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Heimat, Identität, Glaube müssen in Balance sein

Anlässlich seines Besuches in der Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft der Banater Schwaben überreichte Bundesvorsitzender Peter-Dietmar Leber dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, ein Buchgeschenk. Foto: Walter Tonţa

Der Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk, Beauftrtager der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, stattete der Bundesgeschäftstelle der Landsmannschaft der Banater Schwaben in München am 11. Dezember 2014 einen Besuch ab. Bei dieser Gelegenheit beantwortete er folgende Fragen für die Leser der „Banater Post“.

Sehr geehrter Herr Koschyk, Sie wurden vor elf Monaten zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten berufen. Welche Aufgaben sind mit diesem Amt verbunden und welche Ziele betrachten Sie als prioritär?

Ich bin für drei Bevölkerungsgruppen zuständig. Das sind die Aussiedler und Spätaussiedler in Deutschland, die in unserem Land lebenden nationalen Minderheiten und die deutschen Minderheiten im Ausland.

Bei der ersten Gruppe, den Aussiedlern und Spätaussiedlern, haben wir unterschiedliche Integrationserfolge. Natürlich sind die Aussiedler, die – dank des deutschsprachigen Schulwesens in ihren Herkunftsländern – mit guten Sprachkenntnissen zu uns gekommen sind, sehr gut integriert, weil Sprache doch der Schlüssel zur Integration ist. Ich kann heute aber auch feststellen, dass die in großer Zahl in den letzten 25 Jahren zu uns gekommenen Russlanddeutschen weitestgehend ebenfalls sehr gut integriert sind. In den neunziger Jahren gab es zwar gewisse Probleme, weil vor allem die mittlere und jüngere Generation ohne hinreichende deutsche Sprachkenntnisse hierhergekommen ist, zumal nach 1941, infolge der Deportation der Deutschen und der Zerschlagung der Siedlungsstrukturen an der Wolga und am Schwarzen Meer, die deutsche Sprache verboten war. Jedoch ist mittlerweile die sogenannte nachholende Integration gut gelungen, was auch die von meinem Amtsvorgänger in Auftrag gegebene umfangreiche Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wissenschaftlich erhärtet hat.

Wie stellt sich die Situation der nationalen Minderheiten in Deutschland dar?

Anerkannte nationale Minderheiten in Deutschland sind die Sorben, Dänen, Friesen, Sinti und Roma, deren Sprachen auch durch eine Sprachen-Charta geschützt sind. Da kommt noch eine fünfte Sprache hinzu, das ist das Niederdeutsche. Auch in diesem Bereich haben wir viel für die Teilhabe und den Sprach-erhalt der Minderheiten sowie des Niederdeutschen getan. Wir haben vor kurzem eine Sprachenkonferenz in Berlin unter der Schirmherrschaft des Bundestagspräsidenten veranstaltet, auf der uns die Vertreterin der Expertenkommission des Europarates, die frühere Außenministerin des Fürstentums Liechtenstein, Dr. Andrea Willi, erhebliche Fortschritte beim Sprachenschutz in Deutschland bescheinigt hat.

Gleichwohl dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, dass es in jüngster Zeit zu Übergriffen von Rechtsextremisten auf junge Sorben in Sachsen gekommen ist. Folglich müssen wir auch in Deutschland aufpassen, dass unsere nationalen Minderheiten nicht nur von der Politik und den Institutionen des Staates geschützt, sondern auch gesellschaftlich akzeptiert werden. Natürlich müssen wir noch daran arbeiten, was die Bildungsteilhabe der deutschen Sinti und Roma anbelangt. Da ist noch viel zu tun.

Wie schätzen sie die Lage der  deutschen Minderheiten im Ausland ein?

Dadurch, dass nahezu alle Staaten in Mittel- und Ostereuropa mit deutschen Minderheiten heute Mitglied der Europäischen Union sind, konnten große Fortschritte erzielt werden – gerade auch in Rumänien. Ich erwähne hier nur die deutsch-rumänische Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit in Rumänien. Auch in anderer Hinsicht ist Rumänien ein Vorbild, weil es viel nicht nur für die moralische, sondern auch für die justizielle Rehabilitierung vor allem der Deportationsopfer getan hat. Und dass sogar in Deutschland lebende Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen in den Genuss von Entschädigungsleistungen kommen, ist beispielgebend.

