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Ein Ort, an dem der Geist von Temeswar spürbar wird

Der apostolische Nuntius in Rumänien und der Republik Moldau Miguel Mary Bendía zelebrierte die Weihemesse im Hohen Dom zu Temeswar mit Kanzleidirektor Nikola Laus, Hauptverantwortlicher für das Sanierungsprojekt, und Bischof Josef Csaba Pál. Foto: Ramona Băluţescu

An der Neuweihe des Temeswarer Doms nahmen neben Gläubigen, Geistliche verschiedender Konfessionen, Vertreter der deutschen Gemeinschaft sowie Politiker und weitere Gäste von nah und fern teil. Foto: Ramona Băluţescu

Blick auf den Hochaltar des Doms zu Temeswar nach der umfangreichen Außen- und Innensanierung der bischöflichen Kathedrale. Über dem Gemälde, das den Heiligen Georg im Kampf gegen das Böse zeigt, gemalt 1754 von dem Südtiroler Künstler Michael Engel Unterberger, befindet sich das Ensemble der göttlichen Dreifaltigkeit, Ausdruck christlichen Lebens unter der Obhut des drei-einigen Gottes, wie es Bischof Martin Roos in seinem dreibändigen Werk „Die Kathedrale zum heiligen Georg zu Temeswar“, (Temeswar 2021, 2022) formulierte. Foto: Ioan Florea, DFDBB Reschitza

