„Der Wind von heute rüttelt an den Einsichten von gestern.“
(Monika Kühn-Görg)
Memmingen, 15. September 2022. Gerti und ich sind im Allgäu Airport, dem höchstgelegenen Flughafen Deutschlands. Der Airbus A321-200 von Wizz Air mit der Flugnummer W6 3618 und 200 Passagieren rollt auf die Startbahn. Wir haben nicht viel Bordgepäck dabei, meine Erinnerungen wiegen ohnehin schwerer. Die Maschine wird schneller und hebt mit einer Startgeschwindigkeit von 280 Stundenkilometern ab. Natürlich fliegt sie vorwärts, aber ich habe den Eindruck, dass es rückwärts geht. Nach Suceava in der Bukowina, wo ich vor 45 Jahren die Aufnahmeprüfung an der Philologischen Fakultät der Universität bestanden habe. Nach zwei Stunden Flugzeit setzt der Flieger sanft auf. Der Applaus der Passagiere reißt mich aus meinen Gedanken. Sie kreisen um die Zeit von damals. So viele Jahre sind seither vergangen. Was werde ich vorfinden? Wie werde ich mich fühlen? Wird alles gut gehen? Wir steigen aus und betreten rumänischen Boden. Endlich bin ich wieder zurück. Willkommen in der Vergangenheit!
Es beginnt zu nieseln. Als ob der Himmel vor Freude über das Wiedersehen weint. Dann stoppt er den Regen und schickt ein paar Sonnenstrahlen zur Begrüßung. Es geht zum Hotel. Das gab es damals noch nicht. Wir machen uns frisch und auf den Weg zur Universität. Die grauen Wohnblöcke entlang der Straße sind noch dieselben, die Menschen andere. Wir bestaunen die duftenden Blumenbeete entlang der Gehsteige und die üppige Blütenpracht in manchen Fenstern. In Suceava sollen die Rosen sogar dreimal im Jahr blühen. So viele Blumen sieht man nur noch in österreichischen Urlaubsgebieten. Vielleicht haben die Habsburger die blühende Pracht hier eingeführt, als das Gebiet am östlichen Karpatenbogen 1775 an Österreich fiel. Weil so viele Buchen dort wuchsen, nannten sie es Buchenland und machten es zu ihrem Kronland. Die Besiedlung mit Deutschen erfolgte wie im Banat vor allem unter Kaiserin Maria Theresia. Sie kamen vorwiegend aus Südwestdeutschland, Böhmen und der Zips. Aber auch aus dem Banat zog so mancher, der mit den dortigen Verhältnissen nicht zufrieden war, in die Bukowina. Das Wort „Buc“ stammt aus dem Slawischen und bedeutet Buche. Während unseres zehntägigen Aufenthaltes sollten wir den österreichischen Spuren noch öfters begegnen.
An der Universität angekommen, treten wir ein. Im Inneren sieht es noch genauso aus wie damals. Renoviert worden ist in den vergangenen Jahrzehnten anscheinend nichts. Es riecht muffig. Unter den Talaren der Muff aus tausend Jahren. Und plötzlich sehe ich sie, die Prüfungslisten. Sie hängen wie damals aus. Die Gedanken rasen zurück in jene ferne Zeit, als ich mein Herz beim Blick auf die Listen bis zum Hals schlagen spürte. Dann das Aufatmen. Geschafft! Bei einer Konkurrenz von 12,5 Kandidaten für einen Studienplatz. Eine weitere Etappe auf dem Weg zum Traumziel Journalist war erreicht. Ich begann für die Tageszeitung „Neuer Weg“ über die Bukowina zu berichten, fuhr öfters in die Zentralredaktion nach Bukarest, wo mich jungen Burschen der Perjamoscher Chef vom Dienst Hans Frank und der Temeswarer Ressortleiter Lokales Walter Jass unter ihre bewährten journalistischen Fittiche nahmen.
In Gedanken versunken verlasse ich mit meiner Lebensgefährtin das altehrwürdige Uni-Gebäude. Auf dem weiten Gelände ist es still und kein einziger Mensch zu sehen. Ganz anders wie einst, als die Studentenheime im Rhythmus der Musik vibrierten. Damals waren zahlreiche Jugendliche aus Griechenland hier, um das Vorbereitungsjahr zu absolvieren, in dem sie die fürs Studium notwendige rumänische Sprache erlernt haben. Nonstop legten sie Lieder aus ihrer geliebten Heimat auf. Die Bouzouki klang durch die Sommernacht. Kalispéra, Griechenland! Den letzten Sirtaki gab es nicht, weil so manche Nacht zum Tage wurde. Seit dieser Zeit liebe ich griechische Musik.
