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Selbst die Glocken kann man hören

Ein maßstabsgetreues Modell der Lenauheimer Kirche kann im Donauschwäbischen Zentralmuseum besichtigt werden. Fotos: DZM

Das von Johann Menser gebaute Modell der Lenauheimer Kirche besticht durch seine akribische Liebe zum Detail.

Zweifellos gehört die römisch-katholische Kirche von Lenauheim zu den herausragenden Zeugnissen der Banater Kirchenbaugeschichte des 18. Jahrhunderts. Diese Feststellung ist einerseits ihrer besonderen Baugeschichte und andererseits der herausragenden stilistischen Gestaltung geschuldet. Zur umfangreichen Geschichte des Ortes, der als Geburtsort des Dichters Nikolaus Lenau weit über die Grenzen des Banats hinaus bekannt ist, kann mit der Aufnahme eines Modells der römisch-katholischen Kirche von Lenauheim ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden.
Im August 2023 haben die Töchter von Johann Menser aus Lenauheim dem Museum ein beeindruckendes Modell dieser Kirche übergeben, dass ihr Vater ausgeführt hat. Initiiert von Johanna Stöhr konnte so die Sammlung um ein wichtiges Zeugnis der Banater Baugeschichte ergänzt werden.
Dabei besticht das Modell – neben der besonders qualitätsvollen Arbeit – vor allem durch seine Detailtreue. Nicht nur dem Gesamtbau, sondern vor allem auch der Innenausstattung schenkte Johann Menser höchste Aufmerksamkeit, so dass neben der Orgel auch der Blasebalg, sämtliche Nebenaltäre und das Taufbecken wie auch die Sitzbänke zu finden sind. Selbst die Beleuchtung ist funktionsfähig und es ist außerdem möglich, die Glocken der Kirche zu hören.
Der Ort Tschatad, später Lenauheim, war eine Neugründung des Impopulationsdirektors Hildebrand auf einem ehemaligen Prädium. Wie die Quellen berichten, wurde Tschatad 1767 mit 202 Häusern sowie einem Schulhaus und einem Pfarrhaus errichtet. Den Grundriss des Ortes bildet ein Rechteck, das in westöstlicher Richtung von einer Hauptstraße quergeschnitten wurde. Einen Platz im Dorfzentrum errichtete Hildebrand nicht. Im Zentrum des Ortes blieb aber die südöstliche Eckparzelle unbebaut. Südlich davon wurden das Pfarrhaus und die Schule errichtet. Noch im Ansiedlungsjahr erfolgte die Einrichtung einer selbständigen Pfarrei, die durch die Kammer dotiert wurde. Im Oktober 1767 reichte der Provinzialingenieur Steinlein bei der Administration einen Plan für den Bau einer Pfarrkirche ein, die in Tschatad und in den Orten Klein-Jetscha, Grabatz, Sackelhausen, Neudorf und Sefdin gebaut werden sollte. Die geplante Kirche wurde aber in Tschatad nicht realisiert. Bis zum Bau des ersten Bethauses fand der Gottesdienst in einer Kapelle statt, weil 1768 seitens der Hofkammer verfügt wurde, dass wohl in Hatzfeld eine Kirche zu errichten sei, in den übrigen Orten wie Engelsbrunn, Jetscha, Tschatad und Grabatz sollte noch abgewartet werden. Im Zustandsbericht über die Kirchen und Pfarrhöfe aus dem Jahr 1771 vermerkten die Provinzialingenieure, dass in Tschatad eine Kirche notwendig wäre. Bis 1775 wurden die Planungen konkretisiert. Kostka schrieb dazu: „Allhier ist auch eine ganz neue Kirchen, von gutten Materiale nach größerer Gattung zu Erbauen“. Für diesen Bau wurde eine Gesamtsumme von 4950 Gulden veranschlagt. Nach wiederholten Bittschriften der Gemeinde und mit der Unterstützung des Bischofs Emmerich Christovich begann 1777 der Bau einer neuen Kirche. Der Plan für die neue Pfarrkirche wurde von Abbé Gruber und Johann Georg Müller entworfen. Die Kirche die 1777 und 1778 errichtet wurde, musste bereits 1784 restauriert werden, 1823 erfolgte eine erneute Restaurierung, die dem Bau die endgültige gegenwärtige Form gab.