Ich bin sehr erleichtert, weil ich schon glaube, dass dieses Grundklima in Rumänien – trotz der unerfreulichen Erscheinungen im Präsidentschaftswahlkampf – jetzt mit Sicherheit durch die Wahl von Klaus Johannis auch erhalten bleibt. Aber ich habe mich schon gewundert, was da von politischer, aber auch von gesellschaftlicher, leider auch von bestimmter kirchlicher Seite im Wahlkampf geäußert worden ist. Das Wahlergebnis spricht aber für sich, und es ist für mich ein Zeichen von europäischer Reife der Mehrheit des rumänischen Volkes, dass es sich von diesen Parolen nicht hat beeindrucken lassen und Klaus Johannis ein so überzeugendes Wahlergebnis beschert hat. Von seiner Persönlichkeit wird, davon bin ich überzeugt, eine heilende Wirkung auf das gesellschaftliche Klima in Rumänien ausgehen.

Ich glaube, wir sind in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, was dort lebende deutsche Minderheiten anbelangt, auf einem guten Weg. Aber Minderheitenschutz ist nicht so vollkommen als dass man sich entspannt zurücklehnen und sagen kann, es gäbe nichts mehr zu verbessern.

Natürlich stand in diesem Jahr die Ukraine im Fokus meiner Bemühungen, aber auch da bin ich inzwischen der Überzeugung, dass die demokratische Ukraine, von der wir jetzt nach den Parlamentswahlen wirklich sprechen können, entschlossen ist, auch im Bereich des Minderheitenschutzes Defizite zu beseitigen, die es unter dem alten Regime gegeben hat.

Sorgen macht uns selbstverständlich die Situation in Russland aufgrund der allgemeinen politischen Lage. Wir können nur hoffen, dass sich das deutsch-russische, das europäisch-russische Klima bald wieder verbessern wird, sodass wir mit der russischen Seite den Dialog über die Zukunft der deutschen Minderheit in der Russischen Föderation wieder aufnehmen können.

Ich habe in diesem Jahr Usbekistan und Kirgistan besucht, wo jeweils mindestens 10.000 Deutsche leben. Und ich habe in beiden Ländern den festen Willen der Regierungen fest-gestellt, für die dort lebenden Deutschen dauerhafte Zukunftsperspektiven in enger Zusammenarbeit mit Deutschland zu schaffen. In Kirgistan ist der Vorsitzende des Volksrates der Deutschen, Valerij Dill, jetzt sogar stellvertretender Premierminister. Er hat vor kurzem Deutschland besucht.

Anlässlich der diesjährigen Sitzung der deutsch-kasachischen
Regierungskommission habe ich am eindrucksvollsten gespürt, dass auch Kasachstan sowohl die noch im Land verbliebenen 200.000 Deutschen als auch die 800.000 in der Bundesrepublik lebenden Deutschen aus Kasachstan als lebendige Brücke für unsere Beziehungen nutzen will und der Wunsch besteht, mit der Landsmannschaft der Russlanddeutschen zusammenzuarbeiten. Kasachstan hat  ein gigantisches Infrastrukturprogramm zur Modernisierung des Landes im Umfang von 25 Milliarden Euro aufgelegt. Diesbezüglich hat die kasachische Seite deutlich gemacht, dass sie bevorzugt mit Deutschland zusammenarbeiten wolle und es sehr begrüßen würde, den Sachverstand der Deutschen aus Kasachstan mit einzubeziehen.

Mein Fazit: Wenn wir die politischen Rahmenbedingungen in Europa und international so weiterentwickeln, wie wir dies in den letzten 25 Jahren getan haben, dann können wir uns vielleicht wieder an einen  Zustand annähern, dass die noch in Mittel- und Osteuropa, in Russland und in Zentralasien verbliebenen Deutschen wie auch ihre hier lebenden Landsleute eine wirkliche Brücke nicht nur im kulturellen, sondern auch im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, sozialen Bereich sein können.