Am nächsten Morgen holt mich die Vergangenheit wieder ein. Wir starten die Klöstertour durch die Südbukowina, wie ich sie mit meinem Vater vor Jahrzehnten gemacht habe, der zu mir nach Suczawa gekommen war, wie die Stadt auf Deutsch heißt. Ich habe mir damals in jedem Kloster Ansichtskarten gekauft und vor Ort auf der Rückseite Notizen über das Gesehene und Gehörte gemacht. Über all die Jahrzehnte habe ich die Karten wie einen Schatz behütet. Jetzt sind sie natürlich dabei. „Wir haben ein Traumwetter in einer zauberhaften Landschaft“, hatte ich über die damalige Tour am 8. September 1977 notiert, an der 18 Leute in einem ONT-Bus teilnahmen, dessen Fahrer gleichzeitig Reiseleiter war. Jetzt ist Florin (56) unser Fahrer und Guide. Der Telekommunikationsingenieur kutschiert uns allein an diesem Tag 300 Kilometer durch eine Traumkulisse: sanfte Gebirgshänge, wo man noch das Getrabe des majestätischen Auerochsen zu hören glaubt, des moldauischen Wappentieres, reiche Fluren, liebliche Auen, dichte Wälder, saubere Almen, schmucke Dörfer, die von sattem Grün überflutet sind, weit auslaufende Höhenzüge, an die sich jahrhundertalte Buchen sowie Nadelbäume schmiegen und uns mit ihren Ästen zuzuwinken scheinen. Jetzt verstehe ich, warum diese Landschaft „süße Bukowina“ genannt wird. Am liebsten würde ich die Augen schließen und vor mich hinträumen. Doch dann verpasse ich zauberische Augenblicke. So wünsche ich, dass unser Weg nie enden möge. Er schlängelt sich wie bei einem Slalom an rauschenden Bächen und buntbemalten Klosterkirchen vorbei mit der Sonne als treuer Begleiterin. Ihre Strahlen vom blauweißen Himmel liebkosen unsere Seele und lassen den frischen Morgentau wie Silberperlen glitzern. Wir atmen die würzige Luft tief ein, sehen blühende Magnolien und Akazien. Im Herbst wohlgemerkt. So muss es im Paradies aussehen. „Grüne Mutter Bukowina/Schmetterlinge im Haar...Violette Föhrenzapfen/Luftflügel Vögel und Laub.../Der Karpatenrücken väterlich/lädt dich ein/dich zu tragen“, beschrieb die Lyrikerin Rose Ausländer in ihrem Gedicht „Bukowina I“ die bezaubernde Landschaft ihrer Heimat. Bestimmt schaut mein Vater von oben zu. Er ist ohnehin immer bei mir. Seit seinem Tod trage ich seine Uhr am Handgelenk.
Vor 45 Jahren habe ich mit ihm acht Klosterkirchen besucht, jetzt ist es eine mehr. Die von Pătrăuți wurde vor 200 Jahren von den Habsburgern geschlossen und blieb es bis im vergangenen Jahr. Ich stelle fest: Selbst in den Gotteshäusern mit ihren pittoresken Innen- und Außenfresken hat sich manches verändert. 1977 war die letzte Ruhestätte des Wojewoden Stefan des Großen an der Südwand der Kirche in Putna ein schlichtes, schmuckloses Marmorgrab. Jetzt ist es mit einem herrlichen rot-weißen Rosenstrauß, fünf hängenden Weihrauchschwenkern, einem Silberkelch und einer farbenfrohen Ikone reich geschmückt. Die Rundbogen über dem Grab wurden mit Blattgold und einem schwungvollen Schriftzug verziert. Vielleicht war Stefans Grab früher so einfach, weil Machthaber Nicolae Ceaușescu keinen Nationalhelden neben sich duldete. Dabei waren die kommunistischen Bonzen längst nicht so atheistisch, wie sie sich zeigten. Heimlich ließen sie ihre Kinder in den Klosterkirchen taufen wie in jener von Dragomirna.
