zur Druckansicht

Das Volk will ein anderes Rumänien

Klaus Johannis mit der Bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm beim diesjährigen Oktoberfest im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus Temeswar. Einsender: Peter Krier

Kommentar zum Wahlsieg von Klaus Johannis - Die Deutschen darf man nie abschreiben. Sie können zur Halbzeit zurückliegen, sie können bis fünf Minuten vor Spielende im Hintertreffen sein und dann doch noch ein Spiel drehen. Die Reporterin des rumänischen Fernsehsenders Realitatea TV bemühte in der historischen Wahlnacht vom 16. November diesen Vergleich aus der Fußballwelt, um den Zuschauern die unglaubliche Nachricht vom Sieg des Klaus Johannis bei den Präsidentschaftswahlen in Rumänien zu erklären. Und weil die Deutschen mit ihrer Fußballelf Weltmeister geworden sind, durften sich an diesem Abend zumindest die Wähler und Sympathisanten des 55-jährigen Siebenbürger Sachsen, seine Landsleute, alle Deutschen aus Rumänien auch als solche fühlen.

Doch was war in diesen zwei Wochen nach dem ersten Wahlgang geschehen, dass der politische Seiteneinsteiger einen Rückstand von zehn Prozent auf seinen sozialistischen Rivalen in einen Vorsprung von zehn Prozent verwandeln konnte, dem ein Zugewinn von 25 Prozent der Stimmen zugrunde lag? In Wählerstimmen ausgedrückt: drei Millionen Rumänen mehr als im ersten Wahlgang drückten ihren Wahlstempel neben seinen Namen.

Klaus Johannis hatte im Wahlkampf gesagt, dass er anders sei. Er warb für eine Politik des soliden Handwerks, für Geradlinigkeit und Berechenbarkeit, für Rechtsstaatlichkeit und Transparenz in allen demokratischen Prozessen. Im Vergleich zu seinem dreist und aalglatt auftretenden Gegner, der sein Amt als Premierminister und seine gesamte Regierungsmannschaft dazu nutzte, im Tagesrhythmus eine soziale Wohltat nach der anderen zu verkünden, aber es gleichzeitig versäumte, einen Haushaltsentwurf mit der Gegenrechnung dieser Leistungen zu präsentieren, wirkte er manchmal schwerfällig und spröde. Mit einem solchen Politikertypus tat sich die rumänische Öffentlichkeit anfänglich schwer. Sie schätzt die geschliffene Rhetorik, den Appell an nationale Gefühle, den Bezug zu den großen Namen der Welt.

Für manche rumänische Fernsehsender und deren halbseidene Hintermänner, ein Filz aus politischen und wirtschaftlichen Begünstigungen, der bis vor 1989 reicht, war der Kandidat Johannis deshalb ein gefundenes Fressen. Sie griffen in alle Schubladen persönlicher Verleumdungen und Anfeindungen, mit Vorliebe in die untersten, und erreichten das genaue Gegenteil.

Je mehr sie auf Johannis eindroschen und eintraten, desto stärker regte sich der Widerstand bei jenen, die ihrer eigenen Urteilskraft vertrauten. Sie erhielten dabei Unterstützung von den Millionen Auslandsrumänen, deren Wahlrecht durch die Regierung in Bukarest durch bürokratische Hürden bewusst massiv eingeschränkt worden war. Die Bilder der endlosen Schlangen, die um die Welt gingen, waren eines EU-Mitgliedstaates unwürdig und konterkarierten das Bemühen der Angehörigen der diplomatischen Vertretungen, trotz der aus Bukarest auferlegten Hürden, einen ordentlichen Wahlgang zu leisten.

Was folgte, wird in die Geschichtsbücher eingehen: 25 Jahre nach der politischen Wende in Rumänien entwickelte eine junge Generation einen neuen und offenen Diskurs abseits eingetretener Pfade. Sie rief via Facebook ihre Angehörigen in Rumänien dazu auf, zur Wahl zu gehen. Sie sollten für jenen Kandidaten stimmen, dem sie trotz stundenlangen Anstehens vielleicht gar nicht mehr ihre Stimme abgeben könnten. Das Rufen wurde erhört. Je fortgeschrittener die Stunde, desto mehr Stimmen fuhr Johannis ein, das haben die ersten Untersuchungen der Wahlforscher bestätigt. Über 80 Prozent der Rumänen im Ausland stimmten für Johannis, aber auch in der Hauptstadt Bukarest und den roten Bastionen Pontas im Süden und Osten Rumäniens wendete sich das Blatt. Die vielen Unentschlossenen, die zur Wahl gingen, wie auch viele Wähler der im ersten Wahlgang angetretenen Kandidaten hoben den Kandidaten der noch zerbrechlich wirkenden christlich-liberalen Allianz in das höchste Amt im Staat. Jeder dritte Wähler in Rumänien gab an, dass die Wahlbehinderung im Ausland durch die Regierung Ponta ihr Wahlverhalten beeinflusst habe.

Die rumänische Verfassung räumt dem Präsidenten eine relativ starke Position ein. Johannis wird sie nutzen müssen, um Recht und Rechtswirklichkeit wieder in Einklang zu bringen. Er hat hierfür einen großen Vertrauensvorschuss erhalten.