zur Druckansicht

Fremdrentengesetz - Benachteiligung vermeidbar

Wichtige rechtliche Änderungen 2011 in Deutschland und in Rumänien führen zu der Notwendigkeit, die möglichen Dispositionen bei Antragstellung auf Renten mit Anteilen nach dem Fremdrentengesetz (FRG) (Zeiten im Herkunftsgebiet) in Deutschland neu zu bewerten. Nach dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union am 1. Januar 2007 gilt eine Antragsgleichstellung im Rentenrecht mit weitreichenden Folgen (siehe dazu „EU-Beitritt Rumäniens – Rechtliche Auswirkungen“). Um negative Folgen für die Rentenzahlung zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, den Leistungsbeginn in anderen Vertragsstaaten (Rumänien) im Falle der Altersrentner aufzuschieben (Art. 44 VO 1408/71, jetzt Art. 50 VO (EG) 883/2004). Die Nutzung dieser gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeit wurde von den Rentenbehörden in der Vergangenheit durch einen Fiktivabzug sanktioniert, der zu vielen Rechtsstreitigkeiten geführt hatte. Nach Zusicherung der Rentenbehörden, lediglich zugehende Beträge auch gemäß § 31 FRG anzurechnen und das Zahlungsrisiko zu übernehmen, wurden diese Streitigkeiten vergleichsweise beendet. Die Rentenbehörde hat dabei stets betont, Betroffene hätten keine wesentlichen Nachteile zu tragen, es handele sich um ein „Nullsummenspiel“. Der Fiktivabzug wurde durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 11. Mai 2011 allgemein für unzulässig erklärt (siehe „Fiktivabzug unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt“).

Neue Rechtsänderungen in Rumänien und in Deutschland führen nun dazu, dass sich die Grundlagen für einen Verzicht auf das Aufschubrecht geändert haben: zum 1. Juli 2011 ist eine Rechtsvorschrift in Kraft getreten, nach der auch Rentenleistungen aus dem Herkunftsgebiet der
Beitragspflicht in der Krankenversicherung in Deutschland unterliegen. Damit wurde eine einschlägige Vorschrift der EU-Verordnung 883/2004 in Deutschland umgesetzt. Gleichzeitig dürfen nach Art. 30 der gleichen Verordnung im Gegenzug im Herkunftsgebiet keine Beiträge zur Krankenversicherung mehr abgezogen werden. Dies wird aber seit dem 1. Januar 2011 in Rumänien unter Berufung auf eine Änderung des Cod fiscal (Art. 296 CF) so praktiziert. Durch einen Dringlichkeits-erlass der Regierung zur Bewältigung der Haushaltskrise wurde für alle Rentenbeträge, die den Betrag von 740 RON (Lei) überschreiten, eine Beitragspflicht in Höhe von 5,5 Prozent festgesetzt. Betroffene unterliegen damit einer doppelten Kürzung. Zudem hat Rumänien im gleichen Gesetz eine Steuerpflicht der Renten in Höhe von weiteren 16 Prozent ab einer Rentenhöhe von 1000 RON (nach Abzug der Krankenkassenbeiträge) vorgesehen (Art. 70 CF).

Die deutsche Rentenbehörde zieht jedoch unter Berufung auf europäische und nationale Normen trotz dieser Kürzungen in Rumänien den Bruttobetrag der rumänischen Leistung gemäß § 31 FRG von der deutschen Rente ab. Damit werden im Ergebnis Betroffene grob benachteiligt von einem „Nullsummenspiel“ kann nun keine Rede mehr sein. Besonders durch die andere Steuerlast in Rumänien werden Betroffene, die in Deutschland Lebenshaltungskosten aufbringen müssen, im Ergebnis auf die viel geringeren Steuerfreibeträge aus Rumänien verwiesen (Vollbesteuerung ab ca. 230 Euro Rentenhöhe).
Fallbeispiel: Bei einer Rentenhöhe in Rumänien von brutto 1500 RON werden dort 83 RON Krankenversicherung und 67 RON Steuer abgezogen. Ausgezahlt werden lediglich 1350 RON. Die Rentenbehörde rechnet aber den Gegenwert von 1500 RON an. Dabei handelt es sich um eine deutliche Benachteiligung, der durch Abgabe einer Aufschuberklärung gemäß Art. 50 VO (EG) 883/2004 entgegengewirkt werden kann. Eine solche Erklärung ist zur Wirksamkeit schriftlich schon im Antragsverfahren in Deutschland an die Rentenbehörde zu senden. Sie kann abgegeben werden, solange in Rumänien noch kein Rentenbescheid erlassen wurde (Wortlaut: „Hiermit erkläre ich den Aufschub des Leistungsbeginns in Rumänien gemäß Art 50 VO (EG) 883/2004. Einen Verzicht erkläre ich ausdrücklich nicht.“). Wenn Rentenbehörden darauf mit unzulässigen Fiktivabzügen reagieren, so ist dagegen Widerspruch und Klage einzulegen.

