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Mit eigenem Antlitz, hinter dem Stacheldraht... Banat-Bezüge einer Bukarester digitalen Ausstellung zur Russlanddeportation der Rumäniendeutschen (Teil 2)

Deportierte aus dem Banat im Lager 1220 Wolodarka im Jahr 1946. Quelle: Sammlung Johann Maurer, Traunreut

Rundschreiben an das Regionalinspektorat der Polizei Temeswar vom 4. Januar 1945. Quelle: CNSAS

Proteste blieben wirkungslos

Mehrere Exponate thematisieren die Haltung der rumänischen Regierung und der Westalliierten gegenüber den Deportationsmaßnahmen. Rumänische Regierungsbehörden und prominente Politiker protestierten zwar heftig gegen die Entscheidung der Sowjetunion, verhindern konnten sie die Deportation jedoch nicht, auch haben sie angesichts der Bestimmungen des Moskauer Waffenstillstandsabkommens vom 12. September 1944 (Art. 2) keine Alternativvorschläge vorgebracht. 

Wirkungslos war auch der Protest amerikanischer und englischer Diplomaten und Vertreter in der Allierten Kommission für Rumänien mit dem Sitz in Bukarest, der die Federführung bei der Durchführung der Deportation übetragen wurde. Sie maßen mit zweierlei Maß und legten eine Doppelmoral zutage: Dem öffentlichkeitswirksamen Protest standen die gemeinsamen Kriegsziele und damit die uneingeschränkte Treue zu ihrem östlichen Bündnispartner entgegen. 

Es waren Eigeninteressen und humanitäre Gründe, die nach dem 6. Januar 1945 die Forderung der rumänischen Regierung nach Ausnahmen begründeten, die von den Sowjets anfangs unnachgiebig abgelehnt wurden. Am 8. Januar wurden mehrere Kategorien von der Deportation befreit: deutsche Frauen, die mit Rumänen verheiratet waren, Ehepaare mit einem rumänischen Vater und einer deutschen Mutter, Körperbehinderte, Arbeitsunfähige und nicht transportfähige Kranke. Am 10. Januar kamen weitere Ausnahmen hinzu: Industrielle und Fachkräfte, rumänische Frauen, die mit Deutschen verheiratet waren, weibliche Ordensangehörige und staatenlose Deutsche aus dem rumänischen Altreich, die vor dem Eintritt Rumäniens in den Ersten Weltkrieg 1916 ins Land gekommen und in die rumänische Gesellschaft integriert waren. Die letzten Ausnahmen betrafen am 18. Januar Priester und männliche Ordensleute. Kurz darauf kamen rumänische Staatsbürger deutscher Herkunft hinzu, sowohl Männer als auch Frauen, die mit Rumänen, Ungarn, Juden oder Angehörigen anderer Ethnien verheiratet waren. Signifikant für das Durchsetzungsvermögen der rumänischen Regierung ist, dass nicht alle rumänischen Soldaten deutscher Herkunft der Deportation entrinnen konnten. Um die eintausend teilten das Schicksal der Deportation. Ethnizität priorisierte staatsbürgerliche Loyalität.

Lage- und Stimmungsberichte

Zahlreiche Berichte der Sicherheitspolizei beziehen sich auf die Empfindungen und die Einschätzung der Situation durch die deutsche Bevölkerung. Zunächst kursierten alarmierende Gerüchte über die Fortsetzung der Deportationen oder sogar die Vertreibung der gesamten deutschen Minderheit. Aufschlussreich für die Stimmung in der Banater Bevölkerung ist ein Bericht des regionalen Sicherheitsinspektorats Temeswar an die Generaldirektion für Staatssicherheit (Direcţia Gene-rală pentru Securitatea Statului) vom 13. März 1948. 

Unter der banatdeutschen Bevölkerung waren weiterhin Gerüchte über neue Arbeitsdeportationen in die Sowjetunion oder die Abschiebung nach Deutschland nach ungarischem Vorbild im Umlauf. Der Berichterstatter stellte jedoch gleichzeitig fest, dass sich „ihre Situation im Vergleich zu den in den Vorjahren gegen sie ergriffenen Maßnahmen verbessert hat“. „Unzufriedenheit“ herrschte vor allem wegen den angewandten wirtschaftlichen Maßnahmen, die überzogen waren und rücksichtslos durchgeführt wurden. Die von der Agrarreform schmerzlich getroffenen Deutschen hatten jedoch „die Hoffnung verloren, ihr Land zurückzubekommen“, sie „suchten sich andere Beschäftigungen, um es zu schaffen, ihre tägliche Existenz zu sichern“. Ihre Hauptsorge war „das Schicksal“ der Russlanddeportierten und die Rückkehr der via Frankfurt a.d. Oder entlassenen Verschleppten und der Flüchtlinge: „In der deutschen Bevölkerung wird diskutiert, dass, obwohl die rumänische Regierung Rückführungskommissionen nach Deutschland und Österreich entsandte, um die Lage der [geflüchteten] Deutschen in diesen Gebieten zu prüfen, diese ihre Tätigkeit vorzeitig beendet und nicht die erwünschten Ergebnisse erzielt haben, so dass viele Deutsche illegal ins Land zurückgekehrt sind“. 

