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Glaube und Brauchtum bei den Donauschwaben (Teil 2)

Stefan Jäger, Kirchgang am Palmsonntag Quelle: https://jaeger.banater-archiv.de; WK 606

1.2 Dreikönig

Neben dem 1. markierte auch der 6. Januar Jahrhunderte lang den Jahresbeginn. Noch in alten Kalendern des 18. Jahrhunderts wird der Dreikönigstag als Hoch- oder Großneujahr genannt. Ist Weihnachten heute das Familienfest der Christenheit, so ist die Epiphanie das Fest der Erscheinung des Herrn und Weltfest der katholischen Kirche. Ihm folgt am 2. Februar Maria Lichtmess, als Abschluss der kirchlichen Weihnachtszeit. Der Dreikönigskult (Bekehrung der ersten drei Heiden zum Christentum) breitete sich aus, nachdem 1164 die Reliquien der Heiligen durch Rainald von Dassel von Mailand nach Köln gebracht wurden. Zur Erinnerung an die Pilger, die von einem Stern zur weihnachtlichen Krippe geleitet wurden, zogen im Laufe der Zeit die Sternsinger Kaspar, Melchior und Balthasar in den ersten Tagen des Jahres in orientalischen Gewändern und mit einem Stern über die verschneiten Felder, durch die winterlichen Dörfer und Städte. Selbst wenn die drei Heiligen nicht persönlich auftreten, können sie schon Glück bringen, wenn der Hausvater ihre Namen, ja sogar bloß deren Anfangsbuchstaben mit geweihter Kreide an die Türen der Wohn- und Wirtschaftsgebäude schreibt: C † M † B (eigentlich Christus mansionem benedicat, 'Christus segne dieses Haus'). Dabei wurden die Räume ausgeräuchert und mit Weihwasser besprengt. Der alte Brauch des Spendensammelns wurde von der Katholischen Jugend übernommen, die ihre Mitglieder in letzter Zeit als Heilige Dreikönige auf die Wanderschaft schickt, um für die Hungernden der Dritten Welt selbst in den Großstädten Almosen zu sammeln. So wurde ein abklingender Brauch durch neue Sinngebung wiederbelebt. (Vgl. Paul Kaufmann: Brauchtum in Österreich. Feste, Sitten, Glaube. Wien/Hamburg 1982).

Während das Dreikönigsspiel in den meisten Gebieten Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr anzutreffen war, konnte man es im Banat noch in den 1980er Jahren erleben. In Sackelhausen zogen die als Dreikönige verkleideten Jungen am 6. Januar mit ihrem Stern singend von Haus zu Haus. In jedem Haus trugen sie ihr hochdeutsch überliefertes Lied vor, das den Bogen schlägt von Weihnachten, der Geburt Jesu, zu seiner Namensgebung:

Wir heilig drei König, wir kommen in Regen und Wind, / Wir suchen das neugeborene Kind. / Wir fanden es im Krippelein. / Wir fanden es nackt und bloß. / Josef, liebster Josef mein, zieh՚ dein Hemdlein aus, / Wir machen dem Kindlein Windeln daraus. / Wir machen es hübsch, wir machen es fein, / Herr Jesu soll sein Name sein.

Dafür erhielten sie von der Hausfrau Geld, Wurst und „Krapple“, also Schmalzkrapfen, das Gebäck des Tages und der bald folgenden Faschingszeit. 

Am Lostag Lichtmess (2. Februar) werden die Tage schon ersichtlich länger und die Spinnstuben gehen zu Ende. Deshalb sagt der Volksmund: Lichtmess, spinne vergess, am Tach zu Nacht gess.

Am Blasiustag (3. Februar) wurde man in der Kirche mit zwei gekreuzten, brennenden Kerzen gegen Halsbreining (Halsbräune) ‚Diphtherie‘ gesegnet (Blasiussegen). Der heilige Blasius wird meist zum Schutz vor Halskrankheiten angerufen.

Weitere Lostage im Bauernjahr sind Petri Stuhlfeier (22. Februar), als Gedächtnis an den Apostel Petrus, den ersten Bischof von Rom. Es heißt: Ist es an Petri Stuhlfeier kalt, / so hat der Winter noch lange Halt. 

Schließlich wird der Matthiastag (24. Februar) beobachtet. Der Bauer weiß: Matheis, brech Eis. / Hoste (hast du) kaans, machst՚r aans. 

