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Impressionen einer Reise: Was war, was ist und was bleibt?

Die katholische Kirche in Glogowatz. Foto: Katharina Höllich

Der Arader Kulturpalast. Foto: Katharina Höllich

Vielleicht muss man bis zum Herbst warten, um die Ernte eines Sommers einzufahren, eines Sommers, der sich in Temeswar, Arad und Glogowatz vollzogen hat.

Was war der Anlass für diese Reise?

Natürlich der Umstand, dass sich Temeswar als europäische Kulturhauptstadt präsentierte. Dies war wahrlich eine gute Gelegenheit, mich etwas intensiver mit der Stadt zu befassen, die ich im Oktober 2016 - per Zufall oder Fügung - just zu dem Zeitpunkt besucht hatte, als man dort den Einzug von Eugen von Savoyen vor genau 300 Jahren gefeiert hat. Viel gäbe es dazu zu sagen, da dieses Ereignis sich in vielfältiger Weise auch auf mein Leben und das aller Banater Schwaben auswirkte. Doch am meisten hatte mich die menschliche Geste des Prinzen beeindruckt, dem osmanischen Militär und den Bewohnern freien Abzug bis nach Belgrad zu gewähren, wenn sie die Verteidigung der Festung aufgeben.

Temeswar ist natürlich die Stadt, die eng mit der Besiedlung des Banats im 16. und 17. Jahrhundert zu tun hat, und von der wichtige, intellektuelle, kulturelle und wirtschaftliche Impulse ausgingen. Gleichzeitig war sie Bischofssitz für die katholischen Gemeinden im Banat. In ihrer Blütezeit sind beeindruckende Stadtviertel, Kirchen, Parks entstanden. Bedeutende Unternehmen und Vereine wurden gegründet; der Bega-Kanal schlug zwei Fliegen mit einer Klappe: Entsumpfung und wichtige Wasserstraße.

Vieles hat sich in den knapp sieben Jahren seit meinem ersten Besuch getan. Historische Bauten wurden fachkundig restauriert und lassen den früheren Glanz von „Klein-Wien“ erahnen. Einiges bleibt noch zu tun, denn die Zahl der Jugendstil-Villen und -Mietshäuser ist einfach zu riesig, um jahrzehntelangen Verfall schnell zu beseitigen. Hinzu kommt, dass sich eine Stadt auch entwickeln und neue Akzente setzen darf: Eine gelungene Verbindung von „alt“ und „neu“ schmeichelt dem Auge!

Was bedeutet mir/uns Arad?

Natürlich lag es auf der Hand, Arad - meine Geburtsstadt - zu besuchen. Die Begegnung mit Erika und ihrer Familie, die ich ebenfalls 2016 auf sehr wunderbare Weise in Maria Radna kennenlernte, legte es nahe und war ein weiterer sehr schöner, freundschaftlicher Höhepunkt der diesjährigen Reise. Erika verdanke ich, dass mein Rumänisch wieder fließend ist, sich mein geographischer Horizont erweitert hat und der Blick in den Sternenhimmel kenntnisreicher geworden ist. Ihr Mann Nelu - ehemaliger Kreis-Bauleiter - hat uns unvergessliche Einblicke in das UTA-Stadion, sein letztes Großprojekt vor dem Ruhestand, die unter seiner Leitung restaurierte „Sala Ferdinand“ im Rathaus und den Konzertsaal im „Palatul Cultural“ gewährt. Immer noch bin ich von der Schönheit dieser „baulichen Juwelen“ fasziniert, von deren Existenz ich früher keine Kenntnis hatte.

Auch sonst ist Arad für uns Glogowatzer eine Reise wert, weil viele Erinnerungen damit verbunden sind: Der erste Langosch von einer „gheretă“ am großen oder kleinen Markt, die ersten Profiteroles oder Eclàirs in der Libelula, der erste Kinobesuch im Dacia oder eine Aufführung im Theater. Auch das Anstehen um zwei Liter Milch oder ein Kilo Zucker im Innenhof der Alimentara „Central“ am Boulevard bzw. Corso, wo es jetzt Pommes von McDonalds gibt, gehören dazu. Die „Ziridava“ und die „Podgorie“ sind noch da, also die Plätze, von wo aus es mit Bus oder Bahn nach Glogowatz ging.