Pläne, nach welchen ein bestimmter Anteil der Auslandsrente pauschal anrechnungsfrei zu belassen ist, um Leistungsnachteile auszugleichen, wurden von unserem Verband zwar dringend als Nachteilsausgleich befürwortet, jedoch vom Gesetzgeber nicht umgesetzt. Über die weitere Entwicklung werden wir informieren. Rat und Hilfe erteilen Rechtsanwälte mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet des Fremdrentenrechts und des europäischen Sozialrechts.
Fiktivabzug unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt
Am 11. Mai 2011 hat das Bundessozialgericht entschieden: Die Rentenbehörden dürfen keinerlei fiktiven Abzug von der deutschen Rente gemäß § 31 Fremdrentengesetz (FRG) vornehmen, wenn Antragsteller im Falle von Altersrenten erklären, die Rente aus Rumänien aufzuschieben. In dem nunmehr zugestellten Urteil hat das Bundessozialgericht als höchstes Gericht der Sozialgerichtsbarkeit in Deutschland gleich mehrere Grundsätze allgemein klargestellt und damit alle von den Klägern vorgetragenen Positionen bestätigt (Urteil B 5 R 8/10 R vom 11. Mai 2011).

Fiktivabzug als Ruhensbestimmung separat anfechtbar - Zuerst hat das Bundessozialgericht mit einer von den Rentenbehörden zweckorientiert praktizierten und besonders vom Sozialgericht in Augsburg unterstützend vertretenen Fehlmeinung aufgeräumt: Die Anwendung der Ruhensbestimmung des § 31 FRG zur Begründung eines Fiktivabzuges wurde als Berechnungsbestandteil des Ausgangsbescheides angesehen, was dazu führte, dass negative Widerspruchsbescheide sofort umgesetzt und Betroffene mit dem rechtswidrigen Fiktivabzug direkt konfrontiert wurden. Der Auffassung der Betroffenen, es handele sich bei der Kürzung als Ruhensfestlegung um eine gesondert anfechtbare Entscheidung (mit der Folge, dass Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung haben und die ungekürzte Rente bis zur abschließenden Entscheidung gezahlt werden muss), wollten die Behörden und Sozialgerichte nicht folgen. Nun hat das Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt: Die Rechtsposition der Betroffenen war richtig und die der Behörde und des Sozialgerichtes falsch: Demnach wären bei zukünftigen Fällen die Ruhensbescheide separat anzugreifen, die Behörde müsste zuerst die ungekürzte Rente weiterzahlen. Um die Zahlung vor Rechtskraft der Entscheidung einzustellen, müsste die Rentenbehörde besondere Gründe bei Gericht im einstweiligen Rechtsschutz geltend machen und beweisen.
Aufschuberklärung bei Altersrenten ausdrücklich zulässig.

Auch die inhaltliche Position, die für die Kläger vorgetragen wurde, hat das Bundessozialgericht (BSG) ausdrücklich als richtig bestätigt: Der Gesetzgeber hat die Kürzung einer Rente gemäß § 31 FRG ausdrücklich an die „Auszahlung“ einer Leistung aus dem Ausland geknüpft. Hierzu führte das BSG aus: „Der Begriff ausgezahlt stellt zweifelsfrei auf die tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente ab (…). Diesem Verständnis entsprechen Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese dienen der Vermeidung von Doppelleistungen. Eine Doppelleistung liegt aber schon nach allgemeinem Sprachverständnis nur vor, wenn der Betroffene die Leistung tat-sächlich zweifach erhält.“ Damit stellt das BSG zweifelsfrei klar: Wird eine Leistung nicht doppelt bezogen, darf auch nichts gekürzt werden. Dass die Leistung aus Rumänien nur deswegen nicht gezahlt werde, weil die Betroffenen hier eine Aufschuberklärung abgegeben hätten, sei unerheblich, weil dies den Betroffenen vom Gesetzgeber „ausdrücklich gestattet“ worden sei: „Ist dem Versicherten aber ausdrücklich gestattet, die bilaterale bzw. europaweite Wirkung des Rentenantrages einzuschränken und damit eine bestimmte Rentenleistung aus Rumänien oder einem anderen Mitgliedstaat der EU nicht in Anspruch zu nehmen, wäre es im Kontext des zwischenstaatlichen bzw. europäischen Rechts widersprüchlich, ihn bei Bezug der deutschen Rente zu seinem Nachteil doch so zu stellen, als würde er die ausländische Rente erhalten.“