Valentin (Faldin) galt vielerorts als Schutzpatron der Kranken. Sein Tag (14. Februar) galt als Gemeindefeiertag, an dem die Feldarbeit ruhte. Man ging in die Kirche und fastete, um vor der hinfallenden Krankheit (Epilepsie) verschont zu werden. Aus Amerika kam der moderne Valentinstag. 

1.3 Fastnacht

Die Fastnacht (d.h. der Fasching oder Karneval) beginnt um Neujahr und reicht bis zum Aschermittwoch, d.h. bis zum Beginn der österlichen Fastenzeit. An Fasching is der Teiwl los und: Die Fasching hat e Loch, tanze tun mer doch behaupten weitverbreitete Sprichwörter und nennen damit zwei Hauptkomponenten der donauschwäbischen Faschingsbräuche: Maskierungen und unermüdliche Unterhaltung bis zu den heutigen Halloween-Feiern, den Streetpartys und Love Parades. Auffällig ist die Vielfalt der Faschingsbräuche: vom heidnischem Maskenbrauchtum (der Verbindung mit höheren Mächten zur Abwehr böser Dämonen) bis zur agrarischen Substanz (Vegetationsriten) und zu bürgerlichen Bräuchen (Narrentum und Volksfest). Fasching (eigentlich bair.-österr. Faschang 'Ausschank vor der Fastenzeit') wurde zu: ung. fasang, farsang, fársáng, farsong (vgl. farsangol‚ Fastnacht feiern, schwärmen), rum. farşang, fărşang, serbokr. fašanke, fašenk, fašinak, fašenak.

Das Fasteneinläuten am Faschingsdienstag um 23 Uhr kündet das Ende der Faschingszeit an, die oft symbolisch (als Strohpuppe oder Weinflasche) verbrannt oder begraben wurde. 

2. Oster- und Pfingstbräuche

Die Termine für Ostern und Pfingsten markieren die Höhepunkte des religiösen Frühlingsbrauchtums. Die Fastenzeit leitet vom ausgelassenen Faschingstreiben zur Osterzeit über. Von Aschermittwoch bis Ostern wurde nach Möglichkeit gefastet. Wie im Advent trugen Frauen und Mädchen in dieser Zeit in vielen donauschwäbischen Gemeinden dunkle Kleider, um ihr Mitgefühl mit dem Leiden Christi zu bekunden. Besonders streng wurde darauf geachtet, dass am schwarzen Sonntag (zwei Wochen vor Ostern) alle Gläubigen – auch junge Mädchen – sich schwarz kleideten. Die Kirchenfarbe ist dann violett. An jedem Freitag- und Sonntagnachmittag fanden Kreuzwegandachten statt. In der Fastenzeit verrichteten die katholischen Dorfbewohner planmäßig ihre österliche Beichte. 

Am Palmsonntag trugen alle Gläubigen, Kinder und Erwachsene – in Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem – Palmzweige, eigentlich Zweige der Sal- oder Palmweide (Salix caprea) mit aufgeblühten Kätzchen zur Kirche, die nach der Messe geweiht wurden. Zur Segenwirkung steckten sie Bauern auf ihre Felder, damit die Saaten gut gedeihen, auf die Gräber der Angehörigen und bewahrten sie im Haus auf. Bei Halsweh sollte man geweihte Palmkätzchen schlucken. Man hielt das geweihte Grün für heil- und segenkräftig. Als Fruchtbarkeitssymbol steht der Palmbusch auf einer Stufe mit den vielförmigen Maien, d.h. mit Zweigen und Bäumen der Frühlings- und Maifeste, und kann auch mit dem Würzwisch zu Mariä Himmelfahrt in Verbindung gebracht werden. 

Am Palmsonntag wurde der Leidensgeschichte Jesu in einem Passionsspiel gedacht. Das geschah während des feierlichen Hochamtes auf dem Kirchenchor oder auf einer Freilichtbühne. Als lokale Besonderheit gelten die Wuderscher Passionsspiele, das „ungarische Oberammergau“, die im Budaörser Heimatbuch beschrieben werden. Hier führten Nonnen mit den Schülerinnen und Marienmädchen religiöse und sittliche Laienspiele auf. Die religiöse Haltung der Dorfbewohner zeigte sich an allen Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres, besonders bei Wallfahrten und Prozessionen. Ein Höhepunkt waren die deutschen Passionsspiele auf dem benachbarten Steinberg im Jahre 1933. (Vgl. Franz Riedl: Budaörser Heimatbuch. Stuttgart 1952) Am 12. Juni 2000 fand hier wieder eine Freilichtaufführung der Passionsspiele in ungarischer Sprache statt, die von der Endre Bakk-Stiftung, der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen und der Minderheitenselbstverwaltung Budaörs und den umliegenden Gemeinden mit deutschen Einwohnern organisiert und unterstützt wurde.

