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Der Tod hat viele Gesichter: Mord und Totschlag (Teil 3)

Grabkapelle der Familie Wachtel auf dem Friedhof in Neudorf Foto: Helmut Ritter, 1996

Kapellengruft der Familie Wolf auf dem Friedhof in Alexanderhausen Foto: Helmut Ritter, 1996

Grabstein des Adam Lukhaup auf dem Friedhof in Guttenbrunn Foto: Helmut Ritter, 1996

Wie ein roter Faden zieht sich das Verbrechen durch die Menschheitsgeschichte. Im Banat hat es ebenfalls immer wieder Fälle von Mord und Totschlag gegeben, die die Menschen erschütterten. Sie sind bis heute in Erinnerungen wach oder ihre Spuren auf Friedhöfen sichtbar. In diesem Beitrag werden einige Fallbeispiele chronologisch aufgezeigt. 

Einige spektakuläre Morde wurden durch die Presse bekannt, andere nur durch einen schlichten Spruch auf dem Grabstein. Der gewaltsame unnatürliche Tod ist immer ein schreckliches Ereignis, über das wir nicht sensationslüstern berichten, sondern wir wollen dokumentieren und daran erinnern. Bei der Einordnung der Tötungsdelikte legen wir keine streng juristischen Kategorien an, übernehmen auch Formulierungen aus den Sterbematrikeln.

Vieles wurde uns mündlich mitgeteilt, lebt in der Erinnerung der Dorfgemeinschaft. Für die Richtigkeit dieser Mitteilungen können wir keine Gewähr übernehmen. Vorkommnisse aus größeren Städten, wo die Verbrecherquote viel höher lag als im dörf-lichen Milieu, haben wir nicht berücksichtigt, denn das hätte den Rahmen unseres Beitrags gesprengt.

Manchmal konnten die Mörder nicht ermittelt und verurteilt werden, da die Behörden gelegentlich nur wenig Interesse zeigten, die Verbrecher konsequent zu verfolgen und dingfest zu machen.

Die Zeit vor 1800

Nikolaus Geiss berichtet im Heimatbuch Guttenbrunn (1985) über einen brutalen Mord aus der Ansiedlungszeit. Besonders schlimme Gesellen scheinen die Schoymoscher Räuber gewesen zu sein. Ein Bericht des Lippaer Verwalteramtes nach Temeswar vom 1. November 1735 stellt fest, dass dieselben den Hedenker (lies Temeshidegkuter) Müller, den Kolonisten Nikolaus Bangert (geb. 1708 vermutlich in Mörlenbach im Odenwald), grausam ermordet haben. Das Sterbebuch von Guttenbrunn bestätigt diese Freveltat durch einen ausführlichen lateinischen Eintrag vom 31. Oktober 1735, wonach Johann Nikolaus Bangert in seiner Mühle von Räubern überfallen, zu Boden geworfen, allen Geldes beraubt und in der Nähe des Waldes geschleppt, von Säbelhieben grausam durchbohrt verschieden und am Tag darauf beerdigt worden ist. Und weiter schreibt Geiss, dass das gleiche Schicksal in diesem Unglücksjahr auch Johann Zugschwert und seiner Frau widerfahren ist, die auf dem Rückweg von Jahrmarkt von raitzischen Räubern angegriffen und tödlich verletzt worden sind (Sterbebuch, 26. Februar 1735). Anton Neff bestätigt im Familienbuch Guttenbrunn (1996) die von Geiss geschilderten Vorfälle.

Über einen abscheulichen Mordfall berichtet Franz Klein in der Ortschronik von Billed (1980). Der Fleischhauer und Schankwirt Paul Lechner ist im Jahre 1766 aus Neustadt bei Würzburg nach Billiet ausgewandert. In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1778 ist er mit seiner Frau einem Doppelmord zum Opfer gefallen; sie wurden von Räubern erschlagen und ausgeraubt. Vier Kinder blieben als Waisen zurück.

