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Der Tod hat viele Gesichter: Blitz- und Stromschlag. Banater Schicksale aus drei Jahrhunderten (Teil 7)

Grabsteine der Familie Zöllner auf dem Glogowatzer Friedhof. Foto: Helmut Ritter, 1996

Grabstätte des Johann Bretträger auf dem Friedhof in Neupanat Foto: Helmut Ritter, 1996

„Es schlägt nicht immer ein, wenn es blitzt und donnert“, so lautet ein altes deutsches Sprichwort. Das stimmt, denn die Zahl der einschlagenden Blitze ist im Vergleich zur Gesamtzahl der Blitze sehr gering. Nur etwa 10 Prozent aller Blitze schlagen in den Boden ein. Trotzdem befällt uns bei einem Gewitter eine Urangst, die noch aus der Zeit stammt, als wir den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert waren.

Was ist ein Blitz?

Der Blitz ist eine elektrische Entladung, ein Spannungsausgleich zwischen zwei entgegengesetzt geladenen Wolken (Wolkenblitz) oder zwischen einer Wolke und der Erdoberfläche (Erdblitz). Die meisten Blitze sind Wolkenblitze und für den Menschen ungefährlich. Die häufigste Form, der Linienblitz, kann Stromstärken von über 100000 Ampere und eine Spannung von vielen Millionen Volt erzeugen. Der Flächenblitz mit seinen vielen Verzweigungen erhellt den ganzen Himmel. Seltener entstehen der Perlschnurblitz und sehr selten der noch wenig erforschte Kugelblitz. Es soll auch den sogenannten „Geistesblitz“ geben, aber die Gefahr, in der Nähe eines anderen Menschen von diesem Blitz getroffen zu werden, ist äußerst gering... Der Erfinder des Blitzableiters (1752) ist Benjamin Franklin.

Die häufigsten Gewitter treten im Banat im Juli und August auf. Direkte Blitzeinschläge in Menschen verlaufen meist tödlich, bei Überlebenden ist oft mit Folgeschäden zu rechnen. So wurde Matthias Sehr 1938 mit seinem Vater Martin Sehr (geb. 1900 in Tschawosch) beim Pflügen von einem Blitzschlag, der drei Pferde tötete, so schwer getroffen, dass er zeitlebens leidend blieb. Er starb 1958 mit nur 35 Jahren. Martin Sehr musste schon mit 55 Jahren in den Ruhestand treten. (Der Donauschwabe, 1980)

In der Bibel werden Blitze und Donner als Strafgericht Gottes gedeutet. Die Blitze wurden in der griechischen Antike Zeus als Blitzschleuderer zugeordnet, bei den Römern Jupiter. Die Germanen deuteten den Blitz als sichtbares Zeichen dafür, dass Thor (Donar) seinen Hammer zur Erde geschleudert hatte. Die Menschen waren sehr abergläubisch und hielten Blitz und Donner als Machwerke böser Mächte.

Im Banat wurden im Laufe der Jahre immer wieder Menschen vom Blitz getötet. In seiner „Geschichte der Gemeinde Sackelhausen“ (1925) berichtet Egidius Haupt auch darüber: 1890 wurde die 13 Jahre alte Margarete Pitzer durch Blitzschlag getötet. Michael Pleß wurde beim Einführen der Ernte auf dem mit Fruchtgarben beladenen Wagen am 21. Juli 1911 vom Blitz erschlagen und verbrannte samt den Garben und dem Wagen. Der 20-jährige Sohn des Nikolaus Fett, der mit einem mit Getreide beladenen Wagen heimwärts fuhr, wurde vom Blitz getötet, wobei auch die Pferde getötet wurden. Bei dem Getöteten handelt es sich wahrscheinlich um Nikolaus Fett (1898-1920), Sohn des Nikolaus Fett (1873-1948), so die Daten auf dem Grabstein.

Am 15. Juni 1896 wurde Adam Hedrich aus Liebling auf der Kimmelschen Puszta während des Grasmähens vom Blitz erschlagen. Ungefähr zehn Männer mähten zu derselben Zeit an genannter Stelle. Alle entfernten sich, als das Gewitter kam und suchten Obdach, nur Adam Hedrich blieb zurück. Als sie zurückkehrten, fanden sie nur mehr seinen Leichnam.