Neuweihe des Temeswarer Doms, der römisch-katholischen Sankt-Georgs-Kathedrale

Nur wenige weiße Wolken ziehen an diesem Tag über den hellblauen Temeswarer Himmel. Es ist Samstag, der 22. April, kurz nach 9.30 Uhr, und auf dem Domplatz herrscht jetzt schon reger Menschenverkehr. Dutzende von Oldtimern stehen rings um den zentralen öffentlichen Platz, allein vor dem römisch-katholischen Dom sind, reihenweise, dunkelgrüne Plastikstühle aufgestellt. Fast alle Sitzplätze draußen sind bereits besetzt, der Anlass ist ein ganz besonderer: Der Hohe Dom zu Temeswar erlebt am Tag vor seinem Patroziniumsfest eine Neuweihe, nachdem er einer großangelegten Sanierungsaktion unterzogen wurde. Draußen scheint die Sonne, Menschenstimmen füllen den Raum, es riecht nach frischem Gras, während das Thermometer trotz der frühen Stunde 15 Grad Celsius anzeigt. „Ein herrliches Wetter, wer es wohl bestellt hat?“, sollte sich eineinhalb Stunden später Sorin Maxim, der Geschäftsführer der Regionalentwicklungsagentur ADR Vest, rhetorisch fragen. Maxim ist einer der Partner im Projekt, wodurch die Domsanierung mit EU-Mitteln möglich wurde. Ein freudiges Ereignis an einem wunderschönen Frühlingstag.
Die Domkirche ist heute voll. Gekommen sind nicht nur die Gläubigen, sondern auch Geistliche verschiedener Konfessionen, Vertreter der deutschen Gemeinschaft, die deutsche Konsulin in Temeswar Regina Lochner, Politiker, Gäste von fern und nah. Kurz vor zehn Uhr läuten die Domglocken. Was nicht viele wissen: Unter den sieben Glocken befindet sich auch eine größere Bischofsglocke, 1763 in Buda von Josef Steinstock gegossen. Vor der Messe wird ein 15-minütiger Präsentationsfilm des Hohen Doms zu Temeswar vom Archivar der römisch-katholischen Diözese Temeswar, dem Historiker Dr. Claudiu Călin, gemeinsam mit den Kollegen vom Pressebüro des Bistums erstellt, vorgeführt. Die Gläubigen, die draußen Platz genommen haben, stehen von ihren Stühlen auf und schauen in Richtung Bischöfliches Ordinariat in der Pacha-Straße. Von dort her kommt die Prozession der Geistlichen, die heute die Weihemesse zelebrieren werden. Hauptzelebrant ist der noch Apostolische Nuntius in Rumänien und der Republik Moldau, Miguel Maury Buendía, ihm zur Seite stehen Bischöfe und Delegierte aus Deutschland, Tschechien, Kroatien, Serbien, Ungarn, der Republik Moldau und Rumänien. Unter den hohen Geistlichen befindet sich auch derjenige, der das Sanierungsprojekt in die Wege geleitet hat: der emeritierte Temeswarer Bischof Dr. Martin Roos, dessen dreibändige Monografie „Die Kathedrale zum Heiligen Georg zu Temeswar“ von seiner besonderen Beziehung zur Bischofskathedrale sowie zur Diözese Temeswar und deren Geschichte zeugt. Sein Nachfolger, Josef Csaba Pál, nahm sich erst 2019, nachdem er im Jahr davor zum Bischof geweiht worden war, des Projektes an. Schon bei der Pressekonferenz einen Tag zuvor konnte man in den Augen von Bischof Josef die Freude erkennen. „Ich freue mich sehr, wenn ich diese Kathedrale betrete. Sie ist schön geworden, sie ist hell, und wenn ich nun auch noch zelebrieren darf, dann ist meine Freude umso größer. Hier bin ich als Bischof zu Hause“, sagte er. Auch während der Weihemesse kann man die Freude in seinen oft lächelnden Augen lesen.
Dass der Hohe Dom zu Temeswar, die Sankt-Georgs-Kathedrale, ein Juwel des Barock ist, kann man auf Anhieb erkennen, nicht nur am Gewölbe, an den Säulenköpfen aus Sandstein, sondern auch an den reichen, schwingenden Verzierungen der Gemälde und anderen typischen Ornamenten. Der Grundstein des Doms wurde am 6. August 1736 von Bischof Adalbert von Falkenstein gelegt, doch erst 1774 war die Kathedrale fertiggebaut. Das Team um den Restaurator Dr. Ioan Darida hatte keine leichte Arbeit während der vier Jahre, in denen der Dom generalüberholt wurde. Vor den tatsächlichen Arbeiten mussten die Fachleute zahlreiche Untersuchungen durchführen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Zwölf Konsekrationskreuze brachten die Restaurateure ans Licht, diese waren mit mehreren Farbschichten übermalt worden. Sie sind rot auf hellem Hintergrund und von grünen Lorbeerkränzen umrahmt.