Absoluter Höhepunkt unserer Tour ist das weltberühmte Kloster Voroneț, auch „Sixtinische Kapelle des Ostens“ genannt, mit seiner geheimnisvollen, leuchtend blauen Farbe, die sich mit den Jahreszeiten verändert: Hellblau im Sommer, Dunkelblau im Winter. Die chemische Formel ihrer Zusammensetzung ist bis heute unbekannt und der Begriff „Voroneț-Blau“ zum Markenzeichen geworden. 1993 wurde das Kloster in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Plötzlich beginnen die beiden Klosterglocken zu läuten. Es klingt wie vor viereinhalb Jahrzehnten. Bei genauerem Hinhören scheinen sie zu rufen: „Ştefan...Vodă, Ştefan...Vodă.“ Dazu ist eine besondere Technik beim Läuten notwendig, wie man uns seinerzeit erzählt hat.
Als wir durch die ehemalige Zipserortschaft Jakobeny fahren, erinnere ich mich an meinen Namensvetter Helmut, der zu meiner Zeit Maschinenbau in Suceava studiert hat. Zurück in der Kreishauptstadt schlendern wir durch die schmucke, 500 Meter lange Fußgängerzone. Damals gab es sie nicht. Wir sehen wenige Menschen, dafür viele ausländische Banken. Auf einer Länge von 140 Metern sind es deren fünf, drei nebeneinander. Ich bin gespannt, ob wir einheimische Deutsche treffen. In Suceava sollen noch 400 bukowinadeutsche Familien leben.
Wir kommen an der römisch-katholischen Kirche des Heiligen Johannes Nepomuk an, einem von den Habsburgern errichteten klassizistischen Barockbau. Wie oft habe ich als Student seine wohltuende Stille im Inneren gesucht und Einkehr gefunden. Es gibt immer noch Gottesdienste in deutscher Sprache. Neu für mich ist die vor der Kirche stehende Statue von Johannes Paul II. Sie wurde zehn Jahre nach seinem Rumänienbesuch 1999 aufgestellt. Doch irgendwann stand der Pontifex ohne Kreuzstab da. Er war gestohlen worden, was für viele Schlagzeilen sorgte. Jetzt hält der Papst einen anderen, zwei Meter hohen Hirtenstab in seiner linken Hand.
Während der Studienzeit kam ich mit dem Schnellzug Temeswar – Jassy nach Suceava. Da mein Vater am Nordbahnhof der Begastadt bei der Post arbeitete, durfte ich mit seinen Kollegen im Postwaggon in die Bukowina reisen. Das war besonders im Winter angenehm, da im sonst kalten Zug ein Ofen den Postwaggon wärmte. Ich bekam einen blauen Kittel und half während der Fahrt beim Sortieren der Briefe. Als ich in dieser Aufmachung an Bahnhöfen aus dem Zug sprang, um mir etwas am Kiosk zu kaufen, machten die mitreisenden Kommilitonen große Augen und riefen mir zu, was los sei.
Während der Studienzeit erhielt ich in einer von meinem Thierjung-Phatt angefertigten Holzkiste, die wegen der wechselnden Empfängeradressen einen ausziehbaren Deckel hatte, wöchentlich Kuchen, Wurst, die geliebten Salzkipfel, saubere Wäsche und andere Sachen von meinen Eltern aus Großjetscha geschickt. Ich musste zum Bahnhof Suceava Nord, um die Pakete von Vaters Kollegen im Postwaggon abzuholen. Jetzt stehe ich wieder in Ițcani. Doch es kommt kein Schnellzug mehr aus Temeswar an. Und es gibt keine Passagiere auf den verwaisten Bahnsteigen, dafür ein eingestürztes Dach, durch das es regnet, vagabundierende Hunde, viel Müll, eingeschlagene Scheiben und Flöhe in der Bahnhofshalle. Was ist nur aus dem von den Habsburgern im neoromantischen Stil errichteten ehemaligen Grenzbahnhof zwischen Österreich-Ungarn und dem Königreich Rumänien geworden? Ein einst blütenweißer Prachtbau mit neugotischen Zinnen und Ecktürmen ist dem Verfall preisgegeben.
