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„Gott würfelt nicht, er rettet!“ Gedanken zum Hochfest der Geburt des Herrn

Die Geschichte der Heiligen Nacht, dargestellt auf einem Deckengemälde in der römisch-katholischen Kirche in Pantschowa. Gemalt wurde es von Anton Krall. Foto: Claudiu Călin

Liebe Banater Landsleute, liebe Mitchristen!

„Gott würfelt nicht“, sagte der Physiker Albert Einstein. Die wenigsten unserer Vorfahren haben sich mit wissenschaftlichen und philosophischen Fragen beschäftigt. Sie hatten eher handfeste Fakten im Blick, ihnen ging es primär um das konkrete Leben.

Im Laufe ihrer Geschichte hat man ihnen immer wieder erlösende politische Systeme verheißen, sind manche Heilsverkünder auf den Plan getreten. Die von solchen Heilsverkündern geschaffenen Fakten haben sie aber eher leiden lassen, als dass sie ihnen das brachten, wonach sie sich sehnten. Russland- und Bărăgandeportation seien hier als Stichworte genannt. Gerade in den letzten Jahren rückten diese Ereignisse verstärkt in den Fokus, man schrieb und diskutierte darüber in unterschiedlichen Zusammenhängen, aber niemals unter philosophischen oder religiösen Gesichtspunkten. Man fasste sie eher als schicksalsbedingte Fakten auf, die zu unserer Geschichte gehören.  

„Ein frohes und gnadenreiches Weihnachtsfest!“ oder noch einfacher: „Frohe Weihnachten!“ Wir werden diesen Wunsch in diesen Tagen immer wieder hören, ihn anderen, mit denen wir uns verbunden fühlen, weitersagen. Es ist nicht nur eine nette Höflichkeit, die wir aus unserer Glaubensgeschichte übernommen haben, sondern darin kann auch eine große Kraft stecken, wenn wir daran glauben, dass Gott selbst „dahintersteckt“. Weil er ein Mensch unter uns geworden ist, können wir uns frohe Weihnachten, den Frieden und die Freude der Heiligen Nacht wünschen.

Weihnachten ist das Fest der Geburt des Erlösers der Menschheit, Jesus Christus: Nicht wir haben hier etwas gemacht und geschafft, sondern Gott selbst ist unsere Freude und unser Friede geworden, denn Gott würfelt nicht, er schafft Fakten – die leben lassen. 

Der im Banat aufgewachsene Kirchenmusiker und freischaffende Künstler Erich Georg Gagesch schreibt in seinem Gedicht „Weihnachtssegen“:

Ich blicke ziellos in die Ferne,
suche jenes unbestimmte Etwas
in der geheimnisvollen Stille.
Suche jene unerklärliche Art von Frieden,
den man nicht selbst finden kann,
der einen nur urplötzlich
zu erfüllen vermag.

Von dem Kind, dessen Geburt wir zu Weihnachten feiern, heißt es: In ihm ist der wahre Friede auf die Erde herabgekommen. Mit einer solch konkreten Botschaft konnten unsere Ahnen etwas anfangen. Wenn das so ist, dann müssten eigentlich auch wir uns heute auf die Suche nach diesem Kind machen, denn um uns herum ist auch heute noch viel Unfriede. Und wir alle wünschen uns nichts sehnlicher als Fakten, also Frieden: Frieden in uns selbst, Frieden mit den Menschen in unserer nächsten Umgebung, Frieden mit unseren nahen und fernen Nachbarn und über viele Grenzen hinweg. 

Gott würfelt nicht, er schafft Fakten, er rettet. „Er sandte seinen Sohn“, heißt es im Evangelium nach Matthäus. Das ist keine Theorie, keine philosophische Spitzfindigkeit, und es ist auch nicht immer leicht zu verstehen, das ist aber Fakt.

Wenn wir auch in diesem Jahr zu Weihnachten das Evangelium von der Rettung des Menschen hören, dann ist das nicht nur eine schöne Geschichte aus alter Zeit, sondern es ist Gottes Wort für uns hier und heute: Gott will nicht richten, sondern er will dich und mich, die ganze Menschheit retten! Die Kraft dieses Evangeliums wird sich überall dort durchsetzen, wo Menschen gläubig diese Botschaft hören.