Im Jahre 1898 wurde Gertraud Huhn, geb. Wolf, aus Tschanad beim Maishacken vom Blitz erschlagen. Auch die vier Kinder, so die Gewährsperson, wurden von der Druckwelle niedergeworfen, sie blieben jedoch unverletzt. Im Oktober 1919 wurde Matthias Tempich aus Lazarfeld vom Blitz erschlagen. Der Bauer befand sich mit einem maisbeladenen Wagen auf der Sartschaer Straße.

1931 tötete der Blitz die 51-jährige Margareta Herrmann aus Mercydorf. Im selben Jahr starb Peter Keller aus Nitzkydorf im Alter von 28 Jahren infolge eines Blitzschlags. Dasselbe Schicksal ereilte auch zwei weitere Nitzkydorfer, und zwar 1957 Josef Hipp (51) und 1963 Konrad Wissens (34).

In der Billeder Sterbematrikel ist vermerkt, dass 1934 Nikolaus Hahn (53) und 1966 Josef Lauer (63) vom Blitz erschlagen wurden. Durch Blitzschlag zu Tode kamen auch Katharina Petzak, geb. Weisz, aus Lindenfeld, 26 Jahre alt (1936) und Anna Hess, geb. Hudoba, 34 Jahre alt (1939), so die Sterbematrikel von Karansebesch. 

Erst 14-jährig ereilte der Tod Karl Weber (1930-1944) aus Ostern. Samt Pferd und Wagen wurde er während der Erntezeit beim Beiführen vom Blitz erschlagen. Opfer eines Blitzschlags wurden am 21. Juni 1949 die beiden Perjamoscher Jakob Prachthäuser (geb. 1892, 57) und Mathias Löb (geb. 1914, 35).

Das Sterbebuch der Lenauheimer Pfarre vermerkt bei Johann Kleinfelder (geb. 1930 in Uiwar), dass er 1950, 20 Jahre alt, „vom Blitz auf den Feldern der Grabatzer Ferma erschlagen“ wurde. Ebenfalls auf dem Feld beendete 1951 ein Blitz das Leben des Nikolaus Weber (45) aus Großjetscha.

Die Tragödie einer Glogowatzer Familie

Tragisch sollte das Jahr 1955 für eine Familie aus Glogowatz werden. Während der Erntezeit (im „Schnitt“) wurden am 14. Juli drei Menschen vom Blitz getötet, und zwar Matthias Straub (geb. 1885, 70), dessen Tochter Elisabeth Zöllner (geb. 1922, 33) und deren Tochter Rosalia Zöllner (geb. 1942, 13). Der Gatte von Elisabeth, Franz Zöllner, blieb am Leben, weil er zur Unglückszeit gerade auf dem Weg nach Hause war, um etwas zu holen.

Auf dem Glogowatzer Friedhof künden drei Grabsteine von dem geschehenen Unglück. Die Inschrift auf dem Grabstein der Elisabeth Zöllner lautet: „Ganz unerwartet und verzweifelt/ Bei einem schweren Blitzschlag/ Mußt du von uns scheiden. / In tiefsten Schmerzen deine/ Zwei zurückgebliebenen/ Kinder und dein lieber Mann. / Auf Wiedersehn!“

Die Inschrift auf dem Grabstein des 47-jährigen Johann Bretträger (1908-1955) aus Neupanat besagt, dass er durch Blitzschlag gestorben ist und dies nach fünf Monaten eines durch Brandwunden verursachten Leidens: „Vom Blitz verbrannt hast du gelitten…“

Blitzmagnet Wetschehausen?

Ein Blitz beendete 1957 das Leben der 70-jährigen Theresia Sebök, geb. Wartner, aus Wetschehausen. Auch Franz Kozilek (64) und seine Gattin Theresia, geb. Buresch (61) aus Wetschehausen wurden beide am 21. Juli 1958 auf dem Wagen während der Heimfahrt am Dorfrand vom Blitz erschlagen. Es heißt, sie hätten eine Sense auf dem Wagen gehabt. Wie durch ein Wunder ist den Pferden nichts passiert, und, als sei nichts geschehen, setzten sie ihren Weg bis nach Hause vor das verschlossene Hoftor fort. Auf dem Wagen lagen die beiden unbeseelten Körper vom „kleene Franzi un seim Resi“, wie die beiden von ihren Landsleuten scherzhalber genannt wurden, da Franz Kozilek kleiner von Statur war als seine Frau.

