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„Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaft auferstanden!“

Das Heilige Grab in der Mutter-Anna-Kirche Sanktanna 2022 Foto: Marianne Hellstern

Liebe Landsleute, liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

„Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaft auferstanden!“ – Das ist seit den Tagen der Evangelisten der österliche Gruß, das Glaubensbekenntnis der Christen.

Seit den ersten Begegnungen mit dem auferstandenen Christus sagen es die Christen weiter: „Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaft auferstanden!“ Wir kennen es noch aus der alten Heimat, dass sich die orthodoxen Christen dort auch heute noch an Ostern mit den Worten „Hristos a înviat!“ (Der Herr ist auferstanden!) begrüßen, worauf die Antwort lautet: „Adevărat a înviat!“ (Er ist wahrhaft auferstanden!).

Die ersten Menschen, die das sagten, waren diejenigen, die dem Auferstandenen nach der Katastrophe vom Karfreitag begegnet waren. Sie hatten ihn gesehen und er hatte zu ihnen gesprochen. Sie waren ihm leibhaft begegnet. Es waren die Frauen am Grab: Maria Magdalena, Johanna, Maria, die Mutter des Jakobus, aber auch die Apostel, die im Obergemach versammelt waren, Thomas, den man zu Unrecht den Ungläubigen nennt, die Jünger auf dem Weg nach Emmaus, dann aber auch die Fünfhundert, von denen der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief spricht. Auf das Zeugnis all derer, die dem auferstandenen Herrn begegnet waren, baut das noch heute gültige Zeugnis aller gläubigen Christen: „Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaft auferstanden!“

In unseren Tagen ist das frühchristliche Bekenntnis zum Auferstandenen einem anderen Gruß gewichen: Wir wünschen uns „Frohe Ostern!“ In meinen Ohren klingt das ein bisschen wie der Werbespruch „Fröhliche Eiszeit!“

Aber wo bleibt unser Bekenntnis zum Auferstandenen?! Ja – glauben wir überhaupt an den Auferstandenen?

Eine Umfrage in Deutschland hat ergeben: Die Mehrheit der Deutschen glaubt zwar an Gott (62 Prozent der Befragten) und an Jesus Christus (56 Prozent). Doch nur 39 Prozent glauben an den Heiligen Geist, noch weniger, 36 Prozent, an Jesu Auferstehung von den Toten und 34 Prozent an das ewige Leben.

Was mag der Grund dafür sein? Vielleicht haben zu viele Menschen keine Erfahrung mit dem Auferstandenen gemacht, sind ihm noch nicht begegnet. Oder es fehlen ihnen glaubwürdige Zeugen, die selbst dem Auferstandenen begegnet sind. Dass einer, der selbst nicht an die Auferstehung glaubt und selbst dem Auferstandenen nicht begegnet ist, kein glaubwürdiger Zeuge der Auferstehung sein kann, scheint auf der Hand zu liegen.

Und wir, die wir hier und heute Ostern feiern: Glauben wir an die Auferstehung Jesu? Sind wir glaubwürdige Zeugen des auferstandenen Christus? Sind wir dem auferstandenen Jesus Christus schon begegnet?

Nun könnte einer fragen: Wo und wann soll ich denn dem auf-erstandenen Christus begegnet sein?

Liebe Schwestern und Brüder! Ich bin überzeugt, dass viele von Ihnen schon dem Auferstandenen begegnet sind: im Gebet, beim Lesen in der Heiligen Schrift, in einem Gottesdienst, der Ihnen nahegegangen ist, bei einer tiefen Begegnung mit einem anderen Christen, als Sie Hilfe in einer kritischen Situation erfahren haben, in der Kraft, die Sie erhalten haben, als sie einmal nicht mehr weiter wussten, in einer Begegnung mit einem notleidenden Menschen.

Der auferstandene Christus zeigt sich dem, der ihm begegnen möchte, in den vielfältigsten Erscheinungsformen. Und meist geht es uns dabei so, dass wir erst im Nachhinein verstehen: Hier war Jesus Christus am Werk.

Auch den ersten Zeugen ist es so ergangen: Maria Magdalena hält Christus zuerst für den Gärtner und die Jünger auf dem Weg nach Emmaus erkennen ihn auch erst, als er das Brot bricht. Aber diese ersten Zeugen behalten ihre Erfahrungen nicht für sich. Sie teilen sie mit den anderen, mit den Aposteln, mit den Brüdern und Schwestern im Glauben. Und dadurch wird ihre Erfahrung verstärkt und sie werden missionarisch, wirksam auch nach außen.

Wenn wir den Eindruck haben, dass es für uns Christen in unserer Gesellschaft immer schwieriger wird, dass wir immer weniger werden, dann frage ich Sie: Weshalb geben wir unsere Erfahrungen mit dem lebendigen Christus nicht weiter? Und weshalb machen wir mit, wenn unsere christlichen Bräuche immer mehr verschwinden?

Wäre es nicht ein echtes Bekenntnis, uns, so wie es die Christen der Ostkirche tun, heute zuzurufen: „Der Herr ist auferstanden!“ und zu antworten: „Er ist wahrhaft auferstanden!“

Liebe Schwestern und Brüder! Das Bekenntnis zum auferstandenen Christus ist die zentrale Botschaft unseres Glaubens. Wenn wir dieses Bekenntnis verlieren, dann ist unsere Religionsgemeinschaft nichts weiter als eine Gruppe von mehr oder weniger guten Menschen, als ein einigermaßen ordentlich funktionierender Sozialkonzern, als eine – zumindest in Europa – immer kleiner werdende Gruppe von Leuten, die mit ihren internen Problemen nicht zurechtkommen und über Dinge diskutieren, die normale Menschen gar nicht mehr interessieren.

Doch ist die Kirche nicht mehr? Hat sie nicht die Aufgabe, die Frohe Botschaft von der Auferstehung Jesu in die Welt zu tragen? Und sind nicht wir alle „die Kirche“?

Liebe Schwestern und Brüder! Ich möchte zu einer lebendigen und glaubwürdigen Kirche gehören. Und ich möchte mit allen Christen ein Zeuge des auferstandenen Herrn sein!

„Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaft auferstanden!“ In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein glorreiches und gesegnetes Fest der Auferstehung und die Kraft des Heiligen Geistes, damit wir in Wort und Tat mutige Verkünder der frohmachenden Botschaft von Jesus Christus werden.