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Der Tod hat viele Gesichter: Verkehrsunfälle. Banater Schicksale aus drei Jahrhunderten (Teil 5)

Gedenktafel zur Erinnerung an den ersten Automobil-Verkehrstoten 1896 am Walchensee. Foto: Helmut Ritter, 2019

Grabstätte des Peter Zugfil auf dem Friedhof in Detta. Foto: Helmut Ritter, 1996

Grab der Monika Brennessel auf dem Morawitzaer Friedhof. Foto: Helmut Ritter, 1996

Eine Volksweisheit der Banater Schwaben lautet: „Aach des is schun a großes Glick, wann de Mensch ke Unglick hat“. Von den vielen Verkehrsunfällen können wir nur eine kleine Auswahl in unserem Beitrag dokumentieren. Es handelt sich um Eisenbahn-, Auto- und Motorradunfälle, die sich ausnahmslos im Banat ereignet haben. 

Mit dem Aufkommen des motorisierten Eisenbahn- und Straßenverkehrs sind Unglücksfälle nicht ausgeblieben. „Auch in unserer sonst so stillen Welt raffte der Tod seine Opfer hinweg durch schreckliche Unfälle. Jeden zu seiner Zeit“, schreibt Matthias Hoffmann (Gertianosch).

Eisenbahnunglücksfälle

Die erste Eisenbahnlinie der Welt wurde 1825 in England zwischen Stockton und Darlington eröffnet. Zehn Jahre später (1835) wurde die erste deutsche Eisenbahn auf der Strecke Nürnberg-Fürth in Funktion genommen. In Österreich fuhr erstmals 1837 ein Dampfzug auf der Strecke Floridsdorf bei Wien – Deutsch-Wagram. Die erste Eisenbahnstrecke in Ungarn wurde 1846 zwischen Pest und Vác (Waitzen) eröffnet.

Was das Banat betrifft, schreibt Franz Engelmann im Heimatbuch Temeschburg-Temeswar (1994, S. 293): „Das erste Dampfroß in diesem Landstrich schleppte bekanntlich schon 1847 Kohlen von Orawitza zum Donauhafen Basiasch“. Im „Reiseführer für Südwestrumänien“ (1998) heißt es: „1847 wurde die 62,6 km lange Bahnstrecke von Orawitza nach Basiasch fertiggestellt“. Die erste Dampflokomotive in Reschitza wurde 1872 gebaut.

Die Linie Temeswar-Budapest über Hatzfeld-Großkikinda-Szegedin wurde 1857 eröffnet und die Begastadt an das mitteleuropäische Eisenbahnnetz angeschlossen. Auf der Strecke Temeswar-Arad wurde der Personenverkehr 1871 aufgenommen.
Der größte Eisenbahnunfall in Rumänien ereignete sich am 13. Januar 1917 in Ciurea (Moldau) und forderte zwischen 600 und 1000 Todesopfer (Wikipedia).

Auf dem Friedhof in der Temeswarer Josefstadt stand im Jahr 1983 noch ein Grabstein mit folgender Inschrift: „Hier ruht Prokopp Stiebinger, Conducteur, verunglückt auf der Bahn beim Zusammenstoß in Versecz den 6. Juni 1872 im 32. Lebensjahre“. Dieses Unglück ist also nur 14 Jahre nach der Inbetriebnahme der Strecke Temeswar-Werschetz 1858 geschehen.

„Du bist in den Frühlingsblüten gefallen von des Schicksals Schwert“ heißt es im Grabspruch des am 4. Juli 1927 im Alter von 16 Jahren verstorbenen Lorenz Szenetra. Er wurde in Mercydorf vom Zug überfahren.

Peter Mühlroth aus Lenauheim starb 1931 im Alter von 51 Jahren. Er ist auf dem Pferdewagen eingeschlafen und wurde an der Eisenbahnüberfahrt in der Bogaroscher Straße vom Zug erfasst. In der Sterbematrikel steht: „Peter Mühlbach, von der Eisenbahn überfahren“.

Am 20. April 1942 fällt der 1889 in Karlsdorf geborene Pädagoge, Volkskundler und Mundartforscher Hans Hagel in Temeswar einem Straßenbahnunfall zum Opfer.