In der Anfangszeit der Besiedlung des Banats mit deutschen Kolonisten gab es öfter Auseinandersetzungen zwischen den Neusiedlern und der einheimischen Bevölkerung. In seinen „Beiträgen zur Geschichte der Gemeinde Morawitza“ berichtet Dr. Anton Büchl über die Zeit des Türkenkrieges 1787-1790: Als die Türken im südlichen Banat eindrangen, flüchtete die deutsche Bevölkerung aus Morawitza nach Norden, während die Rumänen im Dorf verblieben. Nach der Heimkehr fanden sie ihr Hab und Gut vernichtet. Bei blutigen Zusammenstößen mit den Zurückgebliebenen wurden Anton Storinger und dessen Sohn ermordet und der Führer der Deutschen, Stefan Waldmann, wurde auf dem Felde erschlagen.

Zeitspanne 1800-1900 

Josef Langenfelder (64) aus Donauwörth, Gemeindebeamter in Tschakowa, wurde am 15. März 1800 vor seinem Haus durch Dolchstiche ermordet. 

Im Jahre 1815 kam es zu einem tödlichen Streit zwischen den Brüdern August (Etschka) und Michael (Neupetsch) Lazar. Es ging um die Verteilung von Ochsen! Michael Lazar starb an den Folgen seiner Verwundung am 11. Dezember 1815 im Alter von 43 Jahren und wurde in der Familiengruft in Etschka beigesetzt.

Im Heimatbuch Lazarfeld berichtet Lorenz Lang über ein schreckliches Verbrechen vom 18. Februar 1874: „Der 28 Jahre alte Bauer Jakob Schaaf ermordete gemeinsam mit dem aus Soltur stammenden Fleischhauer Johann Kokron seine Frau Katharina Schaaf, geb. Hary, auf bestialische Weise, indem sie ihr, während sie schlief, die Kehle durchschnitten. Schaaf und Kokron wurden zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt, die Geliebte des Jakob Schaaf, die ledige Maria Schaaf, bekam zweieinhalb Jahre Kerker. Die Mörder sind dann später teilweise begnadigt worden“.

Lehrer Lang berichtet auch über eine weitere Tragödie aus Lazarfeld: „Am 12. März 1898 rief ein trauriges Ereignis allgemeine Bestürzung hervor. Die Bäuerin Margarethe, geb. Rauch, Gattin des Jakob Kern, machte ihrem noch jungen Leben, sie war 24 Jahre alt, durch Erhängen ein gewaltsames Ende. Bevor sie aber ihre schreckliche Tat an sich verübte, beging sie eine noch schrecklichere Tat dadurch, dass sie ihre vier Kinder durch Erwürgen tötete. Was die Veranlassung zu dieser furchtbaren und zugleich rätselhaften Tat gewesen sein mag, konnte nicht ermittelt werden. Mutter und Kinder wurden in einem gemeinsamen Grabe beerdigt“. Im Lazarfelder Familienbuch (Teil 2, 2008, S. 181) von Hans Repp ist der Suizid der Margaretha Kern (geb. 1874) und die Tötung ihrer Kinder Margaretha (geb. 1892), Magdalena (geb. 1894), Eva (geb. 1896) und Johann (geb. 1897) am 9. März 1898 verzeichnet.

Zeitspanne 1900-1920

Über ein Tötungsdelikt berichtet die „Dettaer Zeitung“ vom 9. Februar 1902. „Am Sonntag, den 1. Februar, ereignete sich auf der Banlaker Straße bei hellem Tage ein Raubmord. Der Banlaker Insasse I. Woda hat eingewilligt, den Folyaer Tischlermeister Johann Trinkwell, der von Detta nach Tolvadia wollte, bis nach Banlak auf seinem Wagen mitzunehmen. Während der Fahrt bemerkte Woda bei dem Tischlermeister eine Uhr und forderte ihn auf, er möge ihm diese geben. Trinkwell betrachtete dieses Verlangen als Spaß. Da stieg Woda vom Wagen und nahm eine Leichse, mit welcher er plötzlich auf den Ahnungslosen einschlug, bis er sein Leben aushauchte. Der Mörder eignete sich dann die Uhr und das Bargeld des Toten an. Woda wurde gefasst und dem Gericht übergeben.“

