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Der Tod hat viele Gesichter: Kriegsleid und Kriegsopfer. Banater Schicksale aus drei Jahrhunderten (Teil 2)

Das „Fliegergrab“ auf dem Friedhof in Reschitza, Ruhestätte deutscher Soldaten der beiden Weltkriege Foto: Helmut Ritter, 1985

Gedenkstein für den Fliegerpiloten Michael Meiszner, Gier Foto: Helmut Ritter, 1984

Grabstein für Nikolaus Roster, gefallen 1918, auf dem Friedhof in Grabatz Foto: Helmut Ritter, 2017

Kriege haben meistens viele Väter. Die Ursachen und der Verlauf der beiden Weltkriege sind nicht Thema unseres Beitrags, daher werden wir nicht näher darauf eingehen. Uns geht es primär um das Kriegsleid und die Banater Opfer dieser weltweiten Katastrophen.

Krieg ist immer eine Folge des Versagens der Politik. Der einfache Soldat hat nichts zu melden. Er wurde nicht gefragt, sondern er wurde pflichtgemäß eingezogen. Jeder wollte aber nur eins: überleben! 

„In früheren Zeiten starben die Soldaten gar oft für die dynastischen Interessen der Herrschenden. Seit der Französischen Revolution werden sie von den Regierungen ihrer Länder für echte oder falsche Ideale in den Kampf und Tod geschickt. Ihnen obliegt es stets, zu kämpfen. Die Entscheidung, wo, wann und wofür, treffen andere.“ (Heinrich Freihoffer: Soldatenlos, in:  Der Leidensweg der Banater Schwaben im 20. Jahrhundert, 1983)

Der Erste Weltkrieg 

Stefan Franz aus Morawitza sagte 1973 im Gespräch mit Walther Konschitzky: „Vier Johr kämpfe, des is viel. Posten stehn im fremde Land – for was oder for wen? Mer hat doch nix ghat mit deni Leit!“

Nikolaus Barbeck aus Keglewitschhausen war an der Isonzo-Front in Italien: „Was hawe mir Schwowe mit die Italiener ghat? Awer so is de Kriech. Mir han gschoß, aane uf de anre, awer mir han net gewißt, warum. (…) Uf dere Seit ware mir, uf dr aner Seit ware sie, mir han uns net gekennt un han ufenaner gschoß. Un umgebrung!“ (Walther Konschitzky, Dem Alter die Ehr, 1982, S. 59)

Im Mai 2008 starb kurz vor seinem 108. Geburtstag Franz Künstler aus Niederstetten (geb. 1900 in Sósd, heute Şoşdea bei Moritzfeld), der letzte Veteran der k.u.k.- Armee im Ersten Weltkrieg. Rund neun Millionen Soldaten zählte die Armee und Franz Künstler hat alle überlebt. Mit 18 Jahren kam er an die italienische Front an die Piave. „Ich war kein Hurra-Soldat und habe nur das getan, was ich musste“, bekannte er in einem Gespräch mit André Groenewoud kurz vor seinem Tod. „Die Jugend musste sich gegenseitig umbringen. Ist das gerecht?“

In „Der Leidensweg der Banater Schwaben im 20. Jahrhundert“ schreibt Nikolaus Engelmann: „Und wie an den Fronten das Sterben für ‚Gott, Kaiser und Vaterland‘ vergeblich war, so waren auch alle Opfer und Entbehrungen der Zivilbevölkerung dem Moloch Krieg vergeblich dargebracht. (…) Als die letzten Schüsse gefallen waren und es stille wurde an den Fronten des Grauens, da hörte die Welt das Klagen der Kinder, da sah die Welt die Tränen der Mütter und da zählte die Welt die Opfer“.

Und es waren viele Millionen Opfer! Die Banater Bevölkerung hat auch viel Geld durch Kriegsanleihen verloren. Dadurch, dass die meisten Männer an der Front waren, herrschte akuter Arbeitskräftemangel in der Wirtschaft. Sogar die Kirchenglocken wurden zu Kriegszwecken requiriert!

