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„Auch heute stehe ich dazu: Es war richtig, so zu handeln“

Zweiundzwanzig Jahre in geheimer Mission: Dr. Heinz Günther Hüsch erinnerte in seiner Dankesrede an den „Kampf der Worte, der Argumente und auch des Geldes“, den er von 1968 bis 1989 mit der rumänischen Seiteausfocht, um 226.000 Deutschen aus Rumänien das Tor zur Freiheit zu öffnen. (Foto: Karin Bohnenschuh)

Am Tag der Beisetzung von Dr. Heinz Günther Hüsch wollen wir an seine Dankesrede zur Verleihung der Prinz-Eugen-Nadel, am Heimattag 2014 in Ulm, erinnern.

Exequien und Beisetzung am Freitag, 3. November
Ehrung - Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1990), Ritter des Gregoriusordens (1980), Rekeliserorden (1995).
Trauer - Die Exequien werden gehalten am Freitag, 3. November, um 9.30 Uhr in der Basilika St. Quirin; Beisetzung anschließend (11.15 Uhr) auf dem Hauptfriedhof an der Rheydter Straße.

In Anerkennung seines Wirkens und seiner außerodentlichen Verdienste um die Volksgruppe der Banater Schwaben beschloss der Bundesvorstand der Landsmannschaft damals, Dr. Heinz Günther Hüsch mit der Prinz-Eugen-Nadel, der höchsten Auszeichnung unseres Verbandes, zu ehren. Den feierlichen Rahmen für die Verleihung der Auszeichnung bot die Festkundgebung zum Heimattag der Banater Schwaben am Pfingstsonntag in der Ulmer Donauhalle. Dr. Hüsch war mit Gattin und Tochter angereist. Abgedruckt wurde diese in der "Banater Post" Nr. 13 Jahrgang 58, vom 5. Juli 2014:

Herr Landtagspräsident, Herr Oberbürgermeister, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!

Friedrich von Schiller, der große deutsche Dichter, hat in seinen „Worten des Glaubens“ zugerufen: „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, / Und würd’ er in Ketten geboren.“ Wir alle sind nicht in Ketten geboren, aber viele von uns, viele Deutsche, viele Deutsche in Rumänien – die Banater, die Siebenbürger, die Landler, die Zipser, die Sathmarer und die Berglanddeutschen – haben die Ketten der Unfreiheit über Jahrzehnte ertragen müssen und oft unter Schmerzen gespürt. Nun aber sind sie frei.

Es waren die Schwaben, die im Banat in Jahrhunderten verwaiste und leere Landschaften in blühende und fruchtbare Felder verwandelt haben, heimatstarke Dörfer und lebendige Städte geschaffen, gepflegt und erhalten haben, Städte von Weltruf und
Ansehen – tüchtige Deutsche, darunter manche, die durch ihr Wirken der gesamten Menschheit gedient haben und noch mehr ihrem Land gedient haben – Rumänien. Sie hätten die Dankbarkeit des Staates erwarten dürfen, in dem sie lebten, in dem sie
gearbeitet hatten und in dem sie glücklich gewesen waren. Stattdessen lud das unsägliche politische System kollektive Verantwortung auf sie ab, nahm die deutschen Bürger als Pfand, schickte Zigtausende für Jahre zur Zwangsarbeit in die russischen Bergwerke, verschleppte 12.000 andere in die unwirtliche Bărăgan-Steppe. Viele gingen elend zugrunde. Mehr noch: Das System entwurzelte willkürlich Familien aus ihrer angestammten Heimat und siedelte sie zwangsweise um, Enteignungen, Vertreibungen, Benachteiligungen, Verweigerung der bürgerlichen Rechte, geheimdienstliche Nachstellungen folgten. Im gesamten Ostblock verbot das kommunistische System vor allem die Freizügigkeit, ein Menschenrecht unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Noch 22 Jahre nach Ende des unsäglichen Krieges verschloss sich dieser Ostblock insgesamt fast allen Forderungen, wenigstens menschliche Wunden zu schließen, die der Krieg geschlagen hatte. Auch Rumänien weigerte sich, getrennte Familien wieder zusammenzuführen, obwohl auch Rumänien sich in internationalen Verträgen, darunter in der 19. Roten-Kreuz-Konvention von Wien, dazu verpflichtet hatte. Misswirtschaft, Mangel, Willkür, Korruption, Bespitzelung, Benachteiligungen vielfältiger
Art zerstörten zunehmend alle Hoffnungen, die in der Nachkriegszeit aufgekeimt waren. Sie nahmen insbesondere der jungen Generation ihre Chancen und versagte ihr den Anspruch und das Recht auf persönliches Glück.