Die Einführung gestaltet Operndirektor Christian Rudik, ein regelmäßiger Kirchgänger und praktizierender Katholik. Er erteilt schon zu Beginn der Messe Kanzleidirektor Nikola Lauš das Wort – der Geistliche ist der offizielle Diözesanverantwortliche für das Sanierungsprojekt des Hohen Doms. Er trug in großem Maße die Last der ganzen vier Sanierungsjahre, aber auch die der Organisierung der Feierlichkeiten am 22. April. In der Pressekonferenz einige Tage zuvor hatte Nikola Lauš verraten, dass sich die Arbeiten länger als geplant in die Länge gezogen hatten. „Wir sollten nicht vergessen, dass wir zwei Jahre lang die Covid-19-Pandemie gehabt haben. Die Dauer der Innenarbeiten konnte auch nicht so gut eingeschätzt werden. Bei den Holzstatuen zum Beispiel dauerte es deutlich länger als vorgesehen. Auch bei den meterhohen Gemälden war es ähnlich – erst, nachdem man sie herunternahm, konnte man die Dauer genauer einschätzen. Ein weiteres Problem war das Fehlen von Bauarbeitern, denn viele unserer Leute arbeiten leider im Ausland“, erklärte Kanzleidirektor Nikola Lauš. Nach der Konsekration sollen noch Arbeiten im Außenbereich vorgenommen werden – u.a. am Sockel und an den Seitenfassaden. Das Sanierungsprojekt des Doms hatte einen Gesamtwert von mehr als 21,7 Millionen Lei, davon waren 21,3 Millionen Lei hauptsächlich nicht rückzahlpflichtige EU-Mittel bzw. Gelder aus dem Staatshaushalt.
Allein die Bauarbeiten kosteten rund 16,5 Millionen Lei, wobei 16,1 Millionen Lei EU-Mittel darstellten und der Rest der Beitrag der Römisch-Katholischen Diözese Temeswar war. Weitere beträchtliche Summen musste das Bistum entweder selbst bereitstellen oder auch im Ausland anwerben, um verschiedene Arbeiten zu finanzieren.
Der Apostolische Nuntius in Rumänien und der Republik Moldau, ein charismatischer Mann aus Madrid, zelebriert das Pontifikalamt in rumänischer Sprache. Er weiht das Wasser und besprüht damit die Wände, die Gläubigen, den Altar. Weihrauch füllt die Kirche. Zwischen den beiden Lesungen des Wortgottesdienstes auf Ungarisch und Deutsch singt der Chor „Harmonia Christi“ unter der Leitung von Iustin Călin den Psalm „Misericordias Domini“. Ein Gänsehaut-Moment. Das Pontifikalamt ist feierlich und locker zugleich. Akustik und Musik – teils an der Orgel von Carl Leopold Wegenstein gespielt – sind unbeschreiblich gut. Das Geschehen im Dom wird auf einer Leinwand rechts am Domeingang übertragen, damit die Gläubige vor der Kathedrale daran teilhaben können. Die Chöre „Exultate“ und „Chorus & Capella Cathedralis“ unter der Leitung von Dom-Organist Róbert Bajkai-Fábián sorgen für den feierlichen, ernsten Musikrahmen, für die etwas verspieltere, „jüngere“ Musik sind die Jugendlichen von „Harmonia Christi“ zuständig. Dirigent Iustin Călin trägt schwarze Sportschuhe und ein ahornfarbenes Sakko. Er wechselt vom Dirigieren zum Mikro und umgekehrt - die Rochade gelingt ihm jedes Mal hervorragend, die Menschen klatschen sogar zum besonderen Lied am Ende der Messe, das dem Nuntius gewidmet ist – Miguel Maury Buendía soll nämlich ab Mai seine diplomatische Tätigkeit in Großbritannien fortsetzen. Zu diesem Anlass erhält er zum Schluss des Pontifikalamtes ein symbolisches Geschenk von seinen Temeswarer Freunden, denen er bei feierlichen Anlässen des Öfteren Besuche abgestattet hat – einen Regenschirm, der ihm bei dem regnerischen England-Wetter von Nutzen sein werde, und ein Bild vom Hohen Dom zu Temeswar.
Nuntius Miguel Maury Buendía salbt die zwölf roten Kreuze, die links und rechts im Dom an den Wänden stehen, mit Chrisamöl – ein typisches Ritual bei der Konsekration eines Gotteshauses und einer der Höhepunkte der Liturgie. Davor hatte er das Konsekrationsgebet gesprochen. Nach der Salbung werden in der Kathedrale, symbolisch, als Zeichen der Freude, alle Kerzen und Lichter angezündet. Der Hauptzelebrant erhält vom Diakon eine kleine brennende Kerze – es folgt die Eucharistiefeier. 
Dass Temeswar eine multikulturelle Stadt ist, kommt selbst bei dem Pontifikalamt, bei dem lateinisch, rumänisch, ungarisch und deutsch gebetet wird, zum Vorschein. Der Hohe Dom zu Temeswar ist einer der Orte, an dem der Geist Temeswars spürbar wird, sagt Bürgermeister Dominic Fritz. Auch auf Englisch wird im Rahmen der Messe gesungen. Die Schlange der Gläubigen für die Kommunion reicht bis zum Kirchenausgang. Auch draußen stehen Priester und verteilen den Leib Christi. Zum Schluss des Pontifikalamtes übermitteln die Offiziellen ihre Grußworte: Staatssekretär Florinel-Irinel Frunză, Réka Brendus im Namen des ungarischen Vizepremiers Zsolt Semjén, der Temescher Kreisratspräsident Alin Nica, Bürgermeister Dominic Fritz, der Bukarester römisch-katholische Erzbischof und Metropolit Aurel Percă und der orthodoxe Metropolit des Banats, Ioan Selejan. Die Messe endet mit Glockengeläut, nachdem der Nuntius allen Anwesenden seinen Segen erteilt hat. Draußen scheint die Sonne und es ist angenehm warm. Der perfekte Tag für einen Neuanfang.