Im Grunde ging es „um die Zukunft der deutschen Bevölkerung im Allgemeinen“. Der Wunsch der Deutschen war, die Diskriminierung und Marginalisierung zu beenden und wieder als Bürger mit vollen staatsbürgerlichen Rechten anerkannt zu werden. Vielen schien es, dass ihr Entwicklungspfad schicksalhaft vorgezeichnet sei.

Arbeitskommandos als neue Repressionsform

Die Ausstellung macht auf eine weitere Form der Repression aufmerksam, auf die schon vor längerer Zeit Hannelore Baier hingewiesen hat. Am 19. Februar 1945 forderte die Alliierte Kontrollkommission für Rumänien vom rumänischen Ministerrat, dass alle Deutsche, die nicht erfasst wurden oder sich der Deportation entzogen haben, durch die 
Organisation von Arbeitsbataillonen im Inneren des Landes mobilisiert werden. Infolgedessen verordnete das Innenministerium am 23. Februar den städtischen Polizeiorganen und ländlichen Gendarmerieorganen die Mobilmachung der Bürger deutscher Volkszugehörigkeit zum Arbeitseinsatz im Landesinneren. 

Die Organisation von Bataillonen oder Arbeitskolonien wurde dem Territorialen Generalkommando (Comandamentul General Teritorial) und den Territorialbezirken überlassen. Zu diesem Zweck wurde die Erarbeitung von nominalen Tabellen mit den zu mobilisierenden Männern und Frauen in den jeweiligen Territorialbezirken der Polizei und Gendarmerie angeordnet. Als Mobilisierungskriterium galt das bei der Deportation angewandte Alter: 17 bis 45 Jahre für Männer und 18 bis 30 Jahre für Frauen. Bei den Männern war das Potenzial ausgeschöpft, so dass man sich auf die Arbeitskommandos für deutsche Frauen konzentrierte, die auf rumänischem Staatsgebiet verschiedene Tätigkeiten (landwirtschaftliche Arbeiten, Instandhaltung von Straßen und Eisenbahnen, Betätigung in Fabriken und Krankenhäusern) durchführen sollten.

Territorialkommandos bestanden in Arad für den gleichnamigen Kreis, in Orawitza für den Kreis Karasch, in Lugosch für den Kreis Severin und in Temeswar für den Kreis Temesch-Torontal. Die Fraueneinheiten sollten den staatlichen Behörden über die Bezirkspräfekturen zur Verfügung gestellt werden. Die Gendarmerie wurde alle zehn Tage zur 
Berichterstattung angehalten. Über die Umsetzung des Plans ist nicht viel bekannt. Die Deportation der Deutschen hat zu einem drastischen Rückgang der Arbeitsproduktivität in Handwerk und Gewerbe geführt und im Landwirtschaftssektor fehlte es erst recht an Arbeitskräften. Die Ende März 1945 beschlossene Enteignung von Grund und Boden im Rahmen der Agrarreform entzog den deutschen Bauern die Existenzgrundlage. 

Für die geplanten Arbeitskommandos blieb wenig Spielraum, es lag auf der Hand, dass die Maßnahme in wirtschaftlicher Hinsicht sinnlos ist und lediglich der angestrebten ideologischen Umerziehung dienen könnte. Es gilt, die bestehende Forschungslücke über diese Repressionsform aufzuarbeiten.

Statistik der Deportierten

Eine Aufgabe der Sicherheitsbehörde war, die Humanressourcen, die der Sowjetunion zur Verfügung gestellt wurde, zahlenmäßig und namentlich zu erfassen. Während der Organisation und bei der Aushebung wurden verschiedene Listen erstellt, die mehr oder weniger mit der tatsächlichen Anzahl der Deportierten übereinstimmten. Die lokalen Ausgangslisten der städtischen Einwohnerämter (Biroul Populaţiei) waren oft unzuverlässig, da die während des Krieges vollzogenen demographischen Veränderungen (Armeedienst, Flucht) unberücksichtigt blieben. Eine weitere Fehlerquelle war die Nichtbeachtung von Altersgrenzen und Ausnahmekriterien durch die Vollzugsorgane. Von sowjetischen Soldaten meist in Städten oder unterwegs Bahnhöfen vorgenommene Aushebungen wurden den rumänischen Behörden nicht zur Kenntnis gebracht. 

Die während der Aushebung erstellten Listen weisen wegen verschiedenen Fehlerquellen eine geringere Anzahl von Deportierten auf. Eine vom Amtsleiter des Dienstes für Arbeitskommandos (Serviciul Deta-şamentelor de Muncă) innerhalb der Generaldirektion der Polizei, I. Clinciu, nach März 1945 erarbeitete undatierte Zusammenstellung ergibt folgendes Zahlenbild: Von den insgesamt 70148 aus Rumänien stammenden Deportierten kamen 7050 aus dem Kreis Arad, 1138 aus dem Kreis Karasch, 3629 aus dem Kreis Severin und 19977 aus dem Kreis Temesch-Torontal. Aus dem Banat und dem Arader Gebiet stammten somit 31794 Deportierte, was einem Anteil von über 40 Prozent entspricht.