Zurück im Zentrum suche ich nach meinem ehemaligen Lieblingsplatz. Damals saß ich im Grünen auf einer Bank, der Radiorekorder spielte „Komm unter meine Decke“ mit Gunter Gabriel, als ich ihn sah – Stefan den Großen. Sein Denkmal war kurz vorher aufgestellt worden. Da ich den Sockel wegen der jungen Bäume nicht sehen konnte, schien es, als käme der Wojewode auf seinem Pferd über die Baumwipfel geflogen – direkt unter meine Decke. Wir finden den Sitzplatz. Die morschen Holzbänke stammen von damals, doch Stefan ist weg. In den vergangenen Jahrzehnten sind die kleinen Bäume groß geworden und versperren die Sicht. Wir sehen den Großen erst, nachdem wir 270 Stufen hochgestiegen sind und plötzlich vor ihm stehen. Sein Reiterdenkmal ist mit 23 Metern das höchste derartige in Rumänien. Doch auch sonst überragt Stefan alles. Nach ihm benannt ist in Suceava der Flughafen, eine Straße, das Nationalkolleg, die Universität und sogar eine Wodkamarke. 47 Jahre lang regierte er von hier aus. Die Festung konnte nie durch Kämpfe erobert werden, obwohl Suceava fast 200 Jahre lang Hauptstadt des Fürstentums Moldau war. Schon zu meiner Zeit wurde die Burg renoviert, doch mangels Geld konnten ihre Verteidigungsmauern nicht wesentlich erhöht werden. Das geschah erst in den vergangenen Jahren mit EU-Mitteln. Dass es die Festung in dieser Form gibt, ist den Habsburgern zu verdanken. Ihre Architekten leiteten die Arbeiten, bei denen die verschütteten Ruinen freigelegt und der Abtransport der Steine für Bauzwecke gestoppt wurde.
Wir verlassen die Bukowina, aber nicht die Moldau. Es geht ins 100 Kilometer entfernte Piatra Neamț, wo ich 1977/78 neun Monate beim Militär war. Weil es im Mittelalter eine deutsche Siedlerkolonie hier und im nahen Târgu Neamț gab, heißt die Kreishauptstadt übersetzt „Stein des Deutschen“. Ihr deutscher Name lautet Kreuzburg an der Bistritz. Sie wurde schon zu meiner Zeit „Perle der Moldau“ genannt und ist es bis heute geblieben. Piatra Neamț zählt zu den malerischsten Städten Rumäniens, deren historische Bausubstanz rund um den Freiheitsplatz wiederaufgebaut wurde.
Unser erster Weg führt uns zur Kaserne, die stadtauswärts Richtung Bacău liegt. Unterwegs passieren wir das Krankenhaus, in dem ich interniert war, als ich mir während der harten Ausbildung als Infanterist den Knöchel gebrochen habe. An der Militäreinheit angekommen, traue ich meinen Augen nicht. Hier soll ich Soldat gewesen sein? Die Kaserne mit den paar Soldaten wirkt wie ausgestorben, befindet sich in einem trostlosen Zustand. Die meisten Gebäude sind verlassen und auf dem Weg zu Ruinen. „Vor der Kaserne, vor dem großen Tor/Stand nie eine Laterne und auch sonst nichts davor.“ Dafür saßen Pappsoldaten mit Holzgewehren um die Ecke, die das Gelände bewachten. Zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Wir hören, dass die gravierenden Mängel mit dem Abschaffen der Wehrpflicht zusammenhängen. Hauptsache, die NATO-Fahne weht am Eingang.
Einen Tag später steigen wir auf den Pietricica, den 532 Meter hohen Hausberg von Piatra Neamț. Diesmal haben wir es leichter als ich beim Militär. Mit aufgesetzter Gasmaske ging es damals hinauf. Oben angekommen, befahl man uns, auf Skiern den Berg hinunterzufahren. Die meisten taten es zum ersten Mal und stürzten. Irgendwann wurde uns die Gasmaske zu viel. Einige setzten sie nicht mehr auf. Befehlsverweigerung, ein Riesenskandal! Die Divisionsführung aus Jassy schaltete sich ein, drei Securitate-Agenten verhörten uns, um die Rädelsführer zu finden. Vergebens.
Wieder unten marschieren wir durch die Stadt, aber nicht wie einst singend im Gleichschritt. Unsere 150 Mann starke Kompanie bestand vorwiegend aus Theologiestudenten, die sehr gut singen konnten. „Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren, öffnen die Mädchen die Fenster und die Türen.“ So war es auch damals, als die Stadtbewohner begeistert applaudierten.