Johann Wojtek, ebenfalls aus Wetschehausen, wurde am 8. September 1963 im Alter von 43 Jahren durch Blitzschlag getötet. Bereits 1952 entrann er nur knapp dem Tod. Damals wurde sein Freund Johann Wazulek (30) auf dem gemeinsamen Heimweg von rumänischen Schäfern aus Scăiuş erstochen, er konnte fliehen. 

Im Gespräch mit Walther Konschitzky sagte Franz Kozilek (1880-1973) aus Pietroasa Mare (Wetschehausen): „Ich waas net, abe bei uns im Dorf hat de Blitz oft eingschlaa. Un imme war gleich Feie, weil die Heise ware noch mit Stroh gedeckt. Die Weibe ham grosse Ängschte vor die Gwittre ghat: Dann ham se a Kerz angebrennt un ham ghuckt, un ham anghal, dass es gschwind voribegeht. Schlabakisch un deitsch ham se gebet“. (Dem Alter die Ehr/Neuer Weg)

Ein Blitzschlag machte 1959 dem Leben der 51-jährigen Elisabeth Steiner, geb. Pfister, aus Schöndorf ein jähes Ende. Auf dem Grabstein der Magdalena Winze, geb. Wagner, aus Darowa ist folgende Inschrift zu lesen: „Gestorben 21. Juli 1963 im 24. Lebensjahre. Durch Plitz schenkt Gott mir die Evige Ruhe“. Im Jahre 1979 beendete ein Blitzschlag auf der Hutweide von Kowatschi das Leben des Johann Schwerb, 31 Jahre alt.

Elektrounfälle im Banat

Seit der Einführung der Elektrizität im Banat haben Menschen ihr Leben auch durch Stromschlag verloren. In den 1880-er Jahren war die Glühbirne weltweit das erste elektrische Produkt, das in Privathaushalten benutzt wurde und die Petroleumlampe verlor auch im Banat immer mehr an Bedeutung.

Thomas Alva Edison (1847-1931) nimmt 1882 das erste öffentliche Elektrizitätswerk der Welt in New York in Betrieb. Die Inbetriebnahme des ersten Elektrizitätswerks in Ungarn in Temesvár war 1884. Seit November desselben Jahres hat Temeswar eine elektrische Straßenbeleuchtung.

Die erste elektrische Bahn des Landes, unser „Motor“ von Arad nach Radna, schreibt Dr. Hans Gehl im Heimatbuch Glogowatz, wurde im Oktober 1905 versuchsweise in Betrieb genommen. 1915 wurde mit der Elektrifizierung der Bahn abgeschlossen. Seit 1909 ist das E-Werk in Hatzfeld in Betrieb. In Großsanktnikolaus wurde 1911 die Straßenbeleuchtung eingeführt, in Tschakowa 1913.

Aus der Vielzahl der durch Stromschlag verursachten tödlichen Unfälle einige Beispiele. Lorenz Lang berichtet im Heimatbuch „150 Jahre Lazarfeld 1800-1950“ (S. 86) über folgenden Fall: „1930 spielte der elfjährige Junge Hans Tines, einziger Sohn des Jakob Tines, Hausnummer 142, mit einem Draht und schob diesen in eine Steckdose. Ein Stromschlag löschte sein junges Leben aus“.

Bei Franz Bretträger (geb. 1912) aus Neupanat ist auf dem Grabstein angegeben, dass er „durch den Elektrischen Strom am 16. März 1950 in Arad verunglückt ist“. Auch bei dessen Landsmann Melchior Hold (1945-1970) ist die Ursache seines Ablebens auf dem Grabstein vermerkt: „Er fand seinen frühen Tod durch einen tragischen Unfall durch elektrischen Strom“.