Einer der ersten Gefallenen des Ersten Weltkriegs war der Zugführer Franz Metzger aus Warjasch (3. August 1914). Auf Grab- und Gedenksteinen erinnern Namen und Inschriften an viele Opfer des Krieges. Ein Beispiel aus Deutschbentschek: „Pro Patria! Hier ruhet der Held Peter Hubauer, 28 Jahre alt. Für Gott, König und Vaterland hast du dein uns allen so kostbares Leben im fernen Feindesland aufgeopfert“. Aber ist es nicht sinnvoller, fürs Vaterland zu leben als dafür zu sterben?

Geradezu pathetisch klingt die Inschrift auf dem Gedenkstein des am 5. Oktober 1918 gefallenen und in Italien beerdigten Josef Welter aus Billed: „Wenn einst die Geschichte von Heldentum spricht,/ Erglänzt auch dein Name in strahlendem Licht./ Geheiligt die Erde, geheiligt der Sand,/ Wo Schwäbische Söhne gefallen fürs Vaterland“.

Auf dem Grabstein des Peter Strebl (gest. 1915, 31 Jahre alt) aus Bogarosch, steht zu lesen: „Geschmückt mit ehrenvollen Wunden/ Hat hier ein Held sein Grab gefunden“. Ehrenvolle Wunden?

Auf dem Bogaroscher Friedhof steht auch ein Gedenkstein mit der Inschrift: „Es ruht in Gott Josef Prunkl. Weit in unbekannter Erde begraben, geb. 1877, gest. 1916. Die Stürme des großen Weltkrieges haben ihn im schönsten Alter dahingerissen und nicht gestattet, daß er bei uns in der Heimaterde, der ewigen Ruhe schlafen kann. Ruhe in Jesu Armen!“

Es gab auch Banater Kriegsopfer, die in die Heimat überführt wurden. So Helmut Wettel, der Sohn des Verlegers und Publizisten Franz Wettel. Er ist im Alter von 21 Jahren am 20. Juli 1916 an der Isonzo-Front in Italien gefallen, seine sterblichen Überreste sind nach Busiasch überführt und dort beigesetzt worden.  Sein Vater schreibt: „Am 19. Juli 1916 von einer Granate bei San Martino getroffen, wurde er mit zerschmetterten Gliedern in ein Feldspital gebracht, wo er am nächsten Tag unter unsäglichen Schmerzen ‚der Kultur des 20. Jahrhunderts‘ zum Opfer fiel“. (Banater Kalender 2020)

Tragisch ist das Schicksal der drei Schirato-Brüder aus Johannisfeld, die ihr Leben im Ersten Weltkrieg lassen mussten: Anton, 27 (gest. 1914), Peter, 30 (gest. 1915) und Nikolaus, 25 (gest. 1916, Kriegskrankheit). Andreas Hepp aus Hatzfeld wurde 86 Jahre alt. Drei seiner Brüder sind im Ersten Weltkrieg gefallen. Auch sie hatten nur ein Leben…

Im Friedhof von Gier befindet sich der „Gedenkstein für den im grossen Weltkriege gefallenen Michael Meiszner, Fliegerpilot, geboren in Gier am 5. Jänner 1895, gefallen in Asiago/Italien am 19. Juni 1918. Ruhe seiner Asche!“

Auf dem Gedenkstein des Franz Josef Henz (25 Jahre alt) aus Perjamosch ist folgende Inschrift verzeichnet: „In jenem großen Ringen gegen eine ganze Weld von Feinde eilte auch er seinem Vaterlande zu Hilfe als Fähnrich des 61. Inf. Rgt. Am 24. 10.1914 bei Visegrad verwundet starb er den Heldentod am 24. Jänner 1915“. Welchem Vaterlande eilte er zu Hilfe? Ungarn? Wollte nicht gerade dieses „Vaterland“ die Banater Schwaben magyarisieren und als Volksgruppe auslöschen? Adam Müller-Guttenbrunn beklagte diesen Zustand in seinem „Banater Schwabenlied“: „Es brennt ein Weh, wie Kindertränen brennen,/ Wenn Elternherzen hart und stiefgesinnt./ O, daß vom Mutterland uns Welten trennen/ Und wir dem Vaterland nur Fremde sind.“

Das 1938 in Hatzfeld erschienene Buch „Galerie der gefallenen und verstorbenen Banater Helden des Weltkrieges 1914-1918“ von Dr. Ladislau Fabian dokumentiert ausführlich das Leid vieler der im Krieg gefallenen, vermissten oder in der Kriegsgefangenschaft verstorbenen Landsleute.