2.1 Karwoche

Ein erster Höhepunkt, der Gründonnerstag, ist seit dem 12. Jahrhundert belegt und ist dem lat. dies viridium 'Tag der Grünen', d.h. der öffentlichen Büßer nachgebildet, die an diesem Tag von den Kirchenstrafen losgesprochen wurden. Von diesem Tag an verstummten die Kirchenglocken und die Schellen in der Kirche bis zum Gloria in der Auferstehungsmesse. Dafür hörte man die Rätschen (südd.-österr. für ‚Ratsche‘). Das kann eine große Ratsche sein, die auf dem Kirchturm gedreht wird und weithin zu hören ist, oder das können mehrere Handratschen sein, mit denen Ministranten oder andere Buben durch die Dorfstraßen zogen. Dazu riefen sie ihre Sprüche, etwa mittags:

Liebe Christen, wir woll՚n euch was sagen, / die Uhr hat schon zwelwe geschlagen. / Wir rätschen, wir rätschen den Englischen Gruß, / den jeder katholische Christ beten muss. / Fallt՚s nieder, fallt՚s nieder auf euere Knie, / bet՚s ein Vaterunser und drei Ave-Marie.

(Der „Englische Gruß“ kommt von dem Wort Engel und hat nichts mit dem Englischen zu tun. Der Engel des Herrn, auch nach seinem lateinischen Beginn Angelus genannt, ist ein Gebet, das morgens, mittags und abends verrichtet wird.)

Am Karsamstag, am Nachmittag, gingen die Rätscherbuben mit einem Strohkorb von Haus zu Haus, um als Belohnung für das Ratschen Eier zu sammeln. 

Am Karfreitag wurde in der Kirche ein heiliges Grab mit einer Statue des gekreuzigten Jesus errichtet. Die ganze Gemeinde pilgerte hin und die Feuerwehr hielt davor Wache. Die Kreuzwegandacht führte an den vierzehn Stationen des Kreuzwegs vorbei bis zur Kreuzgruppe auf dem Hügel des Kalvarienberges. 

Am Karsamstag früh erfolgte neben der Kirche die Feuerweihe. Die entstandene Kohle wurde als heilkräftig angesehen und nach Hause genommen. Am Abend ging die Auferstehungsprozession mit Blasmusik von der Kirche durch die Dorfgassen. Danach gab es in allen Häusern zum ersten Mal im Jahr gekochtes Schinkenfleisch, nachdem das Osterfasten der Karwoche fast nur Spinat, Eier, Hering und Bohnen erlaubt hatte.

2.2 Osterbräuche

Der Zeitpunkt des ältesten und größten christlichen Festes war lange Zeit unbestimmt, bis das Konzil von Nicäa (787) es auf den Sonntag legte, der dem ersten Vollmond nach der Tag- und Nachtgleiche des Frühlings, also dem Frühlingsbeginn folgt. Für die Kirche war Ostern immer ein Freudentag und ist im Volk ein Tag der Reinigung und segenskräftigen Handlung (zum Beispiel Spritzen, um Gesundheit zu wünschen, und Gehen im Ostertau). Bemerkenswert sind die Techniken des Eierfärbens. Von rumänischen Kindern wurde der Brauch übernommen, mit den Eiern zu „titschen“. Der Junge, dessen Eierschale beim Anschlagen ganz blieb, erhielt das eingeschlagene Ei des Gegners. Lammbraten als Osterspeise war in manchen Ortschaften allgemein üblich, in anderen bevorzugte man Schweinebraten oder Geflügel. 

Der Weiße Sonntag nach Ostern gehörte den Erstkommunikanten, die zum ersten Mal „weiß speisen“ gingen; es war ein Fest für jede Familie. Im Mai wurde jeden Abend Maiandacht gehalten und dabei die Lauretanische Litanei gebetet und beliebte Marienlieder gesungen wie „Maria Maienkönigin“ oder „Meerstern, wir dich grüßen“. Besonders an Sonntagen war die reichlich mit Blumen geschmückte Kirche immer gefüllt. 