Repatriierung der Deportierten

Die ersten Rückführungen von Deportierten fanden im Oktober und November 1945 statt. Es waren Kranke, vereinzelt auch Frauen, die in der Deportation entbunden hatten. Bei der Übergabe der während der Fahrt verstorbenen Deportierten wurden von den sowjetischen Begleitoffizieren Protokolle angefertigt. 

Schon am 22. Oktober 1945 erließ die Generaldirektion der Polizei polizeirechtliche Richtlinien zur Wiedereingliederung der Rückkehrer. An den Grenzstellen und Eisenbahnknoten wurden Kommissionen für die Aussortierung der Rückkehrer (Comisia de triere a repatriaţilor) – entlassene Deportierte und Flüchtlinge – geschaffen, wobei jener in Großwardein (Oradea) eine zentrale Rolle zukam. Die Präsentation zeigt verschiedene Meldeblätter und Identifikationsdokumente, die es den Deportierten ermöglichten, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Dort hatten sie sich innerhalb von zwei Wochen bei den Polizei- und Gemeindebehörden zu melden, um sich anschließend beim Einwohneramt einen Anmeldeschein und später einen Personalausweis ausstellen zu lassen. Die letzen Rückführungen Deportierter haben laut Begleittext der Ausstellung 1950 stattgefunden. Deportierte, die wegen Verstößen gegen die Lagerordnung und anderen Delikten Freiheitsstrafen zu verbüßen hatten, wurden allerdings erst in den frühen 1950er Jahren in ihre Heimat entlassen.

Schlussbemerkungen

Den Autoren der Ausstellung ist eine kompetente, sachliche Herangehensweise an das Thema wie auch ein sichtbares Einfühlungsvermögen zu bescheinigen. Beim Lesen der Dokumente ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Exponaten mit wenigen Ausnahmen (Pressemitteilungen, Briefen) um das Schriftgut eines ausführenden institutionellen rumänischen Hauptakteurs der Deportation – die Sicherheitspolizei – handelt, somit um ein für die Erfüllung spezieller repressiver Aufgaben ausgebildetes Exekutivorgan der Staatsverwaltung und einen militärisch organisierten Überwachungskörper. In den Verordnungen, Instruktionen, Befehlen und Handlungen der Polizeibeamten kommen institutionell geformte Vorstellungen, Handlungsdispositionen und Emotionen zum Tragen, die Angehörige des Sicherheitsapparats in der damaligen Zeit – Endphase des Krieges, Frontwechsel Rumäniens, Diskrimierung der als „Volksfeind“ apostrophierten Deutschen, beginnender gesellschaftspolitischer Umbruch und Sowjetisierung des Landes – mehrheitlich teilten. Diese Perspektive schlägt auch in ihren Berichten durch. 

Die Perspektive der Betroffenen kommt in der Ausstellung zwar mittelbar und interessengeleitet in den Lage- und Stimmungsberichten der Sicherheitspolizei zum Tragen. In reiner Form, sofern keine Selbstzensur waltete, gelangt sie aber allein in den Briefen aus dem Lager oder aus Deutschland und Österreich unvermittelt ans Tageslicht. Die Briefe veranschaulichen den grauen Alltag des Lagerlebens und all das, was die Deportierten belastet und ihre Sorgen, Ängste und ihr Gefühlsleben bestimmt. Im Empfängerland war ihre Korrespondenz der Zensur unterworfen. Zwecks Auswertung durch die Polizei wurden die Briefe seinerzeit ins Rumänische übersetzt.

Die Bukarester Ausstellung vermittelt mehr als Grundwissen und motiviert Historiker, sich mit dem Thema auf lokaler und regionaler Ebene zu befassen. Es wäre schön, wenn der gesamte Bestand von Dokumenten und Akten zur Russlanddeportation der Deutschen digitalisiert und in einem digitalen Archiv der Forschung und sonstigen Interessenten zur Verfügung gestellt werden könnte.

Die mit der ehemaligen deutschen Gauck-Behörde vergleichbare CNSAS will ihr Publikum nicht nur über virtuelle Ausstellungen, sondern auch mit anderen Online-Angeboten erreichen. Deshalb baut die Einrichtung ihr digitales Angebot aus. Über die Ausstellungsseite kann auch die unter der Internet-Adresse www.cnsas.ro/edgl.html kürzlich ins Netz gestellte umfangreiche, aber optimierbare „Datenbank der 1945 in die Sowjetunion zum ,Wiederaufbau‘ deportierten Volksdeutschen“ (Baza de date a etnicilor germani deportați la „munca de reconstrucţie“ în Uniunea Sovietică, 1945) eingesehen werden.