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Der Tod hat viele Gesichter: Unfälle am Arbeitsplatz. Banater Schicksale aus drei Jahrhunderten (Teil 9)

Desiderius Fonat, 1978 tödlich verunglückt am Arbeitsplatz in Bokschan. Quelle: Archiv der HOG Kleinomor

Familie Beierle – Marianne Beierle (mit Enkeltochter auf dem Schoß) starb 1922 nach Unfall während der Maisernte. Quelle: Archiv der HOG Kleinomor

Grabstätte des beim Militär verunglückten Eugen Tittl auf dem Friedhof in Franzdorf. Foto: Helmut Ritter, 2017

Lange Zeit waren die Banater Schwaben hauptsächlich in der Landwirtschaft beschäftigt und dementsprechend geschahen die meisten Arbeitsunfälle während der Arbeit auf dem Feld und in der bäuerlichen Hauswirtschaft. Erst viel später, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, als immer mehr Menschen in der Stadt Arbeit fanden, kam es vermehrt auch zu Unfällen in der Fabrik.

Unfälle in der Landwirtschaft

Besonders viele tragische Unfälle ereigneten sich während der Ernte und des Dreschens. Es gab in dieser arbeitsintensiven Zeit oft Stürze vom garbenbeladenen Wagen, tödliche Blitzeinschläge und vor allem Unfälle mit der Dreschmaschine. „Im Hochsommer 1904 ging wie ein Lauffeuer die Kunde durch den Ort: Der alte Mayer Mathias (Hausnummer 204) ist beim Dreschen in die Maschine gekommen!“, so Lorenz Lang in „150 Jahre Lazarfeld 1800-1950“. Seine Verletzungen waren so schwer, dass er noch an der Unfallstelle verschied.

In seiner „Monographie von Gertianosch“ (1935) berichtet Dr. Matz Hoffmann über einige Unfälle während des Dreschens: Nikolaus Tassinger wurde 1898 vom „Wagen überfahren“, 1907 wurde Kaspar Wiener vom „Dreschkasten überfahren“, Johann Jobba ist 1918 unter den „Dreschkasten gekommen“ und Josef Follmer, geb. in Großjetscha, wurde 1934 von der „Dreschmaschine zu Tode gequetscht“. „Vom Wagen überfahren“ wurde 1938 der 47-jährige Johann Fohr aus Saderlach.

Im Schnitt von der Mähmaschine gefallen und gestorben ist Dominik Rattinger (1905-1925) aus Dolatz. Im Alter von 19 Jahren wurde 1932 Josef Schöberle aus Jahrmarkt und 1938 Christian Ott (57) aus Großjetscha „von der Dreschmaschine/dem Dreschkasten erdrückt“, während Katharina Kühn (1938-1953) aus Kleinsanktpeter/Totina von einem Mähdrescher auf der Farm in Warjasch überfahren wurde. „Von der Dreschmaschine überfahren“ wurde 1953 auch der 61-jährige Karl Herzog aus Nero.

Katharina Roth aus Baratzhausen ist 1900 mit 18 Jahren gestorben. Sie war mit vier Pferden im Acker und als diese durchgingen, kam sie unter den Pflug, so eine Gewährsperson. Marianne Beierle, geb. Hoppenthal/ Hopinthal, wurde laut Enkeltochter Eva Öhl im Jahre 1860 in Tolwad, heute Livezile, geboren. Sie war die Ehefrau des Albert Beierle und hatte in Kleinomor während der Maisernte einen schweren Unfall. Ihr ging der voll beladene „Kukruzwagen“ über den Leib und an den Folgen dieses Unfalls starb sie 1922 in Uivar/Neuburg a. d. Bega. Dazu Eva Öhl, geb. Beierle: „Unser Vater erzählte, dass die Pferde übermütig geworden sind und so das Unglück ausgelöst haben. Der mit Mais angefüllte Sack am vorderen Wagenende kam ins Rutschen und Großmutter ist dadurch vom Wagen gefallen und unter die Räder gekommen. Sie musste sehr viel leiden“.