Als die Bundesrepublik und Rumänien 1967 diplomatische Beziehungen aufnahmen, war es nunmehr umso mehr Anliegen, Aufgabe und politische Pflicht des freien Teils Deutschlands, für alle Deutschen einzutreten. Daraus wurde die größte humanitäre
Aktion, die die Geschichte kennt. Unter Bundeskanzler Georg Kiesinger entschied sich die Bundesrepublik, das zunächst als unmöglich Erscheinende anzugehen und denen, die noch in Unfreiheit lebten, unter Zwang und Mangel leiden mussten, zu helfen. 22 Jahre dauerte dieser Kampf – ein Kampf ohne Waffen, aber ein Kampf der Worte, der Argumente und auch des Geldes. So konnten fast 226.000 Deutsche aus Rumänien in die Freiheit geleitet werden. Leider blieben unsere weiteren Bemühungen, die Lebensverhältnisse der Deutschen, die in Rumänien verbleiben wollten oder mussten, zu verbessern, ohne entscheidende Erfolge. Sie scheiterten am harten und törichten Nein der Machthaber. Selbst Angebote und Vorschläge, auf geheimem Wege humanitäre Hilfe in den Notjahren 1987 bis 1989 zu leisten, lehnte der Diktator Ceauşescu rüde ab. Kanzler Helmut Kohl, der sich wie kein anderer Kanzler um die Deutschen in Rumänien sorgte, hatte mich damit beauftragt, zumal diplomatische Anstrengungen nicht zum Erfolg geführt hatten, es zu versuchen. Was heute an Sozialeinrichtungen im Banat steht,wollten wir schon damals in der größten Not wagen.

Gottes Fügung und meinem beruflichen Weg verdanke ich, dass ich dabei mitwirken konnte unter vier Bundeskanzlern, sechs Ministern, unter strengster und bis heute nicht vollständig aufgehobener Geheimhaltung. Sechs Rahmenverträge, zwei Reisekostenvereinbarungen, viele mündliche Einzelabsprachen, 313 offizielle Verhandlungen und noch mehr inoffizielle Treffen in Bukarest, Wien, Rom, Paris, Stockholm, Kopenhagen, Bonn, Köln, München und in meiner Kanzlei in Neuss am Rhein und darüber hinaus waren notwendig, um den anwaltlichen und in mancherlei Beziehung politischen, jedenfalls auch risikoreichen Auftrag zu erfüllen. Gelegentlich war es trotz genereller politischer Übereinstimmung in der Bundesrepublik notwendig, für die Fortsetzung der humanitären Aktion auch innerhalb der Bundesrepublik mit Nachdruck einzutreten. Kleinmut und Verzagtheit sollten nicht aufkommen. Mit den Verhandlern der anderen Seite, den Vertretern der berüchtigten und gefährlichen Securitate, musste nun unablässig gesprochen, gerungen und nicht selten gestritten werden. Harmonie gab es da nicht, schon gar keine Kumpanei, wohl aber den notwendigen Respekt.

Ihnen, liebe Banater Schwaben, die soviel gelitten haben, Ihrer Landsmannschaft, Ihrem Vorstand und Vorsitzenden danke ich nun sehr dafür, dass Sie meine Arbeit und den Dienst für die Freiheit sowie den Dienst an den Deutschen in der Unfreiheit in Rumänien mit der Prinz-Eugen-Nadel auszeichnen und würdigen.