In Ihrer Eigenschaft als Bundesbeauftragter haben Sie etliche Auslandsbesuche absolviert, an zahlreichen Veranstaltungen teilgenommen, unzählige Gespräche geführt. Sollten Sie eine Bilanz Ihrer knapp einjährigen Amtszeit ziehen, was würden Sie unbedingt auf der Habenseite verbuchen?

Für mich war es ganz entscheidend, mit möglichst vielen Repräsentanten und Angehörigen der drei Gruppen, für die ich politische Verantwortung trage, zusammenzutreffen. Deshalb habe ich mir zum Ziel gesetzt, in diesem Jahr die Repräsentanten der Aussiedlerverbände und der nationalen Minderheiten in Deutschland, aber auch möglichst viele Vertreter der deutschen Minderheiten in Europa und den GUS-Staaten zu treffen. Leider haben die politischen Verhältnisse es nicht zugelassen, auch Russland zu besuchen. Immerhin konnte ich ein gutes Gespräch mit dem russischen Botschafter in Deutschland, Vladimir Grinin, führen und ihn davon überzeugen, dass es deutsch-russische Zusammenarbeit im Hinblick auf dauerhafte Lebensperspektiven der deutschen Minderheit in der Russischen Föderation nicht geben kann, wenn nicht auch die Landsmannschaft hier eingebunden ist. Und ich bin dem Botschafter sehr dankbar, dass er nach unserem Gespräch den Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Russlanddeutschen, Waldemar Eisenbraun, und den Bundestagsabgeordneten Heinrich Zertik, der russlanddeutscher Herkunft ist, zu einem Gespräch empfangen hat.

Dass ein Besuch in Russland nicht möglich war, hat mich – das gebe ich offen zu – schon ein bisschen geschmerzt. Russland ist ein zu bedeutender Nachbar und Partner, und zudem haben wir dort in den letzten 25 Jahren beachtliche Strukturen zugunsten der deutschen Minderheit in Partnerschaft mit dem russischen Staat aufbauen können. Das müssen wir erhalten und deshalb müssen wir den direkten Dialog mit der russischen Seite führen.

Infolge der zahlreichen Begegnungen und des regen Austausches glaube ich jetzt nach elf Monaten im Amt zu wissen, wie es um Aussiedlerintegration und um die Lage von nationalen Minderheiten in Deutschland, aber auch um die Lebenssituation von deutschen Minderheiten im Ausland bestellt ist. Wir haben in den letzten 25 Jahren in allen drei Bereichen viel erreicht, aber – das adressiere ich gerade auch an die Politik in Deutschland – in den letzten Jahren haben wir im Zuge der Haushaltskonsolidierung in allen Bereichen sparen müssen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass derzeit im Deutschen Bundestag für alle drei Bereiche großes Verständnis vorherrscht.

Bei den Haushaltsverhandlungen für 2015 haben wir erreicht, dass vorgesehene Kürzungen verhindert und sogar – wenn ich beispielsweise an das deutsche Schulwesen in Rumänien denke – zusätzliche Förderungen durchgesetzt werden konnten. Das zeigt, dass heute im Deutschen Bundestag parteiübergreifend Verständnis auch für die haushaltsmäßige Unterstützung von Aussiedlerintegration und Schutz von nationalen Minderheiten in Deutschland wie auch von deutschen Minderheiten im Ausland herrscht.

Sie haben es bereits anklingen lassen: Dank der Bemühungen Ihrer Bundestagskollegen Alois Karl, Dr. Christoph Bergner und Dr. Bernd Fabritius konnten im Bundeshaushalt, im Etatposten des Auswärtigen Amtes, erstmals Mittel zur Förderung des deutschen Schulwesens in Rumänien durch gezielte Unterstützung der Lehrenden verankert werden. Welche Bedeutung messen Sie diesem Erfolg bei?

Ich freue mich sehr, dass mein Vorgänger im Amt, Christoph Bergner, in Kenntnis der Bedeutung des deutschsprachigen Schulwesens in Rumänien und durch seinen Besuch mit dem Berichterstatter für den Haushalt des Auswärtigen Amtes, Alois Karl, jetzt für den Bundeshaushalt 2015 eine Sonderförderung für das deutsche Schulwesen in Rumänien möglich gemacht hat.

