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Praktikum einmal anders: Junger Banater Schwabe berichtet über seine Erfahrungen im brasilianischen Entre Rios

Dennis Schmidt beim seinem Vortrag über Entre Rios im Haus der Vereine in Mutterstadt. Foto: Jürgen Griebel

Interessiert folgten die Zuhörer den Ausführungen des Referenten. Foto: Katharina Eicher-Müller

Am 7. Mai konnte die Vorsitzende des Ortsverbandes Mutterstadt der Donaudeutschen Landsmannschaft, Katharina Eicher-Müller, einen vollen Saal im Haus der Vereine begrüßen. Sie freute sich besonders über die Anwesenheit des Mitveranstalters Martin Schmidt von der Donauschwäbischen Kulturstiftung, des Landesvorsitzenden Josef Jerger, seiner beiden Stellvertreter Anton Broder und Adam Lulay sowie der beiden Bundesvorstandsmitglieder der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Jürgen Griebel und Walter Keller. Die Vorsitzende stellte den Referenten Dennis Schmidt als engagierten, heimatverbundenen jungen Mann vor, der von sich selbst behauptet, nicht auf den Mund gefallen zu sein. Dass dem so ist, hat der in Ruchheim lebende Zwanzigjährige bei seinem Vortrag unter Beweis gestellt.

Ausgehend von den Erfahrungen während eines dreimonatigen Praktikums vom 11. Januar bis 2. April dieses Jahres im brasilianischen Entre Rios, skizzierte Schmidt in lebendiger freier Rede die Geschichte und vor allem die Gegenwart der 1951 von donauschwäbischen Vertriebenen gegründeten fünf Dörfer im Bundesstaat Paraná im Allgemeinen und der Genossenschaft Agrária im Besonderen. Ergänzt um eine Power-Point-Präsentation mit einer reichen Auswahl meist aktueller Fotos, erzählte der angehende Student der Betriebswirtschaftslehre von der stark bäuerlich geprägten Lebensweise, aber auch von den hochmodernen technischen Errungenschaften und den fortwirkenden kulturellen Prägungen der Siedler, deren Vorfahren in der Mehrzahl aus Syrmien und Slawonien stammen. Der dank der Schweizer Europahilfe und der großzügigen Aufnahmepraxis der brasilianischen Regierung ermöglichte „Neuanfang im Nirgendwo“ sei schwer gewesen, habe sich aber schon binnen weniger Jahre – subjektiv betrachtet – zum Erfolgsprojekt entwickelt, und zwar spätestens zu dem Zeitpunkt, da die Siedler nach all den Drangsalen endlich wieder ein eigenes Dach über dem Kopf hatten. Auch wenn es sich um kleine Einheitshäuser gehandelt habe, hätten diese den Siedlern das Gefühl gegeben, „angekommen zu sein“, so Schmidt.

Die bereits am 5. Mai 1951 aus der Taufe gehobene Genossenschaft Agrária und der unermüdliche Fleiß der Siedler haben – trotz Schwierigkeiten und Rückschlägen – zu einem erstaunlichen Wohlstand geführt. Wie Schmidt erläuterte, liege darin der Grund, weshalb die Agrária heute mit ihren 550 Genossenschaftsmitgliedern und etwa 1000 Angestellten einer der größten regionalen Arbeitgeber ist. 2013 sei die Agrária vom Landwirtschaftsminister sogar als produktivste Genossenschaft in ganz Brasilien ausgezeichnet worden. Soja-Produkte aus Entre Rios gelangten mittlerweile bis nach Deutschland. Die Agrária besitze eine der größten Mälzereien Südamerikas, und unlängst sei der Beschluss gefasst worden, ein riesiges Maislager zu errichten, dessen Kapazitäten weltweit einmalig wären. Die Zuhörer in dem randvollen Vereinssaal bekamen einen Superlativ nach dem anderen zu hören. So schwärmte der junge Referent von den enormen Forschungsanstrengungen und den Aufforstungsbemühungen der energietechnisch ausschließlich mit Holz arbeitenden Genossenschaft, und er betonte: „Wer in Südamerika Bier trinkt, kann ziemlich sicher sein, dabei auch etwas von der Agrária zu konsumieren.“

Doch Dennis Schmidt trug nicht nur Zahlen und Fakten vor, die er während seiner zweimonatigen Tätigkeit in der Logistikabteilung der Genossenschaft in Erfahrung gebracht hatte, sondern lockerte den Vortrag immer wieder mit Anekdoten und persönlichen Eindrücken auf. Reichlich Gesprächsstoff lieferten anrührende menschliche Erfahrungen während des letzten Praktikumsmonats in der genossenschaftseigenen „Deutsch-Brasilianischen Kulturstiftung“. Jeden Donnerstag habe er sich in dieser Zeit an dem von der Seniorentanzgruppe inbrünstig intonierten Lied „Kehr ich einst zur Heimat wieder“ erfreut, so Schmidt, und er habe viele offene Türen und Herzen vorgefunden, wenn er sich der „schwowischen“ Mundart bediente. Nicht zuletzt waren die heutzutage oft „riesigen“ Eigenheime der Bauern ein Thema, das Wirtshaus „Donaubier“ und natürlich die noch immer „sehr schwäbische“ Küche.

Da die Religion unter den Donau-schwaben in Entre Rios einen anhaltend hohen Stellenwert besitzt, gab es auch hierzu Hintergrundinformationen, die in massiver Kritik an dem für die fünf Dörfer zuständigen katholischen portugiesischen Pfarrer gipfelten. Wie der Referent zu berichten wusste, sorge dieser gegenwärtig für erheblichen Unmut, da er nicht bloß dem deutsch-dominierten Kirchenrat seine Anerkennung verweigere, sondern jedwede Verwendung des Deutschen im Gottesdienst blockiere. Auch in den großen Städten der weiteren Umgebung sei durchaus eine feindselige Stimmung spürbar, wenn die Donauschwaben ihre Mundart gebrauchten. Auch deshalb schränkten diese die Verwendung der Muttersprache weitgehend auf die engsten Lebensbereiche ein.

In Entre Rios sei man laut Schmidt jedoch „noch immer sehr stolz, Schwabe zu sein“. Die Tanz- und Musikgruppen der Kulturorganisation zählen stattliche 330 Mitglieder. Schon von klein auf werde der Nachwuchs einbezogen, zumal das Tanzen „den meisten Donauschwaben im Blut“ liege. Aber auch viele Brasilianer seien mit von der Partie, was in den für ihr hohes Niveau bekannten deutschen Schulen ebenfalls beobachtet werden könne. Bei traditionellen deutschen Volkstänzen einerseits und brasilianischen Gaúcho-Tänzen andererseits werde an einem nachhaltig guten Verhältnis zwischen den Volks- und Sprachgruppen gearbeitet. Dieses zu erleben sei „eine der schönsten Erfahrungen“ gewesen, betonte Dennis Schmidt zum Schluss.