Traurig ist das Schicksal der Veronika Demian (geb. 1940) aus Gertianosch. Sie wurde im November 1955 vom Zug erfasst und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. „Gell, ich sterb doch net?“, hat sie öfter besorgt gefragt. Leider ist sie, erst 15 Jahre jung, ihren Verletzungen erlegen. 

Susanna Christian (1896-1951) ist am Bahnhof in Neupetsch vor dem Abtransport in den Bărăgan verunglückt. Der 23-jährige Nikolaus Gumper (1938-1961) aus Neubeschenowa wurde während seines Heimaturlaubs vom Militärdienst vom Zug überfahren. Bei Franz Zimmermann aus Warjasch, 22, wird 1970 in der Sterbematrikel „mors accidens per ferroviarum“ angegeben. Heinrich Lind (1955-1976) aus Lenauheim ist in Lovrin unter den Zug gekommen. Tödlich verunglückt ist 1979 Ellen Saus, geb. Günther, 41 Jahre alt, aus Grabatz. Sie wurde in Temeswar am Bahnhof von einem Zug erfasst. 

Autounfälle

Dass das Auto das wichtigste Verkehrsmittel des 20. Jahrhunderts werden könnte – wer hätte das gedacht, als um 1890 die ersten Motorkutschen aufkamen. 1888 erhielt Carl Benz (1844-1929) den ersten Führerschein der Automobil-Geschichte. Die erste Autofahrerin der Welt war Bertha Benz (1849-1944), die Frau des Autopioniers, die mit ihren beiden Söhnen ohne Wissen ihres Mannes mit seinem Motorwagen im Jahre 1888 eine heimliche Spritztour von Mannheim nach Pforzheim machte.

Schon am 17. August 1896 verzeichnete man den wohl ersten Verkehrsunfall in der Geschichte des Automobils mit Verbrennungsmotor. Das Opfer war Bridget Driscoll (geb. 1851) aus London, die beim Überqueren einer Straße von einem Auto erfasst und getötet wurde. Das Fahrzeug fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 6,5 km/h. (Vom Schlitten zum Space Shuttle, 1990, S. 13 und Wikipedia)

Am Ufer des Walchensees in Bayern haben wir im Sommer 2019 eine Gedenktafel „Zur Erinnerung an den ersten Verkehrstoten überhaupt, der hier in der Nähe 1896 auf der Fahrt von Stuttgart nach Innsbruck verunglückte“, entdeckt und fotografiert.

Die Inschrift einer Grabstätte auf dem Friedhof in Reschitza lautet: „Hier ruhen in stiller Grabesnacht Bittermann Josef (geb.1885) und Engleitner Karl (geb.1900). An der am 20. Juni 1925 seitens der Gesangsection der Eisen und Metallarbeiter nach Anina unternommenen Agitationsreise sind beide Kollegen Opfer eines Autounglückes geworden. Schlummert sanft ihr Sängerbrüder/ Eure Stimme klingt nie wieder / Habt gesungen und gestritten / Für Wahrheit und Gerechtigkeit“.

Auf dem Heimweg von einer auswärtigen Feuerwehrübung sind im August 1930 drei Neudorfer Feuerwehrleute bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen: Franz Finser (26), Ferdinand Bermann (26) und Jakob Iszler (30). 

Elisabeth Wagner aus Segen-thau/Dreispitz kam 1942 im Alter von nur sechs Jahren bei einem Autounfall ums Leben. Sie war taubstumm und ihr schweres Los kommt auch in ihrem Grabspruch deutlich zum Ausdruck: „Zum Schmerz war ich geboren/ Im Unglück ging ich verloren/ Trauervolle Lebenszeit/ Ruft mich in die Ewigkeit“. 

Alois Didicher (Jahrgang 1906) aus Traunau wurde 1955 auf dem Weg nach Arad ins Krankenhaus zu seiner Frau in Neuarad von einem Auto überfahren. „Mein Herzlein tat den letzten Schlag/ Als ein Autorad mich traf/“ steht auf dem Grabstein des vierjährigen Josef Schmidt (1960-1964) aus Sanktanna. 