In der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1903 wurde in Großscham der Wirt Franz Schmidt und dessen Weib ermordet. Auf dem Grabstein des am 1. September 1904 im Alter von 27 Jahren verstorbeben Nikolaus Gergen aus Billed ist ein langer Spruch zu lesen, daraus folgende Zeilen: „Lebt wohl Ihr meine Freunde! / Ich danke Euch für Euren Rath. / Und auch Ihr meine Feinde, /Ich verzeihe Euch all Eure Missethat.“ 

Nicht selten waren es Standesdünkel, d. h. die sozialen Unterschiede zwischen arm und reich, die als Ehehindernis galten. Auf dem Friedhof in Alexanderhausen befindet sich die Kapellengruft der Familie Wolf. Darin ruht „Katharina Wolf, gestorben am 7. Mai 1907 im 17. Lebensjahr. Zu früh für uns entschläfst du: Gott schenk uns Trost, dir sanfte Ruh!“ Die Grabinschrift gibt auch die Todesursache preis: „Durch ein scharfes Küchenmesser/Raubte mich der Tod dahin“. Katharina Wolf wurde von ihrem Geliebten erstochen, er selbst hat sich auch das Leben genommen. Weiter heißt es im Grabspruch: „Durch das Schicksal hingerissen, / Entblutet ist mein junges Herz“. Schicksal? War nicht die Hartherzigkeit der Eltern der wahre Grund dafür, dass ein junges Leben ausgelöscht wurde?

Elisabeth Maringer aus Charlottenburg sagte 1972 im Gespräch mit Walther Konschitzky, dass ihr erster Ehemann nicht in den Krieg musste und ermordet wurde: „Den hat de Aanarmichi, a Schwob vun Aliusch, umgebrung. Der vun Aliusch (…) hat meim Mann immer nogeruf: ‚Du Staatskrippl‘. (…) Sie han gstritt, un der Aanarmichi hat's Messer ghat un hat mei Mann zammgstoch. Siewe Stiche hat'r ihm geb, un no is mei Mann am 6. Oktower im 17er, im Spital gstarb. Sie han den Aanarmichi dann verurteilt, awer wie de Kriech rum war, is er rauskumm. Un mei Mann war tot“. (Dem Alter die Ehr, 1982, S. 104-105)

Im Friedhof von Johannisfeld befindet sich ein Grabstein, dessen Inschrift wie folgt beginnt: „Durch Mörder frevelmut erschossen/ Ruht Mutter und auch Tochter hier…“ Bei den Verstorbenen handelt es sich um Anna Hepp, geb. Welter (39) und Elisabeth Hepp (18), beide gestorben am 16. Februar 1919. Elisabeth Hepp und Nikolaus K. liebten sich, aber die Eltern des Mädchens waren gegen eine Heirat. Die beiden jungen Menschen haben deshalb beschlossen, aus dem Leben zu scheiden. Als Mutter und Tochter von einer Unterhaltung nach Hause kamen, wurden beide im „Hausgang“ erschossen. Der Täter flüchtete nach der Tat und erhängte sich, wurde aber von seinen Eltern gerettet. Viel Geld ist draufgegangen, dass er nicht eingesperrt wurde. Er heiratete und zog nach Amerika. 

Stefan Schreiber aus Deutschbentschek ist am 21. November 1920 im 42. Lebensjahr gestorben. Sein Grabstein trägt folgende Inschrift: „Heiße Tränen sind geflossen, als die Botschaft mir getragen: Das du bist zum Tot geschlagen. Doch nicht die Gottesmacht, hat mich zu Tot gebracht“.

Ein äußerst abscheulicher Meuchelmord ist vor 101 Jahren in Großjetscha geschehen. Im neuen Friedhof befindet sich die Grabstätte des Hans Bosch, „ermordet durch Meuchelmörder im Garten seiner Geliebten am 30. Oktober 1920“. Aus dem langen Spruch auf dem Grabstein sei zitiert: „Oh Mensch bleib' an meinem Grabe stehen:/ Tue Niemandem was mir geschehen! / Ich möcht' sogar im Himmel verzeihen, / Wenn die Mörder ihre Tat bereuen“. Hans ging durch den Garten zu seiner Angebeteten Lissi Zimmermann. Die Mörder standen auf der Gasse am Zaun und riefen: „Hans, kumm mol a bissl her“. Ein paar Schritte vom Gartenzaun angelangt, fiel ein Schuss. Die Mörder flohen und wurden niemals für ihre schändliche Tat zur Rechenschaft gezogen.

