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Im Herzen der Päda-Legende

Das Treppenhaus in der ehemaligen Päda. (Foto: Georg Schmidt)

Die Geschichte einer Lehrer-Generation – von ihr selbst geschrieben - Das jüngste Buch über die Temeswarer Päda, konzipiert von Katharina Schmidt (geb. König), ist ein Berg an Informationen. Von diesem Berg blicke ich zurück in das Land meiner Kindheit. Beginnend mit dem Jahr der Schulreform 1948, in dem die Lehrerbildungsanstalt gegründet wurde, war ich Schüler in ihrer Übungsschule. Wir teilten uns denselben Schulhof, und ab dem fünften Schuljahr unterrichteten mich dieselben Professoren. Als ich 1955 zur Lenau-Schule wechselte, schlugen sich die Absolventen der ersten Serien längst mit den Tücken des real existierenden Sozialismus herum. Von den Funktionären des Regimes wurden sie als Mädchen für alles missbraucht, beginnend mit dem Telefondienst beim Volksrat bis zum Zählen der Obstbäume.

Das Buch führt mir vor Augen, wie reich an Erinnerungen ich bin.

Von 1948 bis 1958 hat die Deutsche Pädagogische Lehranstalt Temeswar mehr als 500 Lehrerinnen, Lehrer und Kindergärtnerinnen ausgebildet. Die Absolventen der Lehrer-Klassen waren in 130 Banater Ortschaften tätig, die Absolventen der Kindergärtnerinnen-Klassen in rund 50 Banater Ortschaften. In dem Buch sind sowohl ihre Herkunftsorte als auch ihre Wirkungsstätten auf farbigen Karten verzeichnet. Auch die Verteilung der im Laufe der Jahre ausgesiedelten Lehrer auf die Bundesländer wird auf einer Karte veranschaulicht.

Zu den Sternen

Katharina Schmidt hat schon einmal ein Absolventenbuch zusammengestellt, nämlich das Buch ihres Jahrgangs 1957 (erschienen 2007). Sie erfuhr damals so viel Zuspruch, dass sie sich entschloss, die Gesamtredaktion für eine Geschichte der gesamten Schule zu übernehmen. Abgesehen von der eigenen Dokumentation konnte sie sich auf die Bücher der Jahrgänge 1954 und 1956 stützen (erschienen beide 2006). Die Herausforderung bestand darin, die Biografien zu ergänzen, die unsicheren Angaben zu klären, möglichst viele noch nicht verwendete Fotos ausfindig zu machen. Gewährsleute aus allen Jahrgängen haben dabei geholfen.

Den zwei Standard-Kapiteln des Genres (eines über die Professoren, eines über die Absolventen) wurden mehrere Texte vorangestellt. Sie informieren über das Banat und die Banater Schwaben, über die deutsche Lehrerausbildung im Banat seit 1774, über die Unterrichtsreform von 1948. Ein Mosaik von Erinnerungen nebst 250 Fotos rundet die Darstellung ab. Den Schwerpunkt bilden hier die in einen Aufsatz gefassten Erinnerungen von Eva Marschang (geb. Kugler), Absolventin des Jahres 1950. Sie beziehen sich auf die Anfangsjahre der Päda im Wetterleuchten der dogmatischen Politik. Wir lesen von Armut, Unverständnis für die aus dem bäuerlichen Milieu stammenden Schüler, Mangel an Lehrbüchern, Indoktrination, Phrasendrescherei, Verunsicherung, Terror.

Rund 60 von 280 Seiten sind den Professoren und Übungsschullehrern gewidmet. Trotz Mangel und Enge, trotz staatlicher Diktatur und aufgezwungener Ideologie begeisterten sie die Päda-Schüler mit Erfolg für Literatur, Theater, Musik, Sport und Brauchtumspflege. Was für eine Elite-Schule das war, können wir am späteren Werdegang einiger Professoren ablesen.