Heute, in der Zeit, in der wir uns in der Europäischen Union auch mit Rumänien zu friedlicher Gemeinsamkeit verbunden haben, können wir über die Ereignisse zwischen 1968 und 1990 offen sprechen. Das tun wir auch, zuletzt vor genau einem Monat
in Bukarest. Ich weiß, dass viele in Rumänien immer schon kritisierten und auch jetzt missbilligen und verurteilen, wie Rumänien an seinen deutschstämmigen Mitbürgern, damit auch an den Banatern, gehandelt hat. In dieser für mich so bewegenden
Stunde und von diesem Platz denke ich an die Männer und Frauen, die an ganz unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichen Aufgaben mit mir daran gearbeitet haben und dafür eingetreten sind, Menschlichkeit zu gewinnen, Freiheit zu verschaffen, Wohlstand und neues persönliches Glück zu eröffnen für fast 230.000 Rumäniendeutsche. Ich denke an diejenigen, die mitunter erhebliche Lasten getragen haben, auch an den Steuerzahler der Bundesrepublik. Viele von ihnen sind nicht mehr unter
uns, aber alle haben ihren Anteil an der höchsten Auszeichnung der Banater Schwaben, die Sie mir heute verliehen haben. Ich sage ihnen anerkennend: Danke euch, Freunde und Mitstreiter in einer gerechten Sache. Wenn ihr heute von oben auf den
Heimattag der freien Banater Schwaben in Ulm blickt, dann seid gewiss: Das ist auch euer Tag!

Meine Frau und meine Familie schließe ich in den Dank ein. Sie hat manches Risiko mitgetragen und nicht selten um mich und die Sache gebangt. Besonders aber danke ich meinem Laudator. Er war wohlwollend mit mir und ist mit mir auch gnädig umgegangen. In Ernst Meinhardt haben nicht nur die Banater, sondern haben alle Rumäniendeutschen einen tüchtigen Historiker, einen glänzenden und unermüdlichen Berichterstatter. Ich gestehe ganz freimütig: Ich habe Ernst Meinhardt heute gerne zugehört. Es ist allemal weitaus schöner, aus seinem Munde solche Worte über mich selbst zu hören als es anderen überlassen zu müssen, den Lobspruch in einem späteren Nachruf zu lesen.

Den Auftrag habe ich mit anwaltlichem Verstand und Unerschrockenheit, ich kann schon sagen mit innerer Zustimmung ausgeführt. Ich wollte helfen und auch heute stehe ich dazu: Es war richtig, so zu handeln!

Immer hatte ich und habe ich große Hochachtung vor den Banatern und davor, was sie im Banat geleistet haben. Ich habe große Hochachtung davor, wie die Banater Schwaben ihr Schicksal meistern. Ich freue mich, dass die Banater, die ihre angestammte Heimat verlassen haben, in unserem heutigen Deutschland und an manch anderer Stelle in der weiten Welt zu einem großen Gewinn geworden sind. Viele von ihnen arbeiten ehrenamtlich und aufopfernd daran mit, dass es in der alten Heimat, dem Banat, wieder aufwärts geht, dass ihre Kirchen und Zeugnisse der Geschichte erhalten bleiben, und das ist gut so. Denn wer wie die Banater auf großartige Leistungen, auf eine starke Kultur verweisen kann, wer sich zur verlorenen Heimat bekennt und deren Schätze zu wahren weiß, wer seine jetzige Heimat zu schätzen gelernt hat, wer so selbstbewusst auf seine Geschichte zurückblicken darf, wer die Gegenwart so gestaltet wie die Banater heute hier und in aller Welt, der hat auch Zukunft, gute Zukunft. Und das wünsche ich Ihnen, liebe Banater, von ganzem Herzen.

Wenn das alles eines erneuten Beweises hätte bedürfen sollen, hier ist der Beweis: der Heimattag der Banater Schwaben, heute, am 8. Juni 2014, in Ulm. Blühe nun im Glanze dieses Glückes, blühe, deutsches Vaterland!