Kriegerdenkmäler: Denk mal!

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in den meisten Banater Ortschaften Kriegerdenkmäler errichtet. Bereits 1920 wurde in Blumenthal eines eingeweiht, es trägt die Inschrift: „Kriegerdenkmal von 1914-1918. Zur Erinnerung an die Zeit, so reich an Opfer und Leid“.

Das Kriegerdenkmal in Großdorf wurde 1925 von Johann und Marianna Grell gestiftet: „Dieser Gedenkstein wurde gestellt zu Ehren der gefallenen Krieger im Feld. Sie litten Qual und Not, bis sie erlöste der bittere Tod. (…) Verlassen von Eltern, Kind und Weib ruhen sie in stiller Ewigkeit!“

Hans Klein schreibt im Heimatbuch Josefsdorf (1986): „Obzwar diese Gefallenen im Ersten Weltkrieg als Feinde des rumänischen Staates gekämpft haben, wurde das Wort ‚Helden‘ niemals und von niemand beanstandet!“

Am 25. Mai 1996 fanden wir in Guttenbrunn am Kriegerdenkmal ein von rumänischen Schülern der Allgemeinschule niedergelegten Kranz. Eine schöne Geste! Trotzdem stellt sich die berechtigte Frage, wie lange unsere Kriegerdenkmäler, nach dem Exodus der Banater Schwaben aus der Heimat, noch bestehen werden.

In seinem bemerkenswerten Buch „Kriegerdenkmäler im Zeichen des Kreuzes. Orte des Erinnerns an die Opfer des Ersten Weltkrieges im Banat“ (2015) schreibt Walther Konschitzky: „Es ging nicht um die Verehrung der Gefallenen als Kriegshelden, wenngleich der Ausdruck ‚Unsere Helden‘ auf einer Vielzahl der Denkmäler aller Ethnien des Banats steht; es ging primär um die Überwindung von Trauer und Schmerz. (…) Der Ausdruck ‚Helden‘ wurde in den meisten europäischen Ländern, aber auch darüber hinaus, zum gängigen Begriff für Gefallene – die Bezeichnung ‚Kriegsopfer‘ war noch nicht üblich“. Konschitzky hat in seinem Buch über 230 Fotografien von Kriegerdenkmälern im Banat veröffentlicht – eine unglaubliche Leistung! Die Kriegerdenkmäler dienten als würdiger Ersatz für die unerreichbaren Gräber der Söhne, Ehemänner und Väter auf den verschiedenen Schlachtfeldern. 

Die letzte Strophe des Gedichts „Ein Kreuz“ des Lyrikers Klaus Günther (1921 Altbeba – 1982 Schorndorf) über das einsame Grab eines fern der Heimat gefallenen Soldaten lautet: „Nur Gras wächst auf dem Grab und biegt/ sich müd und tief herab im Wind./ Wer weiß denn, wieviel Sehnsucht fliegt/ nach Söhnen, die gefallen sind.“

Im Jahr 2013 erschien das überarbeitete Buch „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“ von Manfried Rauchensteiner. „Entfesselte Wien den Ersten Weltkrieg?“ betitelt Michael Epkenhans seinen Beitrag über das Buch in der FAZ vom 5. Oktober 2013. Er schreibt: „Dass er (also Rauchensteiner) vor dem Hintergrund gelegentlicher irritierender Diskussionen über Kriegerdenkmäler zu Recht die Bedeutung der Gedächtnisorte erwähnt, die ‚jener unabsehbaren Mehrheit eine Stimme‘ verleihen, ‚die schon längst nicht mehr am Leben und daher stimmlos geworden ist‘, sei hier ausdrücklich erwähnt“.

Kriegerdenkmäler erinnern nicht nur an Krieg und Kriegsopfer, sie sind auch Mahnmale für den Frieden. Nie wieder Krieg! Die toten „Helden“ waren weniger Helden, sondern eher Opfer von menschenverachtenden Potentaten und sinnlosen, mörderischen Kriegen. Frontsoldaten sind niemals Nutznießer des Krieges, sondern immer nur Opfer!