Der erste Direktor, Dr. Stefan Binder (Deutsch), wurde 1956 zum Leiter des Lehrstuhls für deutsche Sprache an der neu gegründeten Pädagogischen Hochschule ernannt, aus der 1962 die Universität Temeswar hervorging. Dr. Maria Pechtol (Deutsch), Dr. Hans Weresch (Deutsch), Dr. Johann Wolf (Pädagogik, Logik und Psychologie) und Josef Zirenner (Deutsch) setzten ihre Tätigkeit am genannten Lehrstuhl der Universität fort. Friede Fuchs (Deutsch) wechselte von der Lehrerbildungsanstalt zur Lenau-Schule und von dort zur Universität. Charlotte Gutmayer (Deutsch, Geschichte und Französisch) ging zum Fremdsprachen-Lehrstuhl des Polytechnischen Instituts, Gabriele Haivas (Russisch) nach einem Intermezzo als Schulinspektorin zum Slawistik-Lehrstuhl der Universität. Die Karriere von Josef Ackermann (Musik) gipfelte in seiner Tätigkeit als Dozent am Bukarester Konservatorium „Ciprian Porumbescu“. Anton Höckl (Sport) stieg nach einem Intermezzo als Direktor der Sportschule zum Dekan der Fakultät für Leibeserziehung auf, die der Universität angegliedert war. Dr. Peter Lamoth (Mathematik und Physik) wurde 1967 zum Professor am Physik-Lehrstuhl der Elektrotechnik-Fakultät des Polytechnischen Instituts berufen. Ioan Géza Stoica (Rumänisch) bekleidete von 1958 bis 1964 das Amt des Dekans der Philologie-Fakultät der Universität und war zugleich Leiter des Lehrstuhls für rumänische Sprache und Literatur.

Den Abschluss bilden Berichte über die oft dramatische Aussiedlung und die berufliche Integration in der Bundesrepublik. Gewöhnlich dauerten die Verfahren zur Übernahme in den Schuldienst mehrere Jahre. Von 357 ehemaligen Absolventen der Päda konnten schließlich 216 in Grundschulen, Hauptschulen und Sprachschulen bzw. als Erzieherinnen (im Kindergarten) tätig sein. 67 übten andere Berufe aus, vom Hausmeister bis zum Bankangestellten. Zu ihnen treten jene, die in Rumänien ein Hochschulstudium absolviert hatten und bereits dort einen anderen Beruf als den eines Lehrers ausübten.

Am Schwarzen Meer

Ebenso wenig wie die Aussiedler über die Verhältnisse in der neuen Heimat informiert waren, wussten die hiesigen Behörden über die Rumäniendeutschen im Allgemeinen und über die Ausbildung ihrer Lehrkräfte im Besonderen Bescheid. Als Magdalena Karabensch (geb. Köhl) ihren Dienst antrat, fragte der Rektor, welche Lehrfächer sie unterrichten könne. Die Antwort lautete: „Fast alle – außer Schwimmen.“ Darauf der Rektor: „Was, Sie können nicht schwimmen, nachdem Sie am Schwarzen Meer groß geworden sind?“ Es kostete Mühe, ihm zu erklären, wie weit das Schwarze Meer und das Banat auseinander liegen.

Im Vorwort wird begründet, warum das Buch nicht auf die von den Lehrern angeregte und geleitete Kulturtätigkeit eingeht. Darüber sei in den früheren Absolventenbüchern und in Veröffentlichungen der Heimatortsgemeinschaften sowie der Landsmannschaft berichtet worden. Tatsächlich wäre die Seitenzahl durch ein solches Kapitel stark angewachsen. Der ehemalige General-Schulinspektor Heinrich Schubkegel äußerte sich hierzu wie folgt: „Die seit 1948 neu- oder wiedergegründeten deutschen Schulen waren mehr als nur ein Aushängeschild für die neue Nationalitätenpolitik Rumäniens. Sie wurden sehr bald zum Dreh- und Angelpunkt des kulturellen Lebens in den einzelnen Ortschaften.“

Man darf sagen, das kulturelle Engagement der Junglehrer aus Temeswar (und – zeitgleich – jener aus Schäßburg) war ein wesentlicher Faktor des Kulturlebens in deutscher Sprache nach dem Krieg.

 

Katharina Schmidt (Gesamtredaktion): Deutsche Pädagogische Lehranstalt Temeswar 1948-1958. München: Landsmannschaft der Banater Schwaben, 2012. 284 Seiten (Banater Bibliothek, Bd. 10). Zu bestellen zum Preis von 24 Euro (plus Versand) bei der Landsmannschaft der Banater Schwaben unter Telefon 089 / 2355730, E-Mail: landsmannschaft@banater-schwaben.de oder über unseren Banater Shop