Dass wir in Rumänien beim Thema Sprache und Schulwesen handeln mussten, zeigt, dass wir in den einzelnen Ländern oftmals unterschiedliche Konstellationen haben. In Rumänien fehlen uns im deutschsprachigen Bildungswesen nicht die Schüler, sondern die Lehrer. Diese sollen in Zukunft gezielt unterstützt werden. Anderswo müssen wir ein solches Bildungswesen erst noch aufbauen. Ich nenne hier ein anderes europäisches Land mit einer zahlenmäßig noch großen deutschen Minderheit: Polen. Hier stehen wir ganz am Anfang was den Aufbau eines deutschsprachigen, bilingualen Bildungswesens anbelangt.


Im September waren Sie in Rumänien und haben unter anderem auch das Banat besucht. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation der im Banat verbliebenen kleinen deutschen Minderheit ein? Welche Rolle kommt Ihrer Ansicht nach den deutschsprachigen Schulen, Medien und Kulturinstitutionen vor Ort zu?

Bei meinem Rumänien-Besuch hat mich sehr beeindruckt, dass die dort verbliebenen Deutschen, egal ob sie im Banat, in Siebenbürgen, im Sathmarer Gebiet oder im Buchenland leben, über nachhaltige Strukturen verfügen, dass es mancherorts eine sehr gute Kooperation mit der lokalen und regionalen Politik gibt und dass die verbliebenen Deutschen ein in sich ruhendes Selbstbewusstsein haben. Die vorhandenen Strukturen werden natürlich von Menschen bestimmt. Es sind eindrucksvolle Persönlichkeiten, die ich getroffen habe, die vor Ort wirklich mit großer Hingabe für ihre Volksgruppe tätig sind und ihre Verantwortung mit großem Engagement wahrnehmen. Das betrifft nicht nur die ältere Generation. Ich habe eindrucksvolle Persönlichkeiten der mittleren, aber auch der jungen Generation kennengelernt. Und ich habe auch gespürt, dass die Kirche – im Banat die katholische, in Siebenbürgen die evangelische – eine ganz feste Klammer bildet.

Am Ende eines Jahres im Amt versucht man, auch den Überbau des Ganzen zu denken, und ich stelle fest, dass sowohl bei der Integration von Aussiedlern und einer gleichberechtigten Teilhabe der nationalen Minderheiten in Deutschland, als  auch hinsichtlich der Zukunftsperspektiven der deutschen Minderheiten im Ausland drei Dinge in guter Harmonie sein müssen: Heimat, Identität und Glaube. Dies gelingt, wenn die Menschen es schaffen, sich entweder ihre angestammte Heimat und ihre Identität zu bewahren oder  aber – bezogen auf die Aussiedler – hier in der Bundesrepublik eine neue Beheimatung zu finden, ohne die alte Heimat kulturell und identitätsmäßig aufzugeben. Es ist Aufgabe der Politik im Großen wie im Kleinen, dafür zu sorgen, dass man das leben kann.

Im Banat hatte ich schon den Eindruck, dass dort Heimat, Identität und Glaube in einer guten Balance sind. Und für mich ist auch sichtbar – ich betone das immer wieder, weil mir das auch schon bei der Sitzung der deutsch-rumänischen Regierungskommission im Frühjahr dieses Jahres aufgefallen ist –, dass die Zusammenarbeit mit Rumänien deshalb mustergültig ist, weil auch dann, wenn wir uns ganz offiziell politisch begegnen, in der Regierungskommission zwei Gruppen mit am Tisch sitzen und zwar gleichberechtigt, mit einem vollen Verhandlungs- und Mitsprachemandat, und das ist auf rumänischer Seite das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien mit seinen regionalen Gliederungen, und es sind auf deutscher Seite die drei Landsmannschaften.