2014, pünktlich zur hundertjährigen Erinnerung an die Katastrophe des Ersten Weltkrieges, ist der Roman „Kriegerdenkmal. 1914 – Hundert Jahre später“ von Franz Heinz erschienen.

Der Zweite Weltkrieg 

Noch viel brutaler und opferreicher als der Erste Weltkrieg war der Zweite Weltkrieg (1939-1945). „Die allermeisten der etwa 45000 Volksdeutschen aus Rumänien, die mit ihrer rumänischen Einheit seit Juni 1940 an der Ostfront standen, machten von dem am 12. Mai 1943 in Bukarest abgeschlossenen SS-Abkommen zwischen Deutschland und Rumänien Gebrauch, um in die deutsche Armee überzutreten. Die Volksdeutschen aus Rumänien dienten zu etwa 90 Prozent in den Verbänden der Waffen-SS“. (Heinrich Freihoffer, Der Leidensweg der Banater Schwaben aus Rumänien im 20. Jahrhundert, 1983)

Viele Soldaten sind nicht mehr aus dem Krieg heimgehkehrt. An die in der Ferne ruhenden oder in die Heimat überführten Kriegsopfer erinnern Grab- und Gedenksteine. So an Filipp Ott (1909-1941) aus Kleinjetscha, „gefallen den Heldentod bei Odessa für Führer und Volk“. Gefallen für den Führer? Wie heißt es doch bei Peter Jung: „Was braune Geiger fiedeln,/ Das geht uns gar nichts an“.

Der Krieg hat unsagbares Leid in viele Familien gebracht. So zum Beispiel hat Julianna geb. Michels aus Kleinsiedel ihren ersten Ehemann im Ersten Weltkrieg und ihre drei Söhne im Zweiten Weltkrieg beziehungsweise in der Deportation verloren! 

Aussagekräftig auch die Inschrift auf dem Gedenkstein für Heinrich Gängler (1920-1942), gestorben in Perlasovsky, auf dem Billeder Friedhof: „Treu dientest Du dem Vaterland,/ Mit frohem Mut und starker Hand/ Und starbst nach Pein, Entbehrung, Not/ Im Feindesland den Heldentod“.

Johann Müller (1915-1942) aus Sanktanna ist in Stalingrad gefallen: „Es fanden viele, so wie Du/ Im Heldenkampf die ewige Ruh./ Dieser Tod bedeutet mehr als Sterben“. 

Opfer des Krieges wurden auch die drei Brüder Schlotter aus Johannisfeld: Nikolaus (1918-1942), Mathias (1922-1945) und Anton (1925-1943). Susanna Wechselberger, geb. Schampier, aus Lazarfeld starb kurz vor ihrem 85. Geburtstag. Drei ihrer vier Söhne sind im Zweiten Weltkrieg gefallen, worüber sie niemals ganz hinwegkam. Nach dem Einmarsch der Russen 1944 im Banat gab es auch hier viele Opfer, wie zum Beispiel im Kampf um Perjamosch.

Im Friedhof von Cham (Oberpfalz) ruhen sieben Schüler und ihr Lehrer Ludwig Schwan, die aus Karlsdorf im Banat geflüchtet waren, um in Deutschland Schutz zu finden und die am 18. April 1945 durch britische Bombenverbände ums Leben kamen.

Besonders tragisch ist das Schicksal der Familie Wolf aus Kleinomor. Die Eheleute Mathias und Magdalena Wolf, geb. Holz, hatten sieben Kinder, die alle vor den Eltern gestorben sind. Drei starben bereits im Kindesalter und die anderen vier wurden Opfer des Zweiten Weltkriegs. Die drei Brüder Johann, Josef und Mathias sind gefallen, ihre Schwester Maria, verheiratete Karl, ist 1946 auf dem Rücktransport aus der Deportation in der Sowjetunion in Frankfurt/Oder zwischen die Puffer der Eisenbahnwaggons gekommen und gestorben. Sie war 32 Jahre alt.

Das sind nur einige von vielen Tausend Banater Schicksalen während der beiden Weltkriege. Die Heimat im Südosten gab uns eben alles im Überfluss, auch das Leid!