Jetzt kommen wir am Ceahlău-Hotel vorbei. Es heißt immer noch so. An meinem 20. Geburtstag wohnte ich darin mit meinem Vater, der mir trotz 930 Kilometern Fahrt mit dem Zug zwanzig Schneeglöckchen aus unserem Garten in Großjetscha als Geschenk mitgebracht hat. Eine rührende Geste, die ich nie vergessen werde. Auch nicht das Finale um die Handball-Weltmeisterschaft der Herren zwischen Deutschland und der UdSSR, das im rumänischen Fernsehen übertragen wurde. Wir sahen es in der Hotellobby zusammen mit anderen Zuschauern im TV an, die sich verwundert die Augen rieben, weil ich in rumänischer Soldatenuniform mit den Deutschen jubelte, die erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg die Weltmeisterschaft gewonnen haben.
Nach einer Fahrt mit der Drahtseilbahn, die es während meiner Armeezeit in Piatra Neamț nicht gab und Abstechern in die wildromantische Bicaz-Klamm, zum idyllischen Lacul Roşu, dem zackigen Ceahlău, ins malerische Bicăjel-Tal sowie zur stolzen Festung Neamț geht՚s zurück nach Suceava. Dort ziehen wir Bilanz und stellen fest, dass wir 1000 Kilometer kreuz und quer durch die Bukowina gereist sind. Neben den imposanten Klöstern haben wird auch andere Attraktionen besucht wie das traditionelle Dorf Ciocăneşti, wo die Muster von Volkstrachten als dekorative Ornamente auf die Häuserfassaden gemalt sind, den Wallfahrtsort und das Salzbergwerk Cacica, den heruntergekommenen Kurort Vatra Dornei, das Gedenkhaus und Grab des Komponisten Ciprian Porumbescu, das Zentrum für schwarze Keramik in Marginea, den Rarău mit den Pietrele Doamnei, die Klause von Daniil Sihastrul, Europas größte buntbemalte Eiersammlung im Museum von Marginea und fuhren mit der Waldbahn Mocănița Huțulca ab Moldovița durch die malerische Landschaft.
Während der Reise haben wir mit mehreren Einheimischen gesprochen, dabei viel Frust sowie Unzufriedenheit mit ihren Lebensverhältnissen und Politikern vernommen. „Das sind alles Diebe, die sich die Taschen vollstopfen“, schimpfte einer. Und ein anderer meinte: „Was Ceauşescu gebaut hat, konnte bis jetzt nicht mal getüncht werden.“ Reiseleiter Florin gestand: „Wenn ich sage, dass früher vieles besser war, stempeln mich die Jüngeren als Kommunist ab.“ Unser Zimmermädchen, das mit 20 nach Spanien ging und nach sechs Jahren heimgekehrt ist, um eine Ausbildung zu machen, klagte: „In Madrid hatte ich als Jugendliche Nachlass im öffentlichen Nahverkehr, beim Einkaufen. In Rumänien kümmert sich der Staat nicht um die Jugend.“
Unser letzter Tag in Suceava und noch immer keine Bukowinadeutschen in Sicht. Doch dann führen uns die unergründlichen Wege des Herrn doch noch zusammen. Wir betreten die katholische Kirche, wo die heilige Messe in rumänischer Sprache abgehalten wird. Das Gotteshaus ist bis auf den allerletzten Platz gefüllt, sogar auf den Gängen drängen sich die Menschen, unter ihnen erstaunlich viele Kinder. In diesen unsicheren Zeiten suchen die Leute Halt im Glauben. Das haben wir auch beim Besuch der orthodoxen Klöster festgestellt.
Als wir die Kirche verlassen, hört uns eine junge Familie reden und spricht uns an. Es sind Bukowinadeutsche aus der Nähe von Suceava. Tochter und Sohn haben blaue Augen und blonde Haare. Sie besuchten die Messe im Gotteshaus, in dem sie getraut und die Kinder getauft worden sind. „Kommt ihr wieder?“, fragen sie uns. Die Antwort weiß ganz allein der Wind, der die Blätter im angrenzenden Park zärtlich streichelt. Sie scheinen zu flüstern: „Der Wind von heute rüttelt an den Einsichten von gestern.“ Und morgen beginnt ein neuer Tag. Wobei in den Sternen steht, was er bringen mag...