte Csajághy mit der Berufung der Armen Schulschwestern aus München nach Temeswar – laut Roos eine seiner „weittragendsten und segensreichsten Entscheidungen“ – die Mädchenerziehung in seiner Diözese in beste Hände.
Der Autor geht auch auf die Wohltaten des Bischofs ein, der beispielsweise den Marienaltar und den Altar des hl. Gerhard im Dom zu Temeswar stiftete oder mit einer Stiftung von 10 000 Gulden die katholische Lehrerpräparandie in Szegedin rettete. Auf Csajághy geht auch die erstmalige Herausgabe einer genauen Karte der Diözese im Jahr 1854 zurück, die im Format 40 x 60 Zentimeter dem Band beigelegt ist.
Weitere Miszellen in diesem ersten Kapitel befassen sich unter anderem mit dem Wiederauffinden der ungarischen Krönungsinsignien in der Nähe von Orschowa 1853, worüber der dortige Pfarrer in der „Historia Domus“ berichtet, mit den Bischöflichen Visitationen, wie sie in den Pfarrchroniken von Heufeld und Orschowa geschildert werden, mit der Errichtung der Kirche in Perjamosch-Haulik durch den Patronatsherrn Georg Kardinal Haulik oder mit der Dommusik Mitte des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus stellt Roos Gestalten aus den Reihen der Geistlichen und der Laien vor, die durch ihre Stellung oder auch durch ihre ausgeprägte Persönlichkeit das kirchliche Leben in der Diözese entscheidend mitgestaltet haben. Solche Kurzporträts finden sich vermehrt im zweiten Kapitel des Bandes, das unter der Überschrift steht „Aufstieg zur Höhe. Aus der Zeit des Bischofs Bonnaz“.
Das Bonnaz gewidmete Kapitel, angesichts seines langen Episkopats und seines segensreichen Wirkens als Bauherr, Förderer und Wohltäter wesentlich umfangreicher, gliedert sich in neun Abschnitte. Zunächst schildert der Autor den Werdegang des 1812 in Savoyen geborenen späteren Bischofs, der als Zehnjähriger mit seiner Mutter zum Großonkel nach Triebswetter kam. Dieser wirkte dort als Pfarrer. Nachdem er sein Theologiestudium in Wien absolviert hatte und 1837 zum Priester geweiht worden war, ging er 1840 für 13 Jahre als Pfarrer nach Triebswetter. Zehn Jahre später zum Schulinspektor der Serbischen Wojwodschaft und des Temescher Banats berufen, folgten weitere Ernennungen und 1860 schließlich seine Weihe zum Bischof.
Roos versucht darüber hinaus, ein Bild des Menschen Bonnaz zu konturieren. Persönlich von großer Bescheidenheit und spartanisch in seiner Lebensführung, hatte er „so etwas wie einen siebten Sinn in Sachen Finanzen“. Er häufte ein großes Vermögen an und verausgabte davon enorme Summen für den Kirchbau, für die Erziehung der Jugend, für Waisen und Behinderte, für die Ausbildung von Lehrern und für verschiedene kirchliche Institutionen. Die gesamte Summe, die er für Wohltätigkeitszwecke verausgabte, wird auf etwa zwei Millionen Gulden geschätzt. Bonnaz gilt als einer der größten Wohltäter des Banats.
Episkopat des Bischofs Alexander Bonnaz
Bischof Bonnaz, der seit seiner Rückkehr aus Rom, wo er 1869/1870 am Ersten Vatikanischen Konzil teilgenommen hatte, ernst krank war, sei „kein leichter Chef“ gewesen, zumal „keiner vor den Wutausbrüchen des Bischofs sicher (war)“. Dies erfährt der Leser im zweiten Abschnitt, in dem „Mitarbeiter in Administration und Seelsorge“ vorgestellt werden – allen voran Weihbischof Josef Németh, der als engster Vertrauter und Faktotum an der Seite des kranken Bischofs galt. Porträtiert werden unter anderem Ignaz Geml, Bischofssekretär und Kanzleidirektor, Professoren des Temeswarer Priesterseminars, aber auch Geistliche, deren Werdegang ungewöhnlich war (wie der von Augustin Weber, Militärseelsorger und Begleiter des Kaisers Maximilian von Mexiko) oder die Jahrzehnte hindurch ihren Dienst in derselben Pfarrei versahen (wie Kaspar Zahn, der 63 Jahre lang als Pfarrer seiner Heimatgemeinde Lovrin wirkte).
Im folgenden Abschnitt „Pfarreien und Kuratien“ geht Bischof Roos unter anderem auf die Gründung von acht neuen Gemeinden im Pantschowaer Ried ein, auf die sogenannte Katholische Autonomiebewegung von 1869/1870, die sich um eine Befreiung der katholischen Kirche aus der Bevormundung durch den Staat bemüht hat (mit Lorenz Schlauch, damals Dechant-Pfarrer von Jahrmarkt, später Bischof und Kardinal, und dem Pädagogen und Historiker Johann Heinrich Schwicker hatte das Bistum Csanád zwei herausragende Persönlichkeiten zum Autonomiekongress entsandt), auf die große Überschwemmungskatastrophe, die die Stadt Szegedin 1879 heimgesucht hat, und die Sorge des Bischofs um die Notleidenden, ebenso auf die Magyarisierungsbestrebungen, die auch vor dem Klerus der Diözese nicht Halt machten.
