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Auf dem Weg zur synthetischen Zelle

Prof. Dr. Kerstin Göpfrich Quelle: https://goepfrichgroup.de

„Ich war schon immer neugierig auf grundlegende Fragen der Wissenschaft und seit langem fasziniert von der Idee, eine Zelle von Grund auf neu zu entwickeln. Ich bin Professorin an der Universität Heidelberg am Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH) und leite die Max-Planck-Forschungsgruppe Biophysical Engineering of Life. Zuvor habe ich als Skłodowska-Curie Fellow in Stuttgart mit Joachim Spatz an Bottom-up-Synthesebiologie und Mikrofluidik gearbeitet. Im April 2017 schloss ich meine Promotion in Physik als Gates Cambridge Fellow an der Universität Cambridge (Großbritannien) ab, wo ich in der Gruppe von Ulrich Keyser DNA-Origami-Nanoporen baute.“ So stellt sich die junge Wissenschaftlerin Kerstin Göpfrich auf der Website der von ihr geleiteten Max-Planck-Forschungsgruppe vor. 

Die „Banater Post“ berichtete schon zwei Mal über den Werdegang und die Forschungsschwerpunkte der heute 32-jährigen Biophysikerin: 2013, als sie ihr Studium an der renommierten Universität Cambridge fortsetzte, und vier Jahre später, als sie dort ihre Promotion abschloss. Nun hat Kerstin Göpfrich eine weitere Stufe auf der Karriereleiter erklommen: Seit November 2022 ist sie Professorin am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg. Ein erneuter Anlass, auf ihre erfolgreiche wissenschaftliche Laufbahn zurückzublicken und auf den Gegenstand ihrer aktuellen Forschungen kurz einzugehen.

Kerstin Göpfrich wurde 1990 in Regensburg geboren. Sie ist die Tochter von Kurt Göpfrich und Dagmar Göpfrich, geborene Kirch, die beide die Lenauschule in Temeswar besucht haben. Aufgewachsen ist sie in Erlangen. An der dortigen Universität schloss sie 2012 ihr Bachelor-Studium in Physik und Molekularer Medizin ab. Anschließend setzte sie ihr Studium am Cavendish Laboratory der Universität von Cambridge fort, wo sie ihren Masterabschluss in Physik erreichte und 2013 ein Promotionsstudium begann. Sie kam in den Genuss eines prestigeträchtigen Gates-Cambridge-Stipendiums der Bill & Melinda Gates-Stiftung für Doktoranden aus Ländern außerhalb des Vereinigten Königreichs sowie eines Winton-Stipendiums für Promotionskandidaten und verteidigte ihre Doktorarbeit über DNA-Origami-Nanoporen (mehr dazu in der „Banater Post“ vom 5. Juli 2017) im Jahr 2017. 

Von 2017 bis 2019 war Dr. Kerstin Göpfrich als Marie-Skłodowska-Curie-Postdoc-Stipendiatin am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart in der Abteilung von Prof. Dr. Joachim Spatz tätig. In ihrer Forschungsarbeit beschäftigte sie sich mit dem Bau von künstlichen Zellen und funktionalen zellulären Komponenten mit Hilfe von DNA-Nanotechnologie.

Im November 2019 wechselte sie ans Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg (der Nobelpreisträger Prof. Dr. Stefan Hell ist ebenfalls an diesem Institut als Direktor und Leiter der Abteilung für Optische Nanoskopie tätig), wo sie die Leitung der Forschungsgruppe Biophysical Engineering of Life übernahm. „Wir kombinieren DNA-Origami, Mikrofluidik und 3D-Druck, um synthetische Zellen zusammenzusetzen – voller Neugier zu verstehen, was Leben eigentlich ist und ob es möglich sein wird, eine Zelle von Grund auf neu aufzubauen“, heißt es auf der Website der Forschungsgruppe. Ziel der Forschungsarbeiten ist es, einen Prototyp einer synthetischen Zelle herzustellen, die über ein wesentliches Merkmal von Leben verfügt – die Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln. Göpfrich will eine neue molekulare Hardware entwickeln, die auf DNA- und RNA-Origami – der „Faltkunst“ für Makromoleküle in der Nanowelt – basiert und synthetische Lipidvesikel mit zellulären Funktionen ausstattet. Mit ihrer Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln, lässt sich die Funktionalität der Vesikel und ihrer Hardware stetig verbessern. Schrittweise soll so eine künstliche Modell-Zelle entstehen, deren Bausteine zukünftig auch im kranken Organismus spezielle Aufgaben übernehmen könnten.

Beim Bau einer Zelle steht die Wissenschaft noch ganz am Anfang. „Im Moment sind künstliche Zellen nicht viel mehr als Molekülaggregate – Konstrukte aus toter Materie wie in anderen Bereichen der Materialwissenschaften und der Nanotechnologie. Noch sind wir weit davon entfernt, lebende Systeme von Grund auf neu zu erschaffen“, erklärt Kerstin Göpfrich. Doch schon jetzt macht ihr Team Entdeckungen, die für andere Forschungsgebiete und die Medizin nützlich sind. 

Näheres über die Arbeit der Forschungsgruppe kann in populärwissenschaftlichen Artikeln nachgelesen werden: „Aus dem Baukasten der molekularen Ingenieure. Auf dem Weg zur synthetischen Zelle“, erschienen im Forschungsmagazin „Ruperto Carola“ der Universität Heidelberg, Ausgabe 15/2019; „Faltkunst mit Erbgut“, erschienen im Wissenschaftsmagazin „MaxPlanckForschung“, Heft 4/2020. Beide Artikel sind online verfügbar.

Angesichts ihrer erfolgreichen Forschungsarbeit und ihrer unbestreitbaren Kompetenz, ist es nicht weiter verwunderlich, dass Kerstin Göpfrich im November 2022 zur Professorin am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg berufen wurde. Im selben Monat wurde sie mit dem ERC Starting Grant ausgezeichnet. Es handelt sich dabei um eine hochdotierte Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC) für herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler. Für ihre Forschungsarbeit stellte der ERC 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Förderdauer beträgt fünf Jahre. 

Kerstin Göpfrich ist Wissenschaftlerin aus Leidenschaft. Sie will Wissenschaft erlebbar und ihre Forschung für Schüler, Studierende und die breite Öffentlichkeit zugänglich machen, um zu einem informationsbasierten gesellschaftlichen Dialog über zukunftsweisende Technologien beizutragen. Und das tut sie über Webvideokonferenzen auf Ring-a-Scientist, einer von ihr initiierten Internetplattform, auf Twitter und YouTube oder über Medien wie die publikumsinteraktive Wissenschaftsradio-Talkshow „The Naked Scientists“ von BBC Radio 5 Live, den Fernsehsender ZDFneo oder das Magazin „Spektrum der Wissenschaft“.