Die 78-jährige Anna Dinjer, geb. Heer, aus Wiseschdia (sie stammte aus Triebswetter) wurde 1941 beim „Kukuruzabladen vom Wagen überfahren“. Michael Bender (1919-1972) aus Darowa ist „auf dem Felde verunglückt“, so die Sterbematrikel. In einer längeren Grabsteininschrift sind die näheren Umstände seines Todes erläutert. Darin heißt es, dass der Vater am Morgen frohen Mutes in die Flur fuhr, die Pferde durchgegangen sind und er am Kopf schwer verletzt wurde. Der 53-Jährige kam während der Arbeit unter den Rechen und starb.

Unglücksfälle in der Mühle

Auch in den Mühlen gab es immer wieder tödliche Unfälle. Über einen solchen berichtet die „Dettaer Zeitung“ vom 4. Mai 1902: „Mittwoch, den 30. April Nachmittags 5 Uhr ereignete sich in der Dampfmühle der Herren Lamoth und Buchmann ein bedauerlicher Unglücksfall und zwar nur aus eigenen Verschulden des Verunglückten. Der Vojteker 39-jährige Schmiedemeister Franz Eck weilte in der Dampfmühle mit Weizen, um diesen mahlen zu lassen. Er besichtigte allein die Mühle, betätigte den Schlittenaufzug und wurde durch diesen tödlich getroffen“.

Der Rossmüller Nikolaus Bartl aus Lazarfeld, der letzte seines Standes, verunglückte 1909 bei seiner Müllerarbeit tödlich. Der Müllerlehrling Ludwig Tajti aus Nitzkydorf, 20 Jahre alt, verunglückte 1926 in der Mühle. Auch dessen Landsmann Josef Müller, von Beruf Müller, starb 1960 im Alter von 31 Jahren „durch Explosion einer Luftflasche“ in der Mühle von Duboz.

Georg Bernath aus Gertianosch ist 1936 in der Mühle zu Tode gestürzt. Dasselbe Schicksal ereilte auch den Müller Stefan Erhardt aus Bruckenau, der 1959 mit 57 Jahren in der Mühle verunglückte.

In der Mühle sind aber auch Kinder und Besucher durch Unfälle zu Tode gekommen. Zwei Beispiele aus dem Heimatbuch Tschakowa: Am 29. Juli 1791 wurde der Antriebsmechanismus einer Rossmühle dem 9-jährigen Anton Schmid (Smid) zum Verhängnis und am 28. August 1845 verunglückte Peter Biber, 13 Jahre alt, in der Mühle.

Grubenunfälle

Auch in Kohlengruben sind Banater durch Unfälle ums Leben gekommen. Im Jahre 1953 ist der 25-jährige Peter Dassinger aus Nitzkydorf verunglückt. Auf seinem Grabstein steht „gestorben als Held in der Kohlengrube 1953, 28. Mai“. Ignatz Zwurtschek aus Darowa, 21 Jahre alt, ist 1956 in der Kohlengrube in Lupeni umgekommen.

Im Heimatbuch Tschakowa (1997, S. 539) berichtet Josef Dutschak jun. von einem tragischen Unfall in der Kohlengrube von Steierdorf-Anina. Michael Schönberger war als Wehrmachtsangehöriger in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Von dort heimgekehrt, wurde er von den rumänischen Behörden verfolgt und man ließ ihn erst in Ruhe, als er zwangsweise eine Arbeit als Maurer in den Kohlengruben annahm. Bei einer Einfahrt in die Grube riss das Seil des Förderkorbes und er stürzte einige hundert Meter in die Tiefe des Förderschachtes. Dort wurde er vom Seil erschlagen.

Tod in der Fabrik

Bei Johann Heim (26) aus Perjamosch wird in der Sterbematrikel von 1924 als Todesursache „von einer Maschine zerrissen“ angegeben und die Totenmatrikel von Bruckenau geben den Tod des Johann Potche, Maschinist, 27 Jahre alt, gestorben 1936, wie folgt an: „Vom Maschinenrad plötzlich zum Tode geschleudert“.

Die Anzahl der in Fabriken verunglückten Landsleute nahm nach dem Zweiten Weltkrieg, als immer mehr Menschen in der Stadt ihre Berufsausbildung machten und anschließend dort arbeiteten, schnell zu. Am Ausbildungsplatz in einer Fabrik in Temeswar verunglückte der 16-jährige Anton Richter (1959-1975) aus Tschanad tödlich. Ebenfalls 1975 starb durch Unfall am Ausbildungsplatz in der Fabrik in Bokschan Herbert Russ (geb. 1959) aus Moritzfeld. Heinrich Fischer (1938-1961) aus Dolatz hatte einen Unfall („accidens“) in der Fabrik in Reschitza.