Dieses Mal sind Elke (meine Freundin mit Ur-, ur- Stuttgarter Wurzeln) und ich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren, sondern Nelu hat uns mit dem Auto durch die Stadt, Mikalaka und dem im letzten Jahrzehnt entstandenen Gewerbe- und Einkaufspark nach Glogowatz gebracht. Dort wo früher „Kukruz“ oder „Frucht“ gewachsen sind und der Blick ins Grüne oder zum Glogowatzer Kirchturm schweifen konnte, parken jetzt Autos auf dem Asphalt.

Wie präsentiert sich Glogowatz?

Nun, die Straßenzüge sind erkennbar. Hier und dort wurden Häuser abgebrochen und neue errichtet, manche haben einen Anstrich bekommen, andere drohen zu verfallen. Die Mühle und die Läden werden nun aber anders genutzt. Die (große) Kirche ist auch tagsüber geschlossen, kein vertrautes gemeinschaftliches Leben spielt sich in den Gassen und Gärten ab. Was bis vor gut dreißig Jahren für Glogowatz kennzeichnend war, ist physisch nicht mehr da. Jenes Miteinander – der Gleichklang im Denken und Fühlen, die Freundschaft und die Hilfsbereitschaft, das Leben aus dem Wissen heraus, dass man sich einem höheren Gut verantwortet wusste, steigt nur noch vor dem inneren Auge auf.

Ebenso präsent war die Erinnerung an das Kirchweih- und andere kirchliche Feste wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten mit ihren umgreifenden Vorfreuden und der Hochstimmung sowie die Erinnerung an Dechant Pettla, der nicht nur das Evangelium kannte, sondern dafür sorgte, dass die Kirche auch baulich stets instandgesetzt war. Ja dort haben wir - die Erlebnisgeneration - unsere Prägung erhalten, zu der Tugenden wie Redlichkeit, Fleiß, Ehrfurcht vor dem Alter, Dienst an der Gemeinschaft, Leben im Glauben selbstverständlich dazu gehörten und wertgeschätzt wurden.

Auf der Rückfahrt nach Arad hatte mich Elke gefragt: „Warum seid ihr gegangen?“ Ja, warum sind wir gegangen? Hier einige Erklärungssplitter, die jeder ergänzen mag: Verbitterung infolge der Verschleppung nach Russland, Enteignung sowie weitere kommunistische Diskriminierungen und Schikanen, Wunsch nach Freiheit, wirtschaftlicher Niedergang und Angst, die eigene kulturelle Identität zu verlieren. „Der Letzte macht das Licht aus“, wer kennt nicht diesen Satz?

Fazit: Vor meiner Reise hatte mir Erika verschiedene Dokumentationen über die frühere donauschwäbische Kultur und unsere Lebensweise zugesandt. Beim Betrachten befiel mich das merkwürdige Gefühl, wohl Teil einer aussterbenden Spezies zu sein, die für das Museum konserviert wird. Nein, Teil eines alten Films sind wir nicht! Wir leben und haben die Möglichkeit, das Schöne und Gute jener Gemeinschaft bewusst im „Hier und Jetzt“ zum Ausdruck zu bringen. Wie oft schon wurde später bedauert, was als vermeintlicher „alter Krempl“ vorschnell weggeworfen wurde. Man hat versucht, „das gute alte Stück“ wiederherzustellen. Klasse, wenn es noch Meister gibt, die wissen, wie es geht!

Zu guter Letzt: Im Nachgang meiner Reise fiel mir das Buch „Das idyllische Jahr“ von unserem Dichter Adam Müller-Guttenbrunn in die Hände – es sei hier wärmstens zur Lektüre empfohlen.