Nur die Pfarrkirchen von Tschatad/Lenauheim und Großjetscha können aufgrund ihrer stilistischen Gestaltung nicht vollständig in die Gruppe der Banater Landkirchen eingeordnet werden. Der Grundriss entsprach noch immer einer Saalkirche, die aber durch ellipsenähnliche und kreisrunde Elemente von den anderen Kolonistenkirchen deutlich unterscheidbar gestaltet ist. Die großen Wandflächen werden durch Pilaster und Lisenen aufgelockert und geben dem Innenraum durch kantengestufte Vorsprünge und muldenartige Vertiefungen einen bewegten Ausdruck. Die dreijochige Einteilung des Raumes folgt dem Schema A-B-A, dabei erscheint der Abschnitt B deutlich vergrößert. Auch der Chor wurde nicht wie sonst üblich eingezogen ausgeführt. Die Apsis des Chores wurde konkav mit einem Rundfenster gestaltet. Die Sakristei befindet sich auf der Nordseite des Chores (links vom Chor). Das Langhaus wird von je zwei Rundbogenfenstern beleuchtet. Ursprünglich war der Innenraum mit einem Tonnengewölbe geschlossen. Die gesamte Konstruktion war aber derart instabil, dass sie schon 1784 abgetragen und durch eine Holzdecke ersetzt werden musste. Da auch diese 1823 eingestürzt war, musste endgültig eine Flachdecke eingezogen werden, weil die Wände unter der Last der Gewölbe einzustürzen drohten. Auch die Wölbung des Chores wurde schließlich abgetragen. Die bewegte Innenraumgestaltung wurde an der Außenfassade nur zum Teil fortgesetzt. So wurde die Eingangsfront wieder mit einem eingezogenen Fassadenturm ausgestattet und durch vier Pilaster mit dorisch nachempfundenen Kapitellen vertikal gegliedert.
Über dem rechteckigen Eingangsportal mit waagerechter Verdachung befindet sich ein medaillonartiges Fenster mit einfachem Profil. Dem trapezförmigen Giebelaufsatz mit konkaven Rändern und Pilastergliederung wird ein streng wirkender Dreiecksgiebel vorgeblendet, der von einem sehr kleinen Rundfenster durchbrochen wird. Auch das Turmgeschoß wird nur durch Pilaster an den Rändern und Rundbogenfenster mit eingestellten Pilastern gegliedert. Den Abschluss des Turmes bildet eine vermittelte welsche Haube. Der insgesamt voluminöse Eindruck wird durch Wandrundungen, die die Schauseite flankieren und wie Säulenstützen unter dem Satteldach erscheinen, unterstrichen. Zusätzlich unterstützt wird diese massive Wirkung durch horizontal und parallel zueinander verlaufende Kannelierungen, die vom niedrigen Sockel bis zum Dachgesims reichen. Diese Streifenprofile wurden als Mörtelverputz um die gesamte Wandung der Kirche herumgeführt, so dass auch die Seitenwände gegliedert wurden.
Im Vergleich zu den Bauwerken der Provinzialingenieure Steinlein und Kostka wirkt vor allem die Fassade der Tschatader Kirche außerordentlich streng und ist in Einzelelementen bereits klassizistischem Formenvokabular verpflichtet. Die formale Auffassung der Westwand mit ihrer portikusähnlichen Gestaltung, wenn hier auch nur als zeichnerische Idee, erinnert an gleichzeitige klassizierende Bauten.
Im Gegensatz zu dieser Gestaltung der Außenpartien steht die bewegte Innenraumgestaltung, die deutlich auf das Stilempfinden der Mitte des 18. Jahrhunderts weist. Anders als geplant, erfolgte die Gestaltung des Turmhelms, der durch die Staffelung mit einem geschweiften großen Unterteil, einem eingelegten breiten Mittelstück und dem stark verjüngten Oberteil eine sehr dynamische Form erhalten hätte. In Tschatad/Lenauheim wurde dieser Turmhelm nicht ausgeführt. Auch die Erbauer der Pfarrkirche von Großjetscha verzichteten bei der Gestaltung des Turmhelmes auf die Planvorgaben.
    

Quellen:
Tafferner, Anton: Quellenbuch 1974
Bräuner, Hans: Lenauheim-(Tschatadt). Ein Heimatbuch. Hrsg. Heimatortsgemeinschaft. o. O. 1982. Schematismus 1858. S. 86. HKA. Wien. B. A. Fasz. 23. r. Nr. 24. (Oktober 1768). Kartensammlung Sign. Rb 64.
Schematismus 1858. Nr. 137. Fol. 165-167. (14. November 1768). Fasz. 30. r. Nr. 330. (März 1771). r. Nr. 137. Fol. 37. (18. Juli 1775).