Gott will die Welt retten, nicht richten. Das sind keine harmlosen Worte, das ist kein oberflächlicher Optimismus. Gott kommt nicht als Mensch in diese Welt, weil sie so schön in Ordnung ist. Gott wird ein Mensch unter denen, die in Finsternis und Todesschatten leben, die sich nach Licht und Frieden, nach menschlicher Wärme und Nähe sehnen. Damit die Botschaft vom rettenden Gott auch für uns stimmt, müssen wir das mit unserer Geschichte, mit unserem Bewusstsein verbinden, was sinnvoll und wertvoll ist, hinzufügen. Gott wird ein Mensch, damit wir lernen, selbst der Mensch zu werden, der anderen konkret zum Leben verhilft.

Liebe Landsleute, liebe Mitchristen! Weihnachten, die Feier der Geburt Jesu, will uns darum nicht nur eine Ansammlung von frommen Liedern und Ritualen, von Gefühlen und Geschenken sein, sondern Begegnung öffnen. Weihnachten will uns den Menschen und Gott finden lassen. Um diese zu finden, sollte ich sie noch nicht so gefunden habe, wie ich es mir ersehne, muss ich alles aufs Spiel setzen, mein ganzes Leben in die Waagschale werfen. Es besteht kein Zweifel: Zu Weihnachten finden für alle Suchenden Mensch und Gott zueinander. Der Mensch lernt sich selbst wieder besser kennen und schätzen; weil Gott zu dem Menschen kommt und ihn annimmt mit seinem ganzen Leben, mit allem Leid und aller Freude, mit allem Gelingen und Versagen. Alles Dunkle kann der Mensch getrost hinter sich lassen und mit den Hirten zum Kind, zu der Krippe gehen. (Lk. 2,8-20)

Zu Weihnachten selbst sollten wir nicht nur die Lichter am Christbaum entzünden, essen und trinken und die Geschenke austauschen, die zwar auch auf das große Geschenk der Menschwerdung Jesu hinweisen, sondern auch Begegnung zulassen. Und wenn wir zu Weihnachten an alle unsere lieben Verwandten, an unsere Freunde denken, die in aller Welt verstreut sind und sicher am Weihnachtsabend auch an uns denken, treffen wir da nicht das, was Weihnachten trägt? Dabei dürfen wir auch die nicht aus dem Blick verlieren, die sich vergessen und verlassen fühlen. Gleichwohl sollen wir an diejenigen denken, die uns im Laufe unseres Lebens oder unserer Banater Geschichte auf vielfältiger Weise beschenkt haben. Dann kann selbst in dieser Coronazeit eine häusliche Advents- und Weihnachtsfeier einen lebendigen Kern bekommen.

Liebe Landsleute, liebe Mitchristen! Wenn Sie zu Weihnachten Ihre Krippe aufbauen, stellen Sie die Figuren nicht zu eng, damit Sie selbst – wenigstens gedanklich – noch dazwischen passen. So richtig Weihnachten kann es für Sie nur dann werden, wenn Sie an der Krippe dabei sind. 

„Gott würfelt nicht“, sagt der Physiker Albert Einstein. „Gott würfelt doch“, sagt der sich als ungläubig bezeichnende Wissenschaftler Stephen Hawking, „nur wirft er die Würfel mitunter dorthin, wo man sie nicht sehen kann“. Wir legen keinen Würfel in die Weihnachtskrippe. Mit der Weihnachtskrippe bringen wir auf unsere Art unseren Glauben zum Ausdruck. Durch diese Krippe hat Gott eine Botschaft für uns, darin liegt seine Liebe zu uns Menschen. Er liebt uns Menschen, und indem er uns begegnet, will er uns retten. Das ist Fakt. 

Mein Wunsch an Sie alle, dass Sie Weihnachten als ein frohes, friedvolles und gesundes Fest in Ihren Familien, mit Ihren Freunden wie auch mit den Menschen in Ihren Kirchengemeinden feiern können. Dass Sie offen und ehrlich, vielleicht noch etwas suchend, aber für sie stimmig, Weihnachten feiern können. Damit kommt die Zeit, damit kommt das Vergangene mit dem Kommenden zusammen.

Frohe Weihnachten und ein gutes und gesegnetes Jahr 2022.