Alles, was heute an Strukturen in Rumänien vorhanden ist, ist nicht nur das Ergebnis der guten politischen Zusammenarbeit zwischen den Regierungen beider Länder, sondern auch ein Ergebnis des engen Zusammenwirkens der Landsmannschaften hier mit den Forumsstrukturen dort. Man merkt, dass diese Zusammenarbeit nicht paternalistisch ist, nach dem Motto: „Wir wissen schon, was für euch gut ist“. Die Landsmannschaften stehen auf dem Standpunkt: Ihr seid für euch selber verantwortlich, wir arbeiten gerne mit euch zusammen, wir stehen euch mit Rat und Tat zur Seite, aber wir bevormunden euch nicht. Auch das hat mich sehr beeindruckt.

Beeindruckt hat mich ebenfalls, dass über die deutsche Minderheit hinausgehende und auch ihr dienende Kultureinrichtungen vorhanden sind, wie das Deutsche Kulturzentrum in Temeswar. Dass die Vorsitzende des Deutschen Forums der Banater Jugend dort beruflich tätig ist und sich einbringen kann, finde ich bemerkenswert. Und auch die Tatsache, dass ein im deutschen Schulwesen sozialisierter, der deutschen Sprache und Kultur verbundener junger Rumäne Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar ist, hat mich sehr beeindruckt. Ich habe jetzt erst wieder eine Kritik über eine Neuinszenierung dieses Theaters gelesen, und man merkt, dass hier auch qualitativ etwas gewachsen ist.

All das zeigt, dass die dort lebenden Deutschen, die deutsche Kultur und die deutsche Sprache weit in die Gesellschaft hineinwirken. Und dass das dortige deutschsprachige Bildungswesen ein sehr gutes war und nach wie vor ist, hat jetzt der zweite Nobelpreis an einen ehemaligen Schüler des Lenau-Lyzeums – an Professor Stefan Hell – wieder eindrucksvoll gezeigt.

Gab es ein Erlebnis auf Ihrer Banat-Reise, das Sie besonders beeindruckt hat, das sich Ihnen tief eingeprägt hat?

Was mich wirklich sehr beeindruckt hat, ist die Hingabe und die Aufopferung, mit der die Menschen dort ihre Aufgaben im Dienste der deutschen Gemeinschaft wahrnehmen. Es ist Großes geschaffen worden, wenn ich an die Altenheime und Sozialstationen im Banat denke. Das soziale Engagement in diesen Einrichtungen ist eindrucksvoll. Ich bin erfreut darüber, dass man dort auch versucht, über die eigene Gruppe hinaus in die Gesamtbevölkerung hineinzuwirken. Es gibt in Rumänien noch immer schwierige soziale Verhältnisse, auch echte menschliche Not. Deshalb ist die deutsche Minderheit immer auch bemüht, die Hilfe, die wir leisten, auch anderen zugute kommen zu lassen. Das wurde mir in Billed deutlich, wo ich die Vertreter sämtlicher Sozialstationen getroffen habe. Aus Großsanktnikolaus wurde mir zum Beispiel berichtet, wie Hausaufgabenhilfe geleistet wird und wie man sich um Kinder und Jugendliche kümmert, ohne auf deren Nationalität zu schauen. Davon war ich beeindruckt.

Was ich auf meiner Banat-Reise gelernt habe, ist zum Beispiel, dass die katholische Kirche während der kommunistischen Diktatur einen hohen Blutzoll gezahlt hat. Das war mir so nicht bekannt, dass Priester und Ordensangehörige, gerade auch aus den Reihen der Banater Schwaben, sich sehr mutig gegen die Diktatur gestellt und dies mit Leib und Leben bezahlt haben. Beeindruckt hat mich sehr, dass man im Umfeld von Bischof Martin Roos bemüht ist – wie mir der Diözesanarchivar, ein junger Historiker, mitteilte –, durch wissenschaftliche Arbeit bis hin zur Einleitung von Seligsprechungsprozessen, zum Beispiel für Pater Weinschrott, dieser Persönlichkeiten zu gedenken. Denn in die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur müssen unbedingt auch die Kirche und die kirchlichen Persönlichkeiten, gerade auch deutscher Herkunft, einbezogen werden.

Was steht 2015 auf Ihrer Agenda? Gibt es besondere Projekte, die Sie auf den Weg bringen beziehungsweise weiterverfolgen wollen?