Bauherr, Förderer und Wohltäter
Im Mittelpunkt des nächsten Abschnitts steht der „Bauherr und Baumeister“. Bonnaz sei vom Planen und Bauen „geradezu besessen“ gewesen, so Roos. Der rege Kirchbau in den langen Jahren seines Episkopats habe Maßstäbe gesetzt, die nachher nie wieder erreicht wurden. Errichtet wurden in diesen drei Jahrzehnten 37 Kirchen (unter anderem in Werschetz, Deutschetschka, Großbetschkerek, Neusanktanna, Deutschtschanad, Saderlach, Guttenbrunn, Rudolfsgnad, Tschakowa), wofür der Bischof riesige Summen ausgab. Viele der Banater Kirchen wurden von Eduard Reiter, dem Hausarchitekten des Bischofs Bonnaz, erbaut, der 1871 aus Wien nach Temeswar gekommen war. Ihm schenkt der Autor genauso Aufmerksamkeit wie den Orgelbauerfamilien Wälter, Josephy, Hromadka und Wegenstein und der Glockengießerei Novotny.
„Neben den Kirchen baute Bonnaz Schulen, Schulen und abermals Schulen“, heißt es in der Einführung zu dem Abschnitt „Katholisches Erziehungs- und Bildungswesen“. Im Hinblick auf Nachwuchs für den Klerus entstand durch eine eigenständige Stiftung des Bischofs das dem Priesterseminar angeschlossene Knabenseminar „Emericanum“. Bonnaz stellte den Armen Schulschwestern in der Josefstadt ein imposantes Mutterhaus mit Schulkomplex hin und förderte mit allem Einsatz ihre Verbreitung im Bistum. Er stiftete auch ein Waisenhaus für Mädchen und investierte laufend in die beiden Lehrerpräparandien in Szegedin und Werschetz. Breiteren Raum widmet der Autor der liberal-antikatholischen Gesetzgebung des Jahres 1868, in deren Zuge der Großteil der konfessionellen Schulen zunächst an die politische Gemeinde, später an den Staat verloren ging, was dem Ungarischen als Unterrichtssprache Tür und Tor öffnete. „Es ging zunächst um das liebe Geld, dass es jedoch im letzten (...) um die Muttersprache und die eigene Identität gehen würde, war den einfachen – mitunter geizigen – Bauernhirnen ohnehin verborgen“, urteilt Roos.
In die Zeit des Bischofs Bonnaz fallen auch die Anfänge des katholischen Pressewesens, die in einem separaten Abschnitt behandelt werden. Als Herausgeber von Monats- und Wochenschriften betätigten sich junge Geistliche, die in Pest, Wien oder Innsbruck studiert und promoviert hatten. Eine entscheidende Voraussetzung für den Aufschwung des katholischen Pressewesens schuf Bonnaz mit dem Erwerb einer Druckerei im Jahr 1872. Mit Ausnahme des von Dr. Josef Grosz begründeten politischen Wochenblattes „Der Landbote“, sind alle anderen Periodika in ungarischer Sprache erschienen.
Gebührende Aufmerksamkeit widmet der Autor den anderen Nationen und Konfessionen, zumal in den weiten Gefilden des Banats für alle Platz war – „wenn auch manchmal mit Spannungen, so doch in gegenseitiger Achtung“. Im Mittelpunkt des betreffenden Abschnitts stehen die orthodoxen Rumänen und Serben, die mit fast 1 Million etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung der Diözese ausmachten. Dabei geht Roos sowohl auf die Unionsbestrebungen der auf dem Gebiet des Bistums lebenden Rumänen ein als auch auf die nationalpolitischen Spannungen innerhalb der Orthodoxie, zwischen Rumänen und Serben, die letztlich zur Separierung und Entstehung ethnisch bestimmter Kirchen führten.
Aufschlussreiches Datenmaterial liefern die Statistiken am Ende eines jeden Kapitels. Anhand der Schematismen von 1861 und 1889 hat der Autor auf Dekanatsebene die Anzahl der Pfarreien, Kuratien, Kaplaneien und Filialen, der Pfarrer, Kuraten und Kapläne, der Kirchen und Kapellen, die Konfessionszugehörigkeit der Bevölkerung sowie die in der Seelsorge verwendeten Sprachen erhoben. Wichtige Erkenntnisse bieten auch die Schulstatistik von 1857/ 1858 mit Nennung der Lehrkräfte und Kinderzahlen an den rund 400 katholischen Volksschulen im Bistum sowie die Konskription der Pfarreien aus dem Jahr 1888 mit Gründungsjahr, Seelenzahl und Einkommen der Seelsorger.
Aufgrund seiner umfassenden Kenntnis des Quellenmaterials zur Geschichte der Diözese Csanád und seiner historiographischen Leidenschaft ist es Bischof Roos gelungen, wie schon in den vorausgegangenen Bänden, erneut ein fundiertes, anschaulich gestaltetes und übersichtlich strukturiertes Werk vorzulegen, in dem sich viele Mosaikstücke aneinanderreihen und letzten Endes ein beeindruckendes Gesamtbild der Diözesangeschichte von 1850 bis 1889 ergeben.
Martin Roos: Die alte Diözese Csanád. Zwischen Grundlegung und Aufteilung. 1030 bis 1923. Teil 3: Vom Absolutismus bis zur Aufteilung 1851-1923. Teilband a / 1851-1889. Im Selbstverlag der drei Bistümer Szeged-Csanád, Groß-Betschkerek, Temeswar sowie im Verlag Edition Musik Südost München, 2014. 776 Seiten, 1 Karte. Der Band kann zum Preis von 60 Euro (zuzüglich Versandkosten) beim Gerhardsforum Banater Schwaben, Piusstraße 11, 81671 München, Telefon / Fax 089 / 45011762, E-Mail info@gerhardsforum.de bestellt werden.