Desiderius Fonat (Jg. 1930), Ehegatte der Elisabeth Grösser aus Kleinomor, ist am 24. Juni 1978 im Alter von 48 Jahren infolge eines Unfalls am Arbeitsplatz in der Fabrik für Metallkonstruktionen in Bokschan ums Leben gekommen. Eigentlich war seine Schicht schon zu Ende, aber er ist für einen verhinderten Arbeitskollegen eingesprungen und hat auch dessen Schicht übernommen. Schicksal oder Zufall? An der Drehbank in der Fabrik in Reschitza verunglückte der 25-jährige Helmut Pfaffl (1960-1985) aus Neukaransebesch.

In der Hanffabrik wurde Johann Quint (62) aus Billed 1943 von einem umstürzenden Torpfosten erschlagen. Ebenfalls in der Hanffabrik verunglückte der Gertianoscher Martin Riess 1949 im Alter von 67 Jahren.

Sonstige Arbeitsunfälle

Johann Keppler aus Gertianosch wurde 1935 in der Ziegelei von einem Ziegelwagen überfahren. Der Zimmermann Johann Schneider (geb. 1891) aus Moritzfeld verunglückte im Alter von 60 Jahren auf einer Baustelle. Er ist laut Familienbuch Moritzfeld (2016) von Anton Neff am 8. August 1951 in Reschitza verstorben. Die 20-jährige Elisabeth Maus (1932-1952) aus Großsanktnikolaus hatte einen Unfall am Schroter, während Johann Kleitsch (1926-1959) aus Deutschsanktmichael beim Staatlichen Landwirtschaftsbetrieb in den Riemen vom Schroter kam und starb. Der 13-jährige Johann Kersch (1940-1953) aus Jahrmarkt verunglückte tödlich im Sägewerk.

In Reschitza verstarb nach einem schweren Arbeitsunfall der Kudritzer Martin Braun am 7. September 1970 im Alter von 76 Jahren. Der in Reschitza wohnende Spenglermeister zog sich durch einen Sturz vom Dach tödliche Verletzungen zu. („Der Donauschwabe“ vom 22. November 1970)

Mit 17 Jahren ist Peter Messer (1956-1973) aus Aradsanktmartin beim Bau in Arad umgekommen. In der Sterbematrikel von Triebswetter wird die Todesursache des Peter Klein (1953-1975) folgendermaßen angegeben: „Durch Unfall das Herz zerrissen“. 

Der 42-jährige Martin Haubenreich aus Aradsanktmartin hatte 1982 am Donau-Schwarzmeer-Kanal einen tödlichen Unfall. Der rund 64 Kilometer lange Kanal zwischen Cernavodă und Konstanza wurde 1984 fertiggestellt. Er verkürzt den Weg der Donau zum Schwarzen Meer im Vergleich zur Strecke, die über Galatz und Sulina führt, um etwa 370 Kilometer. Der Bau des Kanals, auch „Kanal des Todes“ genannt, kostete durch Krankheiten und Unfälle Tausenden von Arbeitern das Leben.

Am 6. Oktober 1983 verstarb Helmut Klasky aus Marienfeld nach einem Arbeitsunfall im Alter von 27 Jahren. Es war ein herber Verlust für seine Frau und den erst sechs Monate alten Sohn.

Andreas Fischer aus Morawitza wurde am 16. November 1983 auf einer Baustelle in Rekasch von einer umstürzenden Mauer erdrückt. Auf dem Weg ins Krankenhaus erlag der 53-Jährige seinen Verletzungen.

Beim Militär verunglückt

Die meisten Deutschen im wehrpflichtigen Alter leisteten in Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Militärdienst nicht bei regulären Einheiten (unter Waffen) ab, sondern bei Arbeitseinheiten (la lopată), wie zum Bespiel beim Tunnel- oder Kanalbau, in Kohlengruben, in Steinbrüchen, im Eisenbahn- und Straßenbau usw. Während dieser Zeit kam es nicht selten zu Arbeitsunfällen, die manchmal mit dem Tod der jungen Soldaten endeten. Einige Beispiele von Banatdeutschen, die während des Ableistens ihres Militärdienstes ums Leben kamen, seien in Folge genannt.