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es der Weiterentwicklung des Minderheitenschutzes bedarf. In diesem Zusammenhang unterstütze ich sehr eine auch von den deutschen Minderheiten mitgetragene Initiative der Föderalistischen Union der Europäischen Volksgruppen (FUEV), die sich „Minority SafePack“ nennt und auf eine konzeptionelle Weiterentwicklung des Minderheitenschutzes in Europa abzielt. Man hat eine Million Unterschriften für diese Initiative gesammelt, also handelt es sich um eine bedeutendsame europäische Bürgerschaftspetition gemäß dem Vertrag von Lissabon. Die alte Europäische Kommission unter José Manuel Barroso hat diese Initiative sehr formell betrachtet und behauptet, dass Minderheitenschutz keine Angelegenheit der Europäischen Union sei. Darüber kann man formaljuristischtreiten, aber ich finde diese Betrachtungsweise politisch unklug.

Deshalb habe ich jetzt eine Aktivität eingeleitet gegenüber dem neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, dem Parlamentspräsidenten Martin Schulz und dem Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), und werbe für einen politischen Dialog zwischen Parlament und Kommission auf der einen und der FUEV auf der anderen Seite.

Ich darf in diesem Zusammenhang an die kluge Botschaft von Johannes Paul II. zum Weltfriedenstag vor genau 25 Jahren erinnern. Das päpstliche Rundschreiben mit dem Titel „Um Frieden zu schaffen, Minderheiten achten“ ist nicht nur ein theologisch-philosophisch, sondern auch ein politisch bedeutsamer Text. Sinngemäß sagte Johannes Paul II., dass das tatsächliche Leben von Minderheiten und Volksgruppen in einem Staat immer auch etwas über die demokratische Reife des betreffenden Staatswesens aussage. Deshalb dürfen wir nach wie vor bemüht sein, den Minderheitenschutz konzeptionell weiterzuentwickeln. Denn eine Entfaltung von Minderheiten wird es nur in einem Staats-, in einem Gemeinwesen geben, wo die Minderheiten nicht nur toleriert, sondern voll akzeptiert sind, wo man ihre Existenz, ihre Kultur, ihre Sprache und ihre Entfaltung als Bereicherung empfindet. Der Rechtsschutz von Minderheiten ist zwar wichtig, aber nur das eine, das andere ist das gesellschaftliche Klima. Da brauchen wir Deutschen gar nicht mit dem Finger auf andere zeigen. An den Übergriffen von Rechtsextremisten auf junge Sorben merken wir, dass es diesbezüglich auch in Deutschland noch einiges zu tun gibt. Natürlich gilt Gleiches auch für andere europäische Staaten.

Daher glaube ich: Wir haben zwar viel erreicht, aber es gibt keinen Grund uns zurückzulehnen. Wir haben die Exzesse im Wahlkampf in Rumänien gesehen, wir wissen, dass wir auch in Deutschland für ein besseres Klima werben müssen, und wir erleben, dass Minderheitenfragen für machtpolitische, auch militärische Auseinandersetzungen, siehe Russland-Ukraine-Konflikt, missbraucht werden. Deshalb müssen wir noch viel tun, um wahren Frieden durch das Achten der Minderheiten zu schaffen.

Ich überlege mir auch, was wir tun können, um der innerhalb der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen bestehenden
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten festere Strukturen zu geben, damit sich die Repräsentanten der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa und den GUS-Staaten regelmäßig treffen, ihre Anliegen gemeinsam formulieren und der deutschen Politik wie auch der deutschen Öffentlichkeit mitteilen können. Vor kurzem fand in Berlin die 23. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft statt.

Ich möchte auch erreichen – ohne Dinge zu vermischen, denn das eine sind die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa und den GUS-Staaten und das andere sind die deutschen Gemeinschaften in den USA, in Kanada, in Lateinamerika bis hin nach Australien –, dass es zu einer stärkeren Vernetzung zwischen den deutschen Minderheiten und den deutschen Gemeinschaften in der Welt kommt. Auch da können sich die Landsmannschaften einbringen und eine positive Rolle spielen.

Herr Koschyk, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(Die Fragen stellte Walter Tonţa.)