Zeitspanne 1935-1978

In Guttenbrunn wurden am 18. Oktober 1935 abends Johann Gelz (22) und Adam Lukhaup (20) von einem rumänischen Knecht erstochen. Beide fielen einem Irrtum zum Opfer, denn der Mörder wollte eigentlich einen anderen töten. Adam Nebel wurde schwer verletzt, konnte aber gerettet werden. Auf dem Grabstein des Adam Lukhaup steht zu lesen: „Dich rissen derbe Mörderhände/ Aus Deiner Kameraden Zahl/ Und in der Nacht brach Dein freundlich Auge/ Nach schneller Todesqual“. Nikolaus Geiss schreibt im Heimatbuch Guttenbrunn: „Es war ein Begräbnis für die beiden Jungen, welches diejenigen, die dabei waren, nie vergessen werden“.

Am 28. Dezember 1935 wurden in Billed die Eheleute Christian Lenhardt (50) und Maria, geb. Krier (45), ermordet und grausam verstümmelt. Die Mörder wurden nie gefunden und verurteilt. Die Lenhardts waren reiche Bauern und es hieß, dass der eigene Diener in den Mord verwickelt gewesen sein soll. Auf dem Grabstein ist die Todesursache des Ehepaares verzeichnet.

Die 7-jährige Maria Betzin aus W. wurde 1936 vom jungen Tischler Martin S. aus der Nachbarschaft auf brutale Weise ermordet. Unter dem Vorwand, Maß zu nehmen für die Anfertigung einer Wiege für ihre Puppe, lockte er das ahnungslose Mädchen in seine Tischlerei und tötete es mit einem Beil.

Im Heimatbuch Großscham (1987) wird der Mord an Mathias Hoff geschildert. Feldhüter Hoff gelang es, 1937 Heudiebe zu stellen. Um nicht angezeigt zu werden, ermordeten sie ihn. Sie unternahmen den abscheulichen Versuch, den Mord als Selbstmord zu tarnen. Sie trennten den Kopf vom Leib, legten beide Teile auf die Schienen und hofften, der Frühzug würde darüberfahren. Der Lokomotivführer bemerkte aber rechtzeitig das Hindernis und konnte den Zug noch anhalten.

Heinrich Wachtel aus Neudorf war ein reicher Bauer. Er wurde 1858 geboren und hat 1910 die Friedhofskapelle erbaut. 1940 wurde der 82-Jährige ermordet in seinem Zimmer aufgefunden. Der Vater der Heimatschriftstellerin Annie Schmidt-Endres (1903-1977), Michael Endres (66) aus Lenauheim, wurde 1941 totgeschlagen; man hat seine Leiche in einem Brunnen in der Hatzfelder Straße gefunden. In der Sterbematrikel von Lenauheim ist am 9. Juli 1947 der Tod des 47-jährigen Anton Thier vermerkt. Als Todesursache wird Raubmord angegeben. Laut Aussagen fuhr Thier (auch als „Buttersch Toni“ bekannt), der Gemeindekutscher war, den Stuhlrichter von Lenauheim nach Hatzfeld. Auf dem Rückweg wurde er dann (der Pferde wegen?) erschossen.

Josef Wagner (1883-1942) aus J. wurde laut Matrikel „von seiner Gattin Elisabeth R. und von seinem Sohn Josef erwürgt“. Auf dem Friedhof von D. haben wir einen Grabstein mit folgender Inschrift vorgefunden: „Martin Regner 1934-1978, am 9. Juli totgeschlagen. Schänderlich ermordet von seinen Töchtern. Betrauert von Eltern und Geschwister“. 

Die Taten, die Schicksale machen sprachlos. Den genannten und den ungenannten Mordopfern ein stilles Gedenken.