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„Wir waren uns lange fremd“ - Die Rückkehr der Mutter aus der Deportation

Katharina Becker, geb. Adam, aus Kreuzstätten (rechts) wurde im Januar 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Foto: privat

Unauslöschlich eingeprägt hat sich in meinem Gedächtnis die Verschleppung der Deutschen 1945 nach Russland. Dort mussten sie Zwangsarbeit zum Wiederaufbau der Sowjetunion leisten. Es war eine Tragödie. Von Kreuzstätten wurden viele zur Zwangsarbeit verschleppt, manche kamen nicht mehr zurück. Meine liebe Mama musste vom 5. Januar 1945 bis zum 30. Oktober 1949 als Zwangsarbeiterin in der Kohlengrube arbeiten, unter unmenschlichen Bedingungen. Ihre Erzählungen von dieser Zeit waren so schrecklich, dass ich auch heute kaum Worte dafür finde. Die große Hungersnot, es gab nur Krautsuppe, es kam zu vielen Krankheiten, kein Arzt war da, keine Hilfe, so starben viele. Dazu die Kälte, es waren minus 40 Grad, man war diese Kälte nicht gewohnt und so erfroren viele schon auf dem Weg zur Arbeit. Heraus konnten sie nicht, da das Lager mit Stacheldraht umzäunt war. Versuchte trotzdem jemand zu fliehen, wurde er sofort erschossen. Welch ein Leid, welche eine Demütigung! Warum, wieso? Es waren unschuldige Menschen! Wir Kinder blieben bei unseren Großeltern, da unsere Väter im Krieg waren und viele da auch gefallen sind. Die jungen Soldaten waren Kanonenfutter.
Ich blieb bei meinen Großeltern Franz Adam und Magdalena, geborene Blatt, in Kreuzstätten. Im Oktober 1949 kamen die Zwangsdeportierten nachhause, sofern sie noch am Leben waren. Ich war vier Jahre alt, als meine Mama verschleppt wurde und neun Jahre alt, hochgewachsen und scheu, als sie heimkam. Als meine Mama dastand – wir kannten uns nicht. Meine Oma sagte: „Schau Kathi, das ist deine Adelheid!“ Und zu mir sagte sie: „Schau Adelheid, das ist deine Mama!“ Ich war stolz, eine so schöne und hübsche Mama zu haben. Lange Zeit waren wir uns fremd.
Als wir in Kreuzstätten ankamen, gingen wir in die Kirche, denn es war ein Hochamt, eine Dankesmesse für die Russlandheimkehrer. Als wir alle in der Kirche waren, sang der Chor „Großer Gott wir loben Dich“. Alle sangen mit und weinten vor Freude.    
 

Adelheid Hnatusko, geb. Becker, kommt aus Kreuszstätten und lebt heute in Steyr in Österreich. Ihre Mutter Katharina Becker, geborene Adam, wurde im Januar 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert und kehrte im Oktober 1949 nach Kreuzstätten zurück.