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Ein Mittagessen mit Franz Beckenbauer - Ein Banater Schwabe erinnert sich

Berthold Martin kam mit Franz Bekkenbauer ins Gespräch. Foto: privat

Mein Mittagessen mit Beckenbauer fand im Büroraum im Stadion Silverdome in der Detroiter Vorstadt Pontiac statt. Nach dem Brauch in den USA ist die Hauptmahlzeit des Tages am Abend gegen 18 Uhr, also ist das Mittagessen eine leichtere Mahlzeit. In der Stadionküche vorbereitet, gab es Hamburger (mit gebratenem Hackfleisch, Käseschnitte und Tomatenschnitte auf weicher Sondersemmel), in heißem Öl gesottene Kartoffelschnitzen (French Fries), dazu eine Brauselimonade, also ein Kracherl, wie das so schön heißt im oberbayerischen Dialekt.
Wir unterhielten uns über den Fußball in den USA, die Förderung durch ihn und Pele, zu welch großen Schritten er und Pele dazu beigetragen hatten. Der Amateurfußball und deutsche Vereine waren auch ein Thema. Ich unterrichtete Beckenbauer über die Errungenschaft des Banater Vereins Carpathia, der mit seiner Mannschaft erstmals in der Fußballgeschichte des Staats eine Landesmeisterschaft des US-Fußballverbands nach Michigan brachte. Die Detroiter Carpathia Kickers wurden US-Landesmeister der Amateure im Jahr 1962. Im Kader der Meistermannschaft befanden sich 14 Banater Schwaben. Ich war einer von ihnen, mein Posten war Linksaußen.
Die WM war ein weiteres Thema, nämlich das von Linienrichter Bakhramov aus Aserbaidschan gegebene und nie bewiesene 3:2 Englands bei der WM 1966 in der Verlängerung, in der Beckenbauer mit dem Arm in der Schlinge spielte. Auch den Titel bei der WM 1974 in Deutschland besprachen wir, zu der ich meine gesamte Familie, meine Frau Sylvia und die Töchter Debra und Tamara, nach Deutschland brachte. Die Familie blieb in Bad Reichenhall, während ich zu den Spielen reiste. Das war ein tolles Erlebnis, als Gerd Müller den zweiten Treffer, den Siegestreffer, im Finale ins Netz schoss!
Noch etwas aus der Gegenwart: Bei den am 15. Januar 2024 in London von der FIFA verkündeten Weltbesten im Fußball hielt Beckenbauers Weggefährte Paul Breitner eine kurze Rede zu Beckenbauers Ableben. Breitners Vater war der Platzwart beim ESV Freilassing in der B-Klasse des Amateurbereichs in Oberbayern. Auf dem Platz, auf dem Klein-Paul seine ersten Schritte im Fußball machte, spielte ich mit der Auswahl der Oberrealschule mit  Gymnasialabteilung Bad Reichenhall gegen die Jugend des ESV Freilassing, als Paul Breitner noch in der Schülerelf war. Zum 5:2-Sieg trug ich einen Elfmetertreffer bei, zum 3:2-Zwischenstand. Viele Jahre später, im Sommer 1993, traf ich Paul Breitner wieder auf der Pressetribüne in Chicago im Stadion Soldier Field, wo die Deutsche Nationalmannschaft sich auf die WM 1994 vorbereitete.
Das Stadion Silverdome, wo Franz Beckenbauer und ich zusammen ein Mittagessen einnahmen, ging in die Geschichte des Weltfußballs ein. Bei der WM 1994 in USA wurde Silverdome das erste Stadion, in dem ein WM-Spiel in einem gänzlich überdachten Stadion stattfand. Die Überdachung war permanent, sie konnte nicht geöffnet werden.
Berthold Martin  spielte in seiner Jugend Fußball bei den Detroit Carpathia Kickers und ist bis heute als Sportreporter tätig. Er ist  einer der wenigen Banater Schwaben, die Franz Beckenbauer persönlich begegnet sind, als dieser beim US-Verein Cosmopolitan New York als Spieler engagiert war. Sein Nachruf auf Beckenbauer erschien am 27. Januar 2024 in der deutschsprachigen NY-Staats-Zeitung.