Am 23. August 1969 starb der 26-jährige Hans Lischko aus Marienfeld durch einen Autounfall. Sein Grabspruch lautet: „In der Blüte meiner Jahre/ Strebt´ ich dem schaffensfrohen Leben zu/ Nun stehen Eltern, Braut und Schwester an dem Grabe/ Tod! wie unerbittlich bist du!“

Bei einem Autounfall der Fußballer aus Deutschbentschek, die ein Auswärtsspiel hatten, wurden einige Spieler verletzt. Es war auch ein Toter zu beklagen, der 24-jährige Michael Hess (1947-1971). Sein Grabstein trägt die Inschrift: „Sport war meine größte Freud/ Euch brachte es ein großes Leid,/ Froh fuhren wir fort von daheim/ Durch Unfall schlaf ich für immer ein“.

Horror-Unfall mit vier Toten

Ein Autounfall mit fatalen Folgen ereignete sich im Sommer 1972 bei Denta, der vier Todesopfer und drei Schwerverletzte forderte. Die „Neue Banater Zeitung“ berichtete darüber: „Verursacht wurde er von Werner Bandasch (19), der mit seinem Pkw mit viel zu hoher Geschwindigkeit und wahrscheinlich unter Alkoholeinfluß auf der Landstraße 59 in eine Kurve raste, ins Schleudern geriet, von der Fahrbahn abkam und an einen Baum prallte. (…) Die Insassen auf den Hintersitzen erlitten die schwersten Verletzungen (…) und starben am Unfallort“. Bei den Toten handelte es sich um Prof. B. Trîmbaci, 33, Horvath Lajos, 27, Peter Zugfil, 22, und Siegfried Junginger, 19. 

Die Todesursache der am 1. September 1973 verunglückten Magdalena Weinmann aus Neuarad, 43 Jahre alt, ist auf ihrem Grabstein festgehalten: „Mit dem Fahrrad auf dem Wege/ Zu dem stillen Gotteshaus/ Kam das Auto schnell gefahren/ Löschte ihr das Leben aus./ Statt den Blumen legtest nieder/ Deine Seele am Altar“.

Am 28. Mai 1975 geriet der 24-jährige Peter Mayer mit seinem Auto auf regennasser Landstraße vor den Hühnerställen der Staatsfarm in Jahrmarkt ins Schleudern und fuhr an einen Maulbeerbaum. Aus dem zertrümmerten Wagen konnten die Ehefrau des Fahrers Erika Mayer, geb. Kassnel und deren Großmutter nur noch tot geborgen werden.

Einen tödlichen Autounfall hatte am 22. November 1975 bei der Einfahrt in Rekasch die 32-jährige Lehrerin Rosina Marschätzky. Am 2. März 1976 kam in Mercydorf Brigitte Roch durch einen Autounfall auf tragische Weise ums Leben. Das achtjährige Mädchen wurde auf dem Weg zur Schule beim Überqueren der Straße von einem Lastwagen erfasst und tödlich verletzt.

Nur kurz währte das Eheglück von Ria Simota, geb. Marschi (1957-1977) aus Neupetsch. Die 20-Jährige erlitt in Serbisch-Sanktmartin einen tödlichen Autounfall: „Oh verloren, plötzlich, oh verloren! / Göttliche umarmen schnell“, steht auf ihrem Grabstein.

Anfang Mai 1978 erlitt der 1898 in Reschitza geborene Alexander Tietz, lange Jahre Deutschlehrer in seiner Heimatstadt, auf dem Heimweg vor seiner Wohnung einen Verkehrsunfall. An den Folgen dieses Unfalls starb er fünf Wochen später, am 10. Juni, im Alter von 80 Jahren. Als Volkskundler machte sich Alexander Tietz einen Namen durch seine Bücher „Sagen und Märchen aus den Banater Bergen“, „Das Zauberbründl“ und „Wo in den Tälern die Schlote rauchen“.

Nur 14 Jahre alt wurde Monika Brennessel (1966-1980) aus Morawitza. Sie fuhr per Autostopp nach Detta in die Schule, bei Denta kam es zum tödlichen Unfall. Im Herbst 1982 schmückte ein buntes Kirchweihsträußchen ihre Grabstätte. Die Kirchweihjugend hatte Monika auch im Tode nicht vergessen. Eine schöne Geste!

Traurige Nachkirchweih

Am 28. August 1976 feierten 22 Trachtenpaare in Perjamosch die Nachkirchweih. Als der Kirchweihzug in Richtung Tanzsaal marschierte, kam ein Auto angerast und fuhr gezielt in den Trachtenzug. Zwei ältere Frauen, die dem Zug folgten, wurden getötet: Marianna Poth, geb. Hubert (Jahrgang 1913) und Katharina Lauer, geb. Endres (Jahrgang 1916); weitere Personen sind verletzt worden. 