Peter Noheimer (gest. 1924) aus Schag/Temesch ist während seiner Militärdienstzeit im Alter von 22 Jahren tot in der Bega in Temeswar aufgefunden worden. Laut Sterbematrikel ist der 22-jährige Nikolaus Mutter aus Großjetscha 1951 „als Soldat in Lugoj“ gestorben. Im Alter von 24 Jahren ist Franz Jost (1929-1953) aus Kleinbetschkerek während seiner aktiven Militärzeit durch Stromschlag ums Leben gekommen. Der 27-jährige Alois Berwanger (1926-1953) aus Deutschbentschek ist als Soldat in der Kohlengrube im Schiltal verunglückt.

Heinrich Christ aus Neudorf wollte 1960 als Soldat illegal über die Grenze und wurde erschossen. Auch der Nitzkydorfer Ewald (Sterbematrikel: Josef) Stöckl (1944-1965) ist beim Militär ums Leben gekommen.

Auf dem Friedhof in Kreuzstätten bei Arad befindet sich das Grab des Mathias Gaug. Ein Foto des Verstorbenen in Soldatenuniform ist auf dem Grabstein zu sehen. Die Grabsteininschrift lautet: „Gestorben in Fogarasch durch einen tragischen Unglücksfall am 17. Februar 1954 in seinem 23. Lebensjahr“. Peter Kiefer aus Engelsbrunn ist 1958 im Alter von 21 Jahren „verunglückt beim Militär in Mamaia“.

Im Grabspruch des in Franzdorf beerdigten 21-jährigen Eugen Tittl (1939-1960) ist auch dessen Todesursache enthalten: „Verunglückt als Soldat bist du von uns geschieden“. Verunglückt während seiner Militärzeit ist auch der 23-jährige Peter Koreck (1945-1968) aus Tschanad.

20 Jahre alt war Lenhardt Achenbach (1949-1969) aus Rekasch, als er beim Militär tödlich verunglückte. Auf seinem Grabstein ist er mit einem Foto in Soldatenuniform verewigt. Ihr junges Leben beim Militär gelassen haben auch Anton Groß (1950-1973) aus Dreispitz/Segenthau und Erich Vollmann (1954-1974) aus Perjamosch.

Im Friedhof von Ferdinandsberg (Oţelu Roşu) haben wir einen Grabstein mit folgender Inschrift gefunden: „Dietwalt Eugen A. Spanily, 15. Dezember 1953 Temeswar – 20. April 1974 Craiova, verunglückt beim Militär in Balsch“. Das einzige Kind der Eheleute Egon Eugen Spanily und Martha, geb. Besch (ihre Familie stammte aus Sackelhausen), ist unter tragischen Umständen ums Leben gekommen. Dietwalt wurde mit der Reinigung einer „Zementmaschine“ (Betonmischmaschine) betraut. Er kroch in die Maschine aus Freude am Spaß, da setzte ein Kamerad diese in Bewegung. Der unglückliche Junge erlitt dabei lebensgefährliche Quetschungen und verstarb nach einigen Tagen im Krankenhaus. Die Beerdigung fand unter großer Teilnahme der Ferdinandsberger statt. Der Sarg des Verstorbenen wurde von seinen Kameraden zu Grabe getragen.

Die Grabsteininschrift des Franzi Awender (1954-1975) aus Kowatschi lautet: „Gestorben als Soldat bei einem tragischen Unfall in Bukarest“. Während seiner Militärzeit ist Helmuth Wirsz (1952-1976) aus Lovrin gestorben und Herwig Frank (1956-1977) aus Totina ist beim Militär ertrunken. Auch Josef Reinholz (1959-1979) aus Saderlach hat sein Leben während der Ableistung seines Militärdienstes verloren.

All diese tragischen Unfälle haben die Landsleute in den jeweiligen Gemeinden betroffen gemacht. In schriftlichen Zeugnissen und in Erzählungen lebt die Erinnerung an die im jugendlichen Alter Verunglückten weiter.