Johann Messmer (1934-1952) aus Sackelhausen hat in Temeswar in der Fabrik einen Stromschlag erlitten. Nikolaus Bartzer ist 1955 im Alter von 25 Jahren im Elektrizitätswerk in Lovrin ums Leben gekommen. Ebenfalls am Arbeitsplatz, und zwar auf der Staatsfarm in Hodon, ist Franz Lambert (1937-1963) aus Knes bei einem Stromunfall gestorben. Johann Streitmatter (1938-1970) aus Wetschehausen hat an seinem Arbeitsplatz im Friedhof in Lugosch durch Stromschlag sein Leben verloren.

Josef Mahalek (1944-1970) aus Darowa erlag einem Stromschlag an der Betonmischmaschine. Auch Franz Teuber (1945-1976) aus Sankt-anna und Georg Damit (1955-1978) aus Morawitza starben durch einen Stromunfall während der Arbeit mit der Betonmischmaschine.

Am Schroter elektrisiert haben sich 1982 in Bogarosch der aus Morawitza stammende 51-jährige Johann Kräuter und 1997 der 33-jährige Michael Marton aus Moritzfeld.

Franz Jost (1929-1953) aus Kleinbetschkerek, Heinrich Lind (1935-1957) aus Lenauheim und Peter Kiefer (gestorben 1958, 21 Jahre alt) aus Engelsbrunn sind als Soldaten während des Militärdienstes durch einen Stromunfall tödlich verunglückt.

Stromschlag im Haushalt

Die meisten Elektrounfälle passierten im Haushalt. Ein Grabstein auf dem Friedhof von Neuarad trägt folgende Inschrift: „Michael Tuch, geb. am 11. Oktober 1936, tödlich verunglückt am 18. Oktober 1962“. Der 26-Jährige hat zu Hause einen Stromschlag erlitten. Oskar Quais (1932-1963) aus Busiasch war in Bakowa verheiratet und hat sich an einer Glühbirne elektrisiert. In ihrem Haus in Rekasch ist Johanna Weber, geb. Bischoff (1941-1963) durch einen Elektrounfall ums Leben gekommen.

Im Alter von 23 Jahren erlitt Anna Maria Herbert, geb. Söllner (1947-1970) aus Aradsanktmartin im Haus einen Stromschlag. In ihrem Grabspruch heißt es: „Schön war dein junges Leben/ Doch nur kurze Zeit. / Dein allzufrühes Scheiden/ Brachte uns ewiges Leid. / Gott weiss warum! / Er sprach das letzte Amen!“

Die 12-jährige Ingrid Ernst (1962-1974) aus Marienfeld hat sich am Elektroherd elektrisiert. Nur ein Jahr älter war Joji (Joschi) Zwick (1961-1974) aus Tirol, als er starb. Er war allein zu Hause, die Eltern haben ihn tot aufgefunden. Er hat sich am Fernseher elektrisiert, der Deckel an der Rückseite des TV-Apparats war geöffnet.

Der gebürtige Kleinomorer Hans Tujo ist 1975 in Freidorf im Alter von 66 Jahren an den Folgen eines Elektrounfalls an der Waschmaschine zu Tode gekommen. Franz Tillich (1956-1980) aus Glogowatz hat sich zu Hause im Bad elektrisiert. Beim Reinigen des Schwimmbeckens im Hof setzte ein Stromschlag dem Leben von Mircea Oprea (1954-1982) aus Blumenthal ein Ende. 

Niki Pavel (geb. 1954) stammte aus Djulwes und war in Moritzfeld verheiratet. Der erst 22-jährige Elektriker hat am 17. Juni 1976 bei Wartungsarbeiten an einem Strommast einen Stromschlag erlitten. Johann Hansi Scheidt (1965-1982) aus Neukaransebesch, 17 Jahre alt, wurde in Temeswar auf dem Zug durch die Hochspannungsleitung getötet.

Laut dem Bericht einer Gewährsperson hat Susanna Anton, geb. Erasmus (1918-1965) aus Lenauheim im Hausgang gebügelt, als ein Gewitter rasch aufkam. Der Blitz schlug ein und Susanna Anton elektrisierte sich am Bügeleisen und starb. 

Wie vom Blitz getroffen wird als Sprachbild im Alltag verwendet. Der Tod durch Blitzschlag oder Stromschlag erfolgt ohne Übergang, urplötzlich und unerwartet, bei Gewitter oft befürchtet. Er löst bei Hinterbliebenen Bestürzung aus, unvermittelt, schlagartig, wie aus dem Nichts.