Das Ärzteehepaar Dr. med. Hans Schüssler (geb. 1931) und Dr. med. Aurelia Schüssler aus Lippa ist am 27. Februar 1982 bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Beide wurden in Hatzfeld beigesetzt.

Auf dem Friedhof von Deutschbentschek befindet sich die Grabstätte des Josef Kronenberger (1929-1983). Er war Gärtner in der UMT in Temeswar und wurde auf dem Fahrrad im Hof der Fabrik von einem Auto niedergefahren. Sein Herz gehörte der Musik. Für seine geliebte Deutschbentscheker Blaskapelle war ihm kein Opfer zu groß.

Ein tragischer Unfall hat eine junge Familie zerstört. Das erst 1990 aus Darowa nach Deutschland ausgesiedelte Ehepaar Martin und Marianne Kolling kam bei einem Verkehrsunfall am 10. August 1991 auf der Straße Lugosch-Temeswar ums Leben. Ihre beiden Söhne (12) und (5) wurden schwer verletzt. Ebenfalls 1991 wurden die Eheleute Jürgen und Anna Wiume, wohnhaft in Pforzheim, beide 21 Jahre alt, Opfer eines Autounfalls. Sie wurden in Rekasch beigesetzt.

Sonstige Unglücksfälle 

Ein Traktorunfall in Vişag am 13. Dezember 1959 kostete Franz Streitmatter (geb.1937, 22 Jahre alt) und Anton Dippert (geb. 1914, 45 Jahre alt) aus Wetschehausen das Leben. Hans Grünzweig (1931-1969) wurde ebenfalls Opfer eines Traktorunfalls, wie auf seinem Grabstein im Josefstädter Friedhof in Temeswar vermerkt ist: „Der Traktor hat Dich von uns genommen“.

Im Friedhof von Sanktanna ruht Anton Totterer (1939-1965), 26 Jahre alt, Pfarrer von Schimand. Wir haben 1996 mit seinem Vater gesprochen und erfahren, dass er einen Motorradunfall hatte.

Am 26. Oktober 1975 verstarb im Krankenhaus zu Temeswar der aus dem Buchenland stammende Lehrer Wilhelm Bretz (Jahrgang 1906) plötzlich und völlig unerwartet an den Folgen eines am 4. Oktober in der Nähe von Detta erlittenen Motorradunfalles. Besonders tragisch ist die Tatsache, dass auch sein Sohn, Dipl.-Ing. Siegfried Bretz aus Goldbach bei Aschaffenburg, am 23. April 1988 im Alter von 50 Jahren ohne eigenes Verschulden auf der Autobahn einem Verkehrsunfall zum Opfer fiel.

Helmuth Grill (1958-1980) aus Gottlob starb im Alter von 22 Jahren an einem Motorradunfall zwischen Gottlob und Lovrin. Ebenfalls einem Motorradunfall bei Jebel erlegen ist Nikolaus Fuhri (1946-1981) aus Morawitza. Das gleiche Schicksal widerfuhr bereits 1962 dessen 24-jährigem Landsmann Johann Kirsch.

Ein tragisches Ende hatte eine Fahrt mit dem Rettungswagen für Maria Gerold, geb. Geiring (Jahrgang 1938) aus Liebling. Mit ihrem kranken Kind auf dem Weg ins Spital nach Temeswar, raste der Wagen bei Jebel gegen einen Baum. Das Kind hat den Unfall überlebt, die Mutter zog sich eine schlimme Verletzung zu und verstarb sieben Monate später im Mai 1965. Einem Unfall mit der „Salvare“ ist auch Rozalia Maria Schmidt, geb. Minnich (geb. 1938, gest. 5. Oktober 1972) aus Aradsanktmartin, Krankenschwester in Arad, zum Opfer gefallen.

Die Verkettung tragischer Zufälle, der plötzliche Tod erschüttert auch noch Jahre nach den Unfällen. Im Jahr 2020 war Rumänien an erster Stelle in der Europäischen Union was die Verkehrstoten anbelangt: 96 je Million Einwohner, Deutschland lag mit 37 Verkehrstoten an 22. Stelle.