Nutzung des Aufschubrechtes - Abgewiesen hat das BSG auch den Vorwurf der Rentenbehörden, die Nutzung dieses Rechtes sei rechtsmissbräuchlich: „Von einem Rechtsmissbrauch könnte nur gesprochen werden, wenn der Kläger von dem ihm gesetzlich eingeräumten Aufschubrecht bewusst einen ausschließlich funktionswidrigen Gebrauch gemacht hätte. Dieses wiederum setzt voraus, dass die Ausübung des Aufschubrechtes gesetzlich bestimmten Einschränkungen unterliegt bzw. das Recht nur zu bestimmten Zwecken ausgeübt werden darf.“ Eine solche Zweckbindung, wie die Rentenbehörden unterstellt hätten, existiere jedoch nicht. Das vorgebrachte Argument eines Rechtsmissbrauchs sei daher weder allgemein noch in Abhängigkeit des Einzelfalles durchgreifend.

Regelungen des Verzichts bei Auslandsrenten nicht anwendbar
Abgelehnt hat das Bundessozialgericht auch die bisher mit einer Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg begründete Rechtsmeinung, dass, wenn ein Verfahren einmal eingeleitet wurde, nachträglich nicht auf die Rente aus Rumänien verzichtet werden könne. Eine entsprechende Entscheidung (zu einer polnischen Rente) hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg schon am 24. April 2003 getroffen (AZ. L 10 RA 4929/00) und den Verzicht auf eine Auslandsrente als Grund für einen Rentenabzug gemäß § 46 SGB I angesehen. Dazu hat das Bundessozialgericht nun klargestellt: „Nach § 46 Abs. 2 SGB VI ist der Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen (im Sinne dieser Vorschrift; Anmerkung des Verfassers) unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Der Anspruch des Klägers auf eine rumänische Altersrente ist kein Anspruch auf eine Sozialleistung im Sinne des § 46 SGBI.“ Damit ist der nachträgliche Verzicht auf diese Leistung jedenfalls nicht nach dieser Vorschrift verboten, sondern zulässig, wenn darin kein Rechtsmissbrauch vorliegt. Von einem solchen darf nicht ausgegangen werden, wenn Betroffene durch den Verzicht auf die Leistung aus dem Ausland einen finanziellen Nachteil vermeiden.

Ein solcher Nachteil kann z. B. durch eine viel höhere Steuerlast oder einen ungünstigen Umtauschkurs eintreten. Wenn Betroffene nach den Änderungen des Steuer- und Beitragsrechtes in Rumänien (siehe Folge 12 vom 31. Juli 2011, Seite 1) einen Nachteil dadurch haben, dass in Deutschland mehr abgezogen als aus Rumänien tatsächlich gezahlt wird, kann ohne Nachteil durch § 46 SGB I ein Verzicht erklärt werden. Dieser Verzicht ist in Rumänien seit Schaffung des neuen Rentengesetzes 263/2010 zulässig (Art. 114, Abs. 4). Wird die Rente aus Rumänien dann eingestellt, darf in Deutschland auch nichts mehr abgezogen werden.

Keinen vorschnellen Verzicht erklären - Es wird trotz dieser Klärung durch das BSG und Aufgabe der Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 24. April 2003 davor gewarnt, bei geringen Unterschieden in den Zahlungen vorschnell auf Leistungen aus Rumänien zu verzichten: Auch wenn gemäß Artikel 115 des Gesetzes 263/2010 eine Wiederaufnahme der Zahlung in Rumänien auf Antrag möglich ist, sind Komplikationen bei mehrfachem Verzicht und Wiederaufnahmeanträgen nicht auszuschließen.

Rat und Hilfe erteilen Rechtsanwälte mit Erfahrung im Fremdrentenrecht und Sozialrecht.