Der Dreifaltigkeitssonntag galt für viele Banater Gemeinden als schönstes Kirchenfest. An diesem Tag fand die Wallfahrt zur Ehre der Muttergottes nach Maria Radna statt. Der Tag wurde ursprünglich im Zeichen der Abwehr von Cholera, Pest und anderen Epidemien der Ansiedlerzeit begangen, und die Wallfahrt aller überlebenden Dorfbewohner hatte sich infolge eines Gelübdes in jenen Notzeiten eingebürgert.

2.3 Pfingstbräuche

Pfingsten, von griech. pentekosté heméra ‚fünfzigster Tag‘ (nach Ostern), setzte sich im Gegensatz zu Ostern schon in alter Zeit als kirchliche Bezeichnung des Festes der Herabkunft des Heiligen Geistes durch. Bei den Donauschwaben galt Pfingsten auch als großes Fest, bei dem der Schützenverein in Aktion trat. Man trug seine besten Kleider und legte Wert auf reichliches Essen und gutes Gebäck. 

Zur alten Überlieferung des Pfingstlümmels zählt das Bemühen der Mädchen, am Pfingstmontag ihre Brüder oder die Knechte der Bauernwirtschaft schlafend zu überraschen, um ihr Nachthemd mit dem Polster, dem Leintuch oder der Decke zusammennähen zu können. Den Mädchen wurden auch Blumen ins Bett gelegt und den Jungen das Gesicht mit Laub oder auch Brennnesseln bedeckt. 

In Wemend (Batschka) war das Pfingstreiten ausgeprägt. Große Burschen schmückten ihr Pferd auf dem Kopf mit bunten Wachskränzchen und ersetzten den Sattel mit einer schönen Decke. Auf den Hut steckten sie einen bunten Strauß. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde der Pferdehirt mit grünen Ästen und Laub als Pfingstlümmel maskiert. Mit ihm zogen die Burschen in Begleitung der Blaskapelle von Haus zu Haus. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Brauch ohne den Pfingstlümmel fortgesetzt. Beim Gungl-Wirt erhielten die Reiter Schnitzel zum Frühstück. Danach ritten die Burschen um die Wette bis zum Wirtshaus. Wer zuerst ankam, wurde als Sieger bewirtet.

In Lenauheim hieß der Langschläfer am Pfingstsonntag, der ans Leintuch angenäht wurde, wie in der Pfalz und im Saarland, Pfingschtquak. Die Wurzeln dieses heute verblassten Brauchs lassen sich in die Herkunftsgebiete zurückverfolgen. Laut Helmut Seebach (Alte Feste in der Pfalz. Bd. 3: Sommertag, Ostern, Pfingsten, Johannistag. Mainz 1998) meint Quack in der Pfalz im engeren und eigentlichen Sinn den jungen Vogel (den Nestquack), der ursprünglich als Symbol des Sommers herumgetragen wurde. Bei der Übertragung auf den Pfingsttermin erhält einer aus der Schar der Jugendlichen selbst diesen Namen. 

In manchen Gemeinden (zum Beispiel in Glogowatz) war das Pfingstreiten üblich. Zu den Klängen einer Blaskapelle, die auf einem Wagen mitfuhr, ritten die Buschebuwe, d.h. die Kirchweihjungen, auf ihren mit Blumen und Bändern festlich geschmückten (geputzten) Pferden am Pfingstmontagfrüh durchs ganze Dorf, bis jedes Buschemadl, d.h. Kirchweihmädchen, sein Ständchen erhalten und die Burschen bewirtet hatte. Burschen, die an diesem „Pfingstling-Reiten“ nicht teilnahmen, da sie nicht zur Kirchweihgesellschaft gehörten, verehrten ihrem Schatz dennoch einen Blumenstrauß, den sie in der Pfingstnacht recht auffällig am Elternhaus des Mädchens anbrachten. Verschmähte Verehrer nutzten das Fest auf ihre Weise und legten der spröden Schönen einen Haufen Stroh oder Spreu vor das Tor. War die Erde durch Regen aufgeweicht, so war die unerwünschte Gabe